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Verlorene Ehre. Olaf Ihlefeldt am Grab des Botanikers Hugo Conwentz.

© T. Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Berlin lässt seine Toten im Stich

Senatskanzlei kündigt zweite Ehrengrabschaft auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof

Stahnsdorf - Sie haben Großes vollbracht. Sie waren Autoren, Komponisten, Impressionisten, Anästhesisten, Botaniker oder Flugzeugkonstrukteure. Ihre Namen lauteten Heinrich Zille, Engelbert Humperdinck, Lovis Corinth, Carl Ludwig Schleich, Hugo Conwentz und Edmund Rumpler. Sie haben die Welt mit ihrem Tun bereichert, für Fortschritt gesorgt. Jahrelang wurden die Gräber der Berliner Prominenten dafür auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof vom Land Berlin in allen Ehren gehalten, gepflegt und bezahlt. Bis jetzt.

Die Berliner Senatskanzlei hat die zweite von einst 16 Ehrengrabschaften auf dem Stahnsdorfer Prominentenfriedhof gekündigt. Betroffen ist nach dem Grab des Funkpioniers Georg Graf von Arco (1869–1940) nun die Ruhestätte des Botanikers Hugo Conwentz (1855-1922). Er gilt als Begründer des europäischen Naturschutzes. Für 20 Jahre hatte Berlin die Rechte an dem Grabplatz mitten im Kiefernwald des zweitgrößten Friedhofs Deutschlands inne. Wie Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt mitteilte, sei der Vertrag überraschend nicht mehr verlängert worden. Ihlefeldt fürchtet, dass auch die Gräber der übrigen 14 Promis in der Hauptstadt in Vergessenheit geraten könnten. Auch die Verträge laufen aus.

„Nach und nach beginnt der Senat, die Ehrengräber wegzustreichen“, sagt Ihlefeldt. Das Grab des Funkpioniers von Arco sei vor drei Jahren aus der Liste gefallen, nun also Conwentz. „Ich finde das bedenklich, es sind schließlich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.“ Wie der Friedhof die Pflege der Gräber bezahlen soll, ist derzeit unklar. „Sicher ist, dass wir sie nicht verfallen lassen wollen.“ Dann müssen Spenden gesammelt werden.

Dabei geht es um kleine Beträge: Die Pachtkosten für alle 15 Ehrengräber belaufen sich für die nächsten 20 Jahre auf einmalig 17 580 Euro, die Pflegekosten auf jährlich rund 5000 Euro. „Wir haben Berlin angeboten, auf die Pacht zu verzichten.“ Doch selbst für die Pflege sei kein Geld da. „Das wurmt mich“, sagt der Friedhofsverwalter. Für seine Toten hat das Land kein Geld. „Ich bin neugierig, ob sie auch Zille kündigen“, so Ihlefeldt.

Das wird wohl nicht passieren, sagt Bernhard Schodrowski, stellvertretender Sprecher des Berliner Senats. Jedoch sei das Land verpflichtet, nach zwei Jahrzehnten alle Grabschaften zu prüfen. „Die verstorbene Persönlichkeit muss auch noch nach 20 Jahren der breiten Öffentlichkeit, und nicht nur in Expertenkreisen, bekannt und in fortlebendem Andenken sein“, so Schodrowski. In Fall Conwentz sei so gegen eine Verlängerung entschieden worden. Im Fall Zille kann es anders aussehen. Keinesfalls ginge es darum, das Andenken zu minimieren. Ehrengräber seien jedoch keine Denkmäler auf Dauer.

Noch sind die 15 Ehrengräber auf dem Südwestkirchhof mit einem Tonstein versehen, auf dem das Berliner Landeswappen prangt. Am Grab von Conwentz soll der Stein schleunigst verschwinden. So wünscht es Berlin. „Wenn das Grab verkommt, soll wohl niemand sehen, wer einst dafür zuständig war“, sagt Friedhofchef Ihlefeldt Tobias Reichelt

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