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Beelitzer Heilstätten: Grusel-Ausflug in die Heilstätten

Durch die Chirurgie in den Beelitzer Heilstätten gibt es jetzt Führungen im Dunkeln. In die anderen Ruinen kommen Besucher nur bei Tageslicht.

Von Enrico Bellin

Leise hallen die Schritte in der früheren Chirurgie in den Beelitzer Heilstätten, im Lichtkegel der Taschenlampen tauchen alte Krankenbetten auf, über die Ziegelsteinwände huschen die Schatten der Besuchergruppe. Den Nervenkitzel, im Dunkeln durch die Gebäude der ehemaligen Lungenheilanstalt zu wandeln, kann nun jeder erleben. Andreas Böttger und seine Kollegen der Go2Know GmbH bieten immer samstags und sonntags geführte Touren bei Einbruch der Dunkelheit durch die spärlich beleuchteten Gebäude rund um den Beelitzer Baumwipfelpfad an.

Gruselgeschichten jagen Besuchern Schauer über den Rücken

Seit einem Jahr organisieren Böttger und sein Team aus etwa 15 Guides Führungen auf dem Gelände. „Dabei kam bei den Gästen immer wieder der Wunsch auf, nachts durch die Chirurgie zu laufen“, so Böttger gegenüber den PNN. Das Gebäude, in dem etwa seit der Wende zum 20. Jahrhundert Lungenkranke operiert wurden und das noch recht gut erhalten ist – sogar ein alter, gusseiserner Fahrstuhl hängt noch im Schacht – übt offenbar die größte Anziehungskraft auf die Besucher aus. Auch die noch immer kursierenden Gruselgeschichten etwa von dem Mann, der bei Sado-Maso-Spielen auf dem Gelände eine Frau versehentlich ermordet haben soll, oder Operationen von nicht betäubten Patienten während beider Weltkriege, jagen den Besuchern Schauer über den Rücken.

Aus einer Zusammenarbeit mit Berliner Licht- und Street-Art-Künstlern heraus kam Andreas Böttcher daher die Idee für die etwa 90-minütigen Rundgänge, die jeweils um 15.30 Uhr starten. „Wir haben zwar selbst helle Lampen dabei, empfehlen unseren Gästen aber, eigene Taschenlampen mitzubringen“, so der Go2Know-Geschäftsführer. Bisher kommen im Durchschnitt etwa 20 Personen zu den Führungen durch die Gebäude der Heilstätten, die jeweils zehn Euro kosten, zusätzlich zum Eintritt in den Heilstättenpark von 9,50 Euro für Erwachsene. Reservieren kann man die Führungen nicht, die Tickets gibt es am Kassenhäuschen des Parks. Die Führungen in der Dunkelheit sollen den ganzen Winter über angeboten werden.

Baumwipfelpfad zog bisher über 210.000 Besucher an

Derzeit ist der Park nur freitags bis sonntags geöffnet. Laut Georg Hoffmann, Geschäftsführer der Heilstätten Projektentwicklungs-GmbH, soll zwischen Weihnachten und Neujahr aber wieder durchgehend geöffnet sein. Der Park mit dem Baumwipfelpfad wurde im September vergangenen Jahres eröffnet. Seither hat er Hoffmann zufolge etwa 210 000 Besucher angezogen. „Damit sind wir sehr zufrieden.“ Neben den mehr als sieben Millionen Euro Anfangsinvestition seien im Verlauf des Jahres noch einmal mehrere 100 000 Euro in den Park investiert worden, aufgeteilt auf kleinere Projekte wie die Verwandlung des Waldes in eine Parkanlage. Vor Kurzem sei auch der Bauantrag für den Umbau einer der ehemaligen Liegehallen gestellt worden. Die ursprünglich halboffene Halle, in der Patienten Liegekuren an der frischen Luft nahmen, soll künftig Tagungsräume und zusätzliche Toiletten beheimaten. Außerdem wolle man im nächsten Jahr einen größeren Busparkplatz inklusive Toilettenhäuschen hinter dem Küchengebäude fertigstellen.

Wann mit der Sanierung der anderen historischen Gebäude begonnen wird, ist noch unklar. Momentan laufen Hoffmann zufolge Gespräche mit der Landesregierung, um herauszufinden, von welchen Fördertöpfen der Heilstättenpark profitieren könnte. Im kommenden Jahr sollen erst einmal die Abstimmungen mit der Denkmalschutzbehörde beginnen. Wie berichtet soll etwa ins ehemalige Küchengebäude eine Gaststätte eingerichtet werden. „In den kommenden zwei Jahren wird sich auf dem Areal einiges tun“, so Georg Hoffmann. Geplant sei, durch Baustellenführungen die Veränderungen auch für Besucher sichtbar zu machen.

Besucher wurden von Blaskapelle "Halbe Lunge" abgeholt

Durch das Küchengebäude, das frühere Laboratorium mit seinem Hörsaal und die Ruine der einstigen Frauenklinik, auf deren Dach ein Wald wächst, gibt es an Wochenenden um 11.30 Uhr und 13.30 Uhr Führungen. Für Rundgänge im Dunkeln sind sie Gästeführer Andreas Böttger zufolge jedoch zu unsicher. Im Laufe des vergangenen Jahres sind die Rundgänge laut Böttger an die Wünsche der Besucher angepasst worden. So wurden sie von zwei auf gut eine Stunde verkürzt und neben der Geschichte des Ortes, der an Tuberkulose erkrankten Bewohnern Berliner Arbeiter-Ghettos zu Zeiten der Industrialisierung hauptsächlich frische Luft bieten sollte, wird der Rundgang durch viele Anekdoten ergänzt. „Wir haben bei unseren Recherchen etwa herausgefunden, dass Besucher früher vom Bahnhof von einer Blaskapelle abgeholt wurden, die sich selbst ,Halbe Lunge’ nannte“, so Böttger. Die Kapelle hat die Menschen dann zur Frauenklinik gebracht, die damals auch als Alpenhaus bezeichnet wurde, da sie kurz vor einer beim Bau der Heilstätten aufgeschütteten künstlichen Hügellandschaft liegt. In den „Alpen“ habe es dann als Attraktion für die Patienten auch Raubtierkäfige gegeben – in denen Katzen eingesperrt waren. „Die Menschen mussten ja teilweise ein halbes Jahr zur Behandlung in den Heilstätten bleiben, da brauchte es immer wieder wechselnde Unterhaltung.“

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