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Bei Andreas Möckel wurde die Krankheit 2015 diagnostiziert. Anfangs wollte er es nicht glauben, heute denkt er positiv und kämpft aktiv gegen die Symptome.

© Sebastian Gabsch

Beelitzer Parkinsonklinik: „Der coole Typ von früher bin ich nicht mehr“

Andreas Möckel leidet an Parkinson. Er versucht, positiv mit der Krankheit umzugehen. Unterstützung findet er in der Parkinsonklinik in Beelitz-Heilstätten.

Von Sarah Stoffers

Beelitz-Heilstätten - Als Andreas Möckel vor rund fünf Jahren seinen Hausarzt aufsucht, glaubt er zunächst an einen Schlaganfall. „Meine rechte Seite wurde taub. Der Arm wurde schwer.“ Auch sein rechtes Auge macht Probleme, hängt schlaff herunter. Viele Untersuchungen bringen kein Ergebnis. Die Ärzte können keine Ursache feststellen. Möckel wird an eine Neurologin überwiesen. „Sie hat es sofort erkannt. Schon an meinem Gangbild und an meinem Arm“, erinnert sich Möckel. Die Diagnose: Parkinson.

Die Krankheit, auf die am 11. April mit dem Welt-Parkinson-Tag aufmerksam gemacht wird, kann jeden zu jeder Zeit treffen. Nicht nur ältere Menschen, auch Kinder und Jugendliche können an Parkinson erkranken. Jedoch steigt das Risiko mit dem Alter, wie Georg Ebersbach erklärt, der seit 1998 Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen und Parkinson in Beelitz-Heilstätten ist. Es gebe durchschnittlich rund 200 Fälle auf 100 000 Menschen. Ab einem Alter von 60 Jahren sind bereits rund ein Prozent der Bevölkerung betroffen und mit zunehmendem Alter wächst diese Quote weiter an. Über die genauen Ursachen werde noch geforscht. Die Experten nehmen an, dass multifaktorielle Ursachen bei der Krankheit zusammenkommen, wie Ebersbach erklärt. Neben den Erbanlagen spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle.

Georg Ebersbach ist seit 1998 Chefarzt der Parkinson-Klinik.
Georg Ebersbach ist seit 1998 Chefarzt der Parkinson-Klinik.

© Sebastian Gabsch

Möckel bemerkt bereits etwa ein halbes Jahr vor der Diagnose, dass etwas mit ihm nicht stimmt. „Mein Geruchssinn war weg. Das war für mich sonderbar, aber ich habe es nicht so richtig registriert.“ Manchmal habe er auch Gerüche wahrgenommen, die gar nicht da waren. Die Diagnose trifft den heute 55-Jährigen schwer. Der Orthopädietechniker hatte in seinem Beruf schon mit Parkinson-Erkrankten zu tun, weiß daher sehr gut, was die Krankheit bedeutet. Er habe geweint, sagt Möckel. Die Neurologin sei in Sorge gewesen, dass er sich etwas antut. Sie verschreibt ihm Tabletten, die seine Symptome verbessern sollen. Die wirken bei Möckel nicht richtig. Ihm wird schlecht davon. Damals will er noch nicht glauben, dass er an Parkinson erkrankt sein soll. Erst nach einem weiteren Test, bei dem untersucht wird, wie das Dopamin sich in seinem Gehirn verteilt, wird es ihm richtig bewusst.

Durch Dopaminmangel werden die Muskeln steif

Bei Parkinson sterben Nervenzellen in einem bestimmten Bereich des Gehirns ab, die Dopamin herstellen. Durch den Dopaminmangel werden bei den Patienten die Muskeln steif, die Bewegungen verlangsamen sich, werden schlechter, wie Ebersbach erklärt. Die Symptome reichen von einer starren Mimik über langsames Gehen, steife Arme, die beim Laufen nicht mehr richtig mitschwingen, bis hin zu einer kleineren Handschrift sowie leiserem, langsamerem Sprechen. Bekanntestes Anzeichen ist das Zittern. „Das Zittern tritt aber nicht bei allen Patienten auf. Genauso hat nicht jeder, der zittert, Parkinson“, so Ebersbach. Auch andere Symptome wie Schlafstörungen, Inkontinenz, Demenz oder Schmerzen können bei den Erkrankten auftreten.

Andreas Möckel und Professor Georg Ebersbach, Parkinson- Klinik.
Andreas Möckel und Professor Georg Ebersbach, Parkinson- Klinik.

© Sebastian Gabsch

Der Dopaminmangel hat aber noch weitere Auswirkungen, wie Ebersbach erklärt. Dopamin werde nicht umsonst als Glückshormon bezeichnet. Die Patienten können Depressionen bekommen. Ihr ganzes Wesen, ihr Charakter könne sich verändern. 

Wirken die Dopaminersatz-Medikamente zu stark, können unkontrollierbare Überschussbewegungen oder Halluzinationen auftreten. Manchmal kommt es auch zu sogenannten Impulskontrollstörungen, die Libido steigert sich, einige werden spielsüchtig.

Zunächst arbeitet er normal weiter

2015 kommt Andreas Möckel das erste Mal in die Fachklinik in Beelitz-Heilstätten. Das Fachpersonal kümmert sich unter anderem um die richtige Einstellung seiner Medikamente. In der Regel bleiben die Patienten zwei bis drei Wochen. „Danach habe ich mich gefühlt, als ob nichts wäre“, so Möckel. Zunächst arbeitet er ganz normal weiter. Oft weit mehr als 40 Stunden in der Woche. Irgendwann, so erzählt er, rächt sich sein Körper, werden die Symptome wieder schlimmer. 

Etwa zur selben Zeit hat er eine Hüftoperation und bekommt ein künstliches Hüftgelenk. Über ein Jahr muss er danach zu Hause bleiben und verliert deswegen seinen Job als Orthopädietechniker. Als er sich wieder besser fühlt, findet er bei einem ehemaligen Kollegen eine Arbeit in einem Sanitätshaus. Seither arbeitet er im Verkauf. Prothesen, so wie früher, kann er nicht mehr anfertigen, weil seine Feinmotorik und die Konzentration nachlassen. Er habe immer sehr viel Spaß an seinem Beruf gehabt. „Aber wenn ich dabei einen Fehler mache, wäre das einfach unverantwortlich“, so Möckel.

Gute und schlechte Phasen

Er spricht sehr offen über seine Erkrankung. Es gebe gute und schlechte Phasen. Besonders, wenn er Stress hat, sei es schlimm. „Der coole Typ von früher bin ich nicht mehr“, sagt Möckel. Ihm helfe die Routine, um nicht in Panik zu verfallen.

Wenn die Wirkung der Medikamente nachlasse, wackele sein Stimmbild, werde er verkrampft. Manchmal reiche es schon, wenn er die Medizin zehn Minuten zu spät einnimmt, um einen Absturz, wie er es nennt, hervorzurufen. Wenn ein Kunde ihn dann nicht mehr versteht, gebe ihm das schon zu denken.

Sein Freundeskreis und seine Freundin helfen Andreas Möckel, aktiv zu bleiben.
Sein Freundeskreis und seine Freundin helfen Andreas Möckel, aktiv zu bleiben.

© Sebastian Gabsch

Neben der richtigen Medikation umfasse die Behandlung aktivierende und psychosoziale Therapien, erklärt Ebersbach. So kümmerten sich Therapeuten und Sozialarbeiter um die psychischen und sozialen Komponenten wie etwa Depressionen und auch um Beratungen für die Angehörigen. Die Klinik ist zudem wie eine Reha-Klinik ausgestattet. Die Patienten sollen durch Übungen, die sie auch zu Hause fortführen, ihre Bewegungen trainieren und verbessern. Von Thai Chi, Rudern, Boxen und Basketball über Musiktherapien bis zum Bogenschießen können sie verschiedene Sportarten ausprobieren. Bei einigen Patienten kommt auch die sogenannte tiefe Hirnstimulation zum Einsatz. Dabei werden Elektroden ins Hirn implantiert, die mittels Draht mit einem Impulsgeber verbunden sind. Die elektrischen Impulse helfen bei der Behandlung der verschiedenen Bewegungsstörungen und des Tremors.

Wirkung der Medikamente immer ungleichmäßiger

Andreas Möckel ist zum dritten Mal in der Fachklinik. Seine Medikamente mussten neu eingestellt werden. Wie Ebersbach erklärt, wurde die Wirkung mit der Zeit immer ungleichmäßiger. Bei diesen sogenannten On-Off-Wirkungsschwankungen erleben die Betroffenen im Verlauf des Tages ein ständiges Wechseln zwischen guter, verlangsamter und überschießender Beweglichkeit. 

Eine tiefe Hirnstimulation kommt für Möckel noch nicht infrage. „Das möchte ich so lange wie möglich hinauszögern“, sagt er. Manche Parkinson-Patienten seien isoliert, trauten sich wegen ihrer Bewegungen, die auf Außenstehende merkwürdig wirken, nicht mehr vor die Tür. Ihm gehe es zum Glück anders, sagt Möckel: Sein Freundeskreis und seine Lebenspartnerin helfen ihm dabei, aktiv zu bleiben und zu kämpfen. Der Berliner spielt Gitarre und singt. 

Neu auf seine Medikamente eingestellt muss er derzeit nur noch ein einziges Medikament alle drei bis vier Stunden nehmen. Er hat auch neue Bewegungsübungen gelernt, die er zu Hause praktizieren will. Er denke positiv. „Ich bin voller Hoffnung, dass in den nächsten Jahren etwas entwickelt wird, das dauerhaft hilft.“

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