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Beschluss des Familiengerichts: Nuthetal: Zwei Väter in Geburtsurkunde eingetragen

Ein schwules Ehepaar aus Nuthetal hat zwei Kinder von einer US-amerikanischen Leihmutter. Nun werden sie per Gerichtsbeschluss als Eltern in die Geburtsurkunde eingetragen - ein seltener Fall.

Von Katharina Wiechers

Bergholz-Rehbrücke - Die Familie im Freibad oder beim Waffeln essen, zwei blonde Kinder auf dem Spielplatz oder beim Herumspielen am Klavier: Es sind typische Familienbilder, die der Arzt Guido Mewis auf seiner Facebook-Seite teilt. Nur die Tatsache, dass zwei Männer und keine Mutter zu sehen sind, fällt auf – auch 2019 sind sogenannte Regenbogenfamilien immer noch die Ausnahme in Deutschland. Eine Leihmutter in den USA hat die beiden Kinder von Guido Mewis und seinem Ehemann Klaus auf die Welt gebracht, die fast dreijährige Susana und der einjährige Luke wachsen seit ihrer Geburt bei dem schwulen Paar aus Bergholz-Rehbrücke in der Gemeinde Nuthetal auf. Nun haben die Männer vor dem Potsdamer Familiengericht erwirkt, dass sie beide auch in den Geburtsurkunden als Eltern der Kinder eingetragen werden – es ist wohl einer der ersten Fälle dieser Art in Deutschland. 

Der 49-jährige Guido Mewis, der als niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg in Potsdam arbeitet und ehrenamtlich im Grünen-Ortsverband Nuthetal aktiv ist, war bis zur Geburt der Tochter kinderlos. Sein sechseinhalb Jahre älterer Mann Klaus hatte aus einer früheren Beziehung bereits eine Tochter, sie ist mittlerweile 30. Als diese vor rund vier Jahren ihr erstes Kind bekam, wuchs auch bei Guido Mewis und seinem Mann der Wunsch nach einem gemeinsamen Nachkommen. "Die Liebe war da, der Platz war da - warum nicht?", sagt Mewis. Skrupel wegen ihres Altes hätten sie keine gehabt. "Wir sind jetzt sicherlich bessere Eltern, als wir es mit 20 gewesen wären." 

In Deutschland ist die Vermittlung von Leihmüttern verboten

Eine Adoption kam für die beiden nicht in Frage, schnell war klar, dass eine Leihmutter das Kind mit zumindest dem Genmaterial von einem der beiden austragen sollte. In Deutschland ist die Vermittlung von Leihmüttern verboten, in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten aber erlaubt. Also fanden sie eine anonyme Eizellenspenderin, ließen 24 Eizellen mit dem Samen von Guido Mewis befruchten und die zwei Wochen alten Embryonen einfrieren. Dann begann der komplizierte Teil. 

Denn während Eizellenspenden relativ einfach zu bekommen sind und die Spenderin sogar per Katalog ausgewählt werden kann, sind Leihmütter schwerer zu finden – und teurer. Schließlich verpflichten sie sich, neun Monate lang ein Kind mit der DNA zweier fremder Menschen auszutragen und danach abzugeben. Doch eines Tages kam die gute Nachricht aus den USA: eine geeignete Frau war gefunden. 

Der volle Name der Frau blieb zunächst geheim

Die komplette Identität erfuhren die Männer zunächst nicht, schließlich wollte die engagierte Agentur verhindern, dass sich die Parteien untereinander einigen und sich die hohen Vermittlungsgebühren sparen. Doch es schien zu passen: Susana, eine Mexikanerin mit US-Staatsbürgerschaft aus dem Grenzgebiet San Diego/Tijuana, hatte selbst schon vier Kinder und arbeitete als Managerin in einem großen Gesundheitszentrum. 

Bei einer Telefonkonferenz, zu der wie in solchen Fällen üblich auch eine Psychologin zugeschaltet war, lernten die beiden deutschen Männer die Amerikanerin kennen. Mewis beschreibt sie als sympatische und herzliche Powerfrau, die nicht nur aus finanziellen Gründen Leihmutter werden wollte, sondern auch aus der Motivation heraus, kinderlosen Paaren zu helfen. Auch die Psychologin gab ihr Ok, einige in Deutschland übliche Impfungen für die künftige Leihmutter wurden verabredet – dann war alles geklärt und die Verträge wurden unterschrieben. 

Der erste Versuch schlug fehl

Über Facetime verfolgten Mewis und sein Mann dann in Deutschland die Implantation des ersten Embryos bei Susana in den USA, sie wollten von Anfang an bei jedem Schritt involviert sein. Die anfängliche Euphorie war groß, doch nach einigen Wochen war klar, dass sich eine extrauterine Schwangerschaft entwickelt hatte, das gesunde Mädchen musste abgetrieben werden. Doch beim zweiten Mal klappte es, Susana wurde schwanger – wieder war es ein Mädchen.

Nach sechs Monaten fuhren die beiden in die USA, um Susana kennenzulernen, und waren regelrecht überwältigt von der Gastfreundschaft, mit der sie in San Diego empfangen wurden. „Es wurde eine mexikanische Familienparty für uns geschmissen“, erzählt Mewis strahlend. 

Sie reisten zur "Baby shower" in die USA 

Und man überredete sie, fünf Wochen vor dem Geburtstermin noch einmal zu kommen, für eine sogenannte Baby shower, also eine Party für die werdenden Eltern. „Es kamen 70 Leute, die alle ein Geschenk für uns dabei hatten“, sagt Mewis. „Wir mussten Koffer kaufen, um alles zurück nach Hause zu schaffen.“ 

Doch kaum zurück in Bergholz-Rehbrücke, platzte bei Susana die Fruchtblase – vier Wochen vor dem Geburtstermin. Mewis flog sofort hin, Kollegen in der Potsdamer Gemeinschaftspraxis übernahmen kurzfristig die Patienten. Klaus konnte so schnell nicht weg, er leitet eine Firma für Gebäudereinigung und Hausverwaltung. Also begleitete Mewis Susana bei der Geburt – ein hochemotionales Erlebnis, das Mewis wie die meisten Eltern minutiös nacherzählen kann. 

Doch statt sich danach wie bei Leihmutterschaften üblich für immer zu verabschieden, wählten Guido Mewis und Susana eine ungewöhnliche Lösung. Er zog mit dem Neugeborenen für vier Wochen bei Susana ein – sie hatte noch ein Zimmer in ihrem Haus frei und angeboten, dem unerfahrenen Vater zu helfen, der anders als geplant nun ohne Partner in den USA war. Das habe erstaunlich gut funktioniert, sagt Mewis heute. Auch wenn der Abschied tränenreich war – vor allem für Susana.

Die Leihmutter selbst brachte ein Geschwisterchen in Spiel

Trotzdem kam wenige Monate später der Vorschlag von der Leihmutter, das Ganze noch einmal zu wiederholen und der kleinen Susana – das deutsche Paar hatte dem Mädchen den Namen der Leihmutter gegeben – ein Geschwisterchen zu schenken. Diesmal schien alles unkompliziert: eingefrorene Embryonen waren noch übrig und die Expertise, wie man wo und wann an die richtigen Dokumente kommt, hatten die beiden mittlerweile auch.

Ohne Agentur konnten sie sich zudem die hohen Vermittlungs- und Anwaltsgebühren sparen. Immerhin hatten Mewis und sein Mann rund 180.000 Dollar für das erste Kind bezahlt – wovon 35.000 Dollar an die Leihmutter gingen. Diesmal vereinbarten sie, 46.000 Dollar direkt an Susana zu zahlen.

Die zweite Schwangerschaft verlief weniger entspannt

Tatsächlich wurde sie wieder schwanger, doch von der Herzlichkeit beim ersten Mal war wenig übrig. Susanas Mutter, der sie mit der Leihmutterschaft wohl eigentlich eine Organtransplantation finanzieren wollte, starb während der Schwangerschaft. Susana verfiel in eine Krise, zerstritt sich mit ihrer Familie, reiste in Gegenden, in denen das für Schwangere hochgefährliche Zika-Virus grassierte. Mewis wird einsilbiger, wenn er über diese zweite Episode spricht, nimmt Susana aber auch in Schutz, spricht von Schwangerschaftspsychose. 

Auch sah es am Beginn der Schwangerschaft so aus, als könnte das Kind behindert sein, eine Abtreibung kam für die Männer aber nicht in Frage. Doch am Ende wurde ein gesunder Junge geboren, sie nannten ihn Luke, nach der Figur aus Star Wars. Diesmal blieben sie nicht länger als nötig in den USA – schließlich war auch die inzwischen eineinhalbjährige Susana mit dabei – sondern stiegen schon nach einer Woche zurück in den Flieger nach Deutschland. 

Guido Mewis' Partner tauchte bislang offiziell nicht auf

Neben den alltäglichen Herausforderungen, die eine vierköpfige Familie mit zwei arbeitenden Eltern zu bewältigen hat, und den nicht immer freundlichen Reaktionen auf die ungewöhnliche Familienkonstellation blieben auch die fehlenden beziehungsweise falschen deutschen Geburtsurkunden der Kinder ein Problem. 

In Susanas Urkunde sind Guido Mewis und die Leihmutter als Eltern eingetragen, während Klaus in dem Dokument keine Rolle spielt und auch im Fall von Guido Mewis’ Tod keinerlei Rechte hätte. Auch im Alltag war dies ein Problem, zum Beispiel bei der Beantragung eines Platzes bei der Tagesmutter. Luke hingegen hat bis dato noch gar keine deutsche Urkunde, sondern nur eine amerikanische mit beiden Männern als Vätern. 

Vor einigen Tagen kam der Beschluss des Gerichts

Im Mai diesen Jahres brachten die beiden Männer aus Bergholz-Rehbrücke ihren Fall zum Potsdamer Familiengericht – obwohl es in Deutschland bislang kaum Fälle gibt, in denen zwei Männer als Eltern von Kindern aus einer Leihmutterschaft in die Geburtsurkunde eingetragen wurden. Doch vor einigen Tagen kam der erlösende Beschluss des Gerichts, der den PNN vorliegt: Guido Mewis und Klaus müssen vom Standesamt als Eltern eingetragen werden. 

Als Gründe nennt das Gericht zum einen die Tatsache, dass die Kinder nachweislich nicht genetisch von der Leihmutter abstammen und zum anderen ihr Recht auf „rechtliche Zuordnung zu ihren beiden Eltern.“ Dabei kommt es aus Sicht der Richterin entscheidend darauf an, dass die Wunscheltern die „Elternstellung“ für das Kind einnehmen und ihm die nötige Zuwendung zuteil lassen. Guido Mewis und sein Mann lebten „mit beiden Kindern in einer festen Familienstruktur und sind den beiden Kindern Eltern“, so die Worte der Richterin. 

Für Mewis ist der Beschluss ein großer Erfolg. Die Richterin habe gerade jetzt, wo wieder mehr Menschen den „kruden Ideen aus der Zopfzeit“ anhingen, was die Elternrolle angehe, entschieden, dass Menschenrechte auch für Schwule und Lesben gelten. Er will sein Wissen an andere Paare weitergeben, die vor ähnlichen Problemen stehen. Damit auch sie die rechtmäßigen Eltern ihrer Kinder sein können. Schwarz auf weiß. 

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