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Berlinale in Kleinmachnow: Großes Kino in den Kammerspielen

Die Kammerspiele in Kleinmachnow sind zum Schauplatz des Berlinale-Kiezkinos geworden. Roter Teppich, Stars zum Anfassen und begeisterte Zuschauer. Axel Prahl führte durch den Abend.

Von Sarah Kugler

Kleinmachnow - Mehrere hundert Kinobesucher scheinen den Atem anzuhalten, hier und da hört man halbunterdrückte Schluchzer, werden Nasen geschnäuzt. Die Anspannung ist fast körperlich spürbar. Nach einer kurzen Stille entlädt sie sich in tosendem Applaus. Vom Berlinale-Kiezkino in Kleinmachnow, das am Dienstagabend in den Neuen Kammerspielen stattfand, als Ereignis zu sprechen, wäre untertrieben. Nicht nur, dass die gezeigten Wettbewerbsfilme „24 Wochen“ sowie „Cartas da guerra“ intensive Kinostimmung schufen und die dazugehörigen Filmteams für reichlich Glamour sorgten. Auch der enorme Ansturm gutgelaunter Besucher machte den Abend zu etwas Außergewöhnlichem für Ort und Kino.

Vor allem der einzige deutsche Beitrag der diesjährigen 66. Berlinale, „24 Wochen“ von Regisseurin Anne Zohra Berrached mit Julia Jentsch und Bjarne Mädel in den Hauptrollen, zog viele Besucher an. Bereits eine Dreiviertelstunde vor Filmbeginn ist am Eingang der Kammerspiele kein Durchkommen mehr. Viele, viele Besucher drängen sich auf dem roten Teppich, warten auf den Einlass und halten Ausschau nach den Stargästen des Abends: Für „24 Wochen“ hat sich fast das gesamte Filmteam angekündigt.

Kinopate Axel Prahl begrüßt die Gäste

Bevor es soweit ist, erregt aber jemand anderes die Aufmerksamkeit des Publikums: Tatort-Kommissar und Kinopate der Kammerspiele Axel Prahl begrüßt die Gäste auf dem roten Teppich und freut sich über die Resonanz. „Der Testballon ist ja offensichtlich eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt er. „Für Kleinmachnow ist das ein positives Zeichen und zeigt auch, dass der Bedarf da ist, außerhalb von Berlin Wettbewerbsfilme zu zeigen.“ Vor allem auf den deutschen Beitrag sei er selbst schon sehr gespannt.

Für „24 Wochen“ kommen dann auch so viele Zuschauer, dass die Betreiber noch eine zusätzliche Stuhlreihe im Saal aufstellen müssen. Die bleibt, wie der Rest des Saals, auch im anschließenden Filmgespräch besetzt, in dem der Film kontrovers diskutiert wird. Es ist kein einfaches Thema, das sich Regisseurin Anne Zohra Berrached für ihren Beitrag gewählt hat. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Familie, die erfährt, dass ihr zweites Kind mit einem Downsyndrom zur Welt kommen wird. Als dann noch ein schwerer Herzfehler bei dem Ungeborenen diagnostiziert wird, stehen die Eltern vor einer Entscheidung über Leben und Tod.

Bjarne Mädel: „Ich habe schon ein anderes Timing als ein Herzchirurg“

Zohra Berrached wollte vor allem mit dem Tabu der Spätabtreibung brechen, immerhin entscheiden sich 90 Prozent der betroffenen Frauen dafür, wie sie am Dienstag sagt. Um eine glaubhafte Umsetzung zu erreichen, besetzte sie einige Rollen mit echten Ärzten und Hebammen, was zu einer Herausforderung für die Darsteller wurde, da die entsprechenden Szenen improvisiert wurden.

„Ich habe schon ein anderes Timing als ein Herzchirurg“, sagt Darsteller Bjarne Mädel lachend. „Aber genau das machte es so spannend.“ Im Vorhinein traf sich das Team mit vielen Experten sowie Menschen mit Downsyndrom. Kollegin Julia Jentsch hatte zur Vorbereitung auch mit betroffenen Eltern gesprochen, wie sie erzählt. „Mir hat das sehr geholfen, meine Rolle zu verstehen, ihre Zweifel und Ängste“, so die Darstellerin.

Zuschauer mit auf die Reise genommen im Kiezkino

Trotz aller Recherche wurde der Beitrag von einer dreifachen Mutter aus Kleinmachnow, die selbst ein Kind mit Downsyndrom hat, als „Werbefilm für Spätabtreibung“ empfunden – was die Regisseurin weit von sich weist. „Natürlich war auch ich von der hohen Prozentzahl geschockt, aber die Mutter leidet enorm, das kann man ja sehen“, sagt sie. Genau dieses Leiden hat eine andere Zuschauerin tief bewegt. „Das Thema wurde so gut nahegebracht, es hat die ganze Zeit wehgetan“, sagt sie. „Ein großes Dankeschön, dass ihr uns mit auf diese Reise genommen habt.“

Eine ganz andere Reise erzählt der portugiesische Film „Cartas da guerra“. Der Schwarz-Weiß-Streifen ist die filmische Adaption der Liebesbriefe des portugiesischen Schriftstellers António Lobo Antunes, die er von 1971 bis 1973 im Kolonialkrieg in Angola als junger Militärarzt an seine Frau geschrieben hat. Auf bedrückend gefilmte Bilder, die Antunes schleichende Zermürbung durch den Krieg zeigen, lässt Regisseur Ivo Ferreira seine Hauptdarstellerin Margarida Vila-Nova die romantischen Brieftexte sprechen.

"Auch mal Kleinmachnow kennengelernt"

Mit ihrer weichen Stimme und den portugiesischen Lauten beherrscht sie den Film und gibt ihm seine poetische Klangfarbe. Für Regisseur Ferreira, der in dem Film die große Distanz der Liebenden darstellen wollte, sei es eine der schönsten Liebesgeschichten, die er jemals erlebt hat. „Und mit diesem Film gehört sie nun Ihnen allen“, sagt er.

Das wussten nicht alle Zuschauer zu schätzen. Eine 31-Jährige Besucherin aus Neukölln etwa bemängelte, dass der Film vor allem die männliche Perspektive widerspiegele. Einer jungen Frau aus Wedding hingegen gefiel die Komposition aus Text und Bild sehr gut. Überhaupt sei das Konzept des Kiezkinos aufgegangen, findet sie. Die Stimmung sei grandios und so habe sie auch mal Kleinmachnow kennengelernt.

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