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Gefährliches Pflaster. Auf der Autobahn 9 entsteht zwischen Beelitz und Beelitz-Heilstätten bis September 2018 eine neue Wildbrücke. Sie soll besonders kleineren Tieren wie Igeln oder Madern helfen, die sechsspurige Bahn zu überqueren. Zudem soll sie Unfälle mit großen Tieren wie Rehen verhindern.

© Andreas Klaer

Beelitz: Neue Brücke für Rehe und Wölfe

Bei Beelitz entsteht eine Wildbrücke über die A9. Das 50-Meter-Bauwerk soll 2018 fertig werden

Von Enrico Bellin

Beelitz - Auf einer Länge von 50 Metern ragen die Metallpfosten am Rand der Autobahn 9 zwischen Beelitz und Beelitz-Heilstätten mehrere Meter in die Höhe. Im August haben die Arbeiten für eine Wildbrücke über die sechsspurige Autobahn begonnen, inzwischen ist das Millionenprojekt nicht mehr zu übersehen. „Der Bund baut hier eine Brücke, die zum Wildkorridor Südbrandenburg gehört“, sagt der Beelitzer Stadtförster Martin Schmitt den PNN. An der Autobahn kommt es regelmäßig zu Unfällen mit Wild, Anfang des Jahres sind dort auch Wölfe überfahren worden – auch für sie wird die Autobahnüberquerung künftig einfacher.

Beim Wildkorridor handelt es sich um den Versuch, die intakten Landschaftsräume zwischen Polen, dem Fläming und Sachsen-Anhalt zu verbinden. Für den Austausch innerhalb der Wildpopulationen sei diese Brücke dringend nötig. Laut Schmitt gibt es für Rehe, Wildschweine oder Igel im flachen Brandenburg keine natürlichen Hilfen, um Autobahnen zu überwinden, da es keine Tunnel oder langen Talbrücken gibt.

Die Wildbrücke, auf der Sträucher und kleine Bäume wachsen sollen, wird vom Bund gebaut und soll nahezu baugleich zur Brücke bei Niemegk sein, die insgesamt 7,3 Millionen Euro gekostet hat. Die Bauzeit beträgt zwei Jahre, mit den Vorplanungen wurde bereits 2008 begonnen. „Eigentlich sollte die Brücke zusammen mit drei anderen aus Mitteln des Konjunkturpaketes II gebaut werden“, sagt der Stadtförster. Da die drei Projekte jedoch teurer wurden als geplant, war zunächst für die Beelitzer Überführung kein Geld mehr übrig.

Besonders wichtig ist der Überweg laut Schmitt für kleine Tiere: „Igel oder Marder haben keine Chance, die sechsspurige Autobahn zu überqueren.“ Größere Wildtiere könnten das schon eher schaffen, auch wenn viele von ihnen bei Unfällen – bei denen auch Menschen verletzt werden – ums Leben kommen.

Zu den großen Tieren gehört auch der Wolf, der sich vom Truppenübungsplatz Brück/Lehnin aus auf beiden Seiten der Autobahn ausgebreitet hat. Landwirt Jürgen Frenzel, der in Autobahnnähe Mutterkuhherden weiden lässt, hat nach eigenen Angaben allein in diesem Jahr durch den Wolf schon mindestens sechs Kälber verloren. Ein Wolfsrudel habe sich zwischen den Dörfern etwa fünf Kilometer von Beelitz entfernt angesiedelt. „Es ist eine Katastrophe, das kann auch durch die neue Wildbrücke nicht mehr schlimmer werden“, so der Landwirt.

Zwar bekommt er für ein gerissenes Kalb 600 Euro vom Landesumweltamt – er muss jedoch jedes Mal beweisen, dass das Kalb vom Wolf getötet wurde. Gerade kurz nach der Geburt ist es aber schwer, festzustellen, ob das Kalb überhaupt lebend zur Welt gekommen ist – wenn nicht, gibt es auch kein Geld. Außerdem würde Frenzel beim Verkauf nach knapp einem Jahr 900 Euro für ein Tier bekommen. Und wenn das Kalb tot ist, wird die Mutterkuh auf der Weide die Milch nicht mehr los – ihr Euter entzündet sich, es habe bereits Todesfälle gegeben. Dieser Schaden wird nicht ausgeglichen. Langfristig müsse er sich überlegen, von der Tierhaltung Abstand zu nehmen. „Wenn das so weitergeht, halten wir das nicht mehr durch“, sagt Frenzel.

Gefahr für die Beelitzer durch die Wölfe sieht Stadtförster Martin Schmitt nicht. „Die Tiere ziehen hier durch, im Stadtwald herrscht ihnen zu viel Bewegung.“ Meist seien es Jungtiere auf der Suche nach einem neuen Revier, die an Beelitz vorbeizögen und sich bevorzugt auf Truppenübungsplätzen niederlassen würden. Spuren vom Wolf rund um Beelitz würden ihm fast jede Woche gemeldet, auch ohne Wildbrücke.

Auch der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth (Bürgerbündnis) hat keine Angst davor, dass mit der neuen Wildbrücke mehr Wölfe nach Beelitz kommen könnten. „Darüber kann man sich Gedanken machen, wenn die Tiere im Stadtbild überhandnehmen“, so Knuth gegenüber den PNN. Im Gegenteil hätten Beelitzer ihm schon begeistert von Begegnungen mit dem Wolf im Stadtwald erzählt, das Tier habe nur 30 Meter vor ihnen gestanden, bevor es weggelaufen sei. Zwar würden sich Landwirte wie Jürgen Frenzel ärgern, jedoch würden sich die Wölfe hauptsächlich über den großen Wildbestand hermachen, was wiederum gut für den Forst sei. Grundsätzlich sehe er die neue Wildbrücke positiv. Auch Tino Erstling vom Landesjagdverband Brandenburg betont gegenüber den PNN, dass die Brücke für den genetischen Austausch der Tiere wichtig ist.

Ein Problem bei den bestehenden Brücken ist jedoch, dass sie nicht nur von Tieren genutzt werden: Videoüberwachungen haben bei der Niemegker Überführung neben Spaziergängern oder Reitern sogar Quad-Fahrer gezeigt, die die begrünte Brücke nutzen. Laut Landesjagdbericht gibt es im Durchschnitt fast täglich Störungen durch Menschen, wie Kameras an den Brücken belegen. „Nach dem Übergang eines Menschen herrscht auf den Brücken erst mal einen Tag Funkstille“, sagt Förster Martin Schmitt. „Wir planen, am Anfang eine öffentliche Begehung zu machen, damit die Menschen die Brücke ein Mal gesehen haben und sie dann in Ruhe lassen.“

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