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Baumkronenpfad in den Beelitzer Heilstätten: Aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst

Der Baumwipfelpfad in Beelitz-Heilstätten ist eröffnet. Tausende Besucher erkundeten bereits am Wochenende das Terrain über den Dächern der alten Lungenheilanstalt. Der Inhaber hat noch weitere Pläne.

Beelitz - Es gibt Orte, die geradezu danach schreien, wachgeküsst zu werden. Beelitz-Heilstätten ist ein solches „Dornröschen“, dem jetzt nach mehr als 20 Jahren Leerstand wieder Leben eingehaucht wurde – mit einem Baumkronenpfad. In einer Höhe von etwa 25 Metern schwingt sich der Pfad über den Waldboden, vorbei an Laub- und Nadelbäumen, rund um ein altes Klinikgebäude der einstigen Lungenheilanstalt. Nach der Eröffnung des Pfades am Freitag war der Besucherandrang am Wochenende groß, die Parkplätze zu beiden Seiten der Landstraße fast verstopft und auch vom nahen Bahnhof kamen Neugierige. Trotzdem musste keiner an den Kassen lange warten und auch beim Aufstieg zu den Plattformen gab es keine Staus.

Mit wippenden Schritten huschen zwei Mädchen die Treppe hinauf, abwechselnd werfen sie Blicke in die Landschaft und auf ihre Smartphones. „Das soll mal ein russisches Militärhospital gewesen sein“, hat die eine soeben entdeckt und ihre Freundin: „Du, der Erich Honecker soll hier auch gewesen sein.“ Staunend mustern sie die Ruinen, aus deren oberen Etagen Bäume wachsen. Von einem Mitarbeiter mit gelber Warnweste erfahren sie, dass es sich bei der Ruine gegenüber um das 1907 erbaute Alpenhaus der Frauenklinik handelt, das 1945 ausbrannte und seither leer steht. Die Fensteröffnungen nach Süden sind breiter angelegt, damit mehr Frischluft in die Zimmer der Patienten gelangte.

Morbider Charme der Beelitzer Heilstätten

„Guck ma, da drinne haben'se schöne Bilder gemalt“, weist eine ältere Dame ihren Mann auf die wandhohen Graffitis in der dritten Etage hin, darunter ein Gesicht mit blauem Matschauge. Gleich neben einem Fensterloch äugt ein Krakelmännchen in den Raum, was einige Besucher darüber sinnieren lässt, warum Sprayer sich so wagehalsig aus dem Fenster lehnen. Vom Wassertank auf dem Dach ist nur noch das Stahlskelett geblieben. Überall bröckelt der Putz, Fenster sind herausgebrochen, Staub und Steine häufen sich in den Räumen – die einstige Vorzeige-Heilanstalt ist zur Geisterstadt verkommen. Dieser morbide Charme hat in den letzten Jahren auch viele angezogen, darunter Fotografen, Sprayer und Filmleute, aber auch Diebe, die es vor allem auf Buntmetall abgesehen hatten.

Wer vom Wipfelpfad hinabschaut, kann noch Reste der Müllhalden entdecken, die hier in den letzten Monaten abgeräumt wurden, um das Gelände für Touristen vorzeigbar zu machen. „Die müssen das hier ja schnell aufgebaut haben“, staunt Jens Becker aus Berlin. Er war im April schon einmal da, „als die gerade anfingen, für die Stahlpfeiler abzuholzen“. Ein Drittel des geplanten Pfades, etwa 300 Meter, ist nun fertig, ebenso der 40 Meter hohe Aufgangsturm. Der zweite Abschnitt des Höhenpfades ist bereits genehmigt und Georg Hoffmann, Geschäftsführer der Heilstätten Projektentwicklungs GmbH, ist zuversichtlich, dass der Mix aus Natur, Geschichte und denkmalgeschützter Architektur jährlich rund 200 000 Besucher anlocken wird. In den nächsten Tagen muss noch der Lift vom TÜV abgenommen werden, ehe er in Betrieb gehen kann. Bis dahin müssen sich Besucher die dritte Dimension des Geländes stufenweise erschließen.

Schwanken auf dem Baumkronenpfad

Oben angekommen stellt ein Knirps stolz fest: „Ich bin jetzt so hoch wie ein Baum!“. Rund 40 Baumarten sollen auf dem Gelände wachsen, darunter Waldföhren, Buchen und verschiedene Eichen. Sogar einen Tulpenbaum soll es geben. Viele Besucher interessieren sich für die gebuchteten Blätter der Scharlacheiche, deren tiefrote Herbstfärbung schon an einzelnen Ästen sichtbar wird. Wildes Weinlaub, das an Mauerresten emporklettert, hat bereits rote Ränder und auch gelbe Blätter zeigen sich bereits und versprechen für den Herbst ein Farbenfeuerwerk.

Dass es ein bisschen schwankt auf dem 2,50 Meter breiten Pfad, begeistert vor allem die Kinder, dagegen halten sich einige Erwachsene lieber in der Mitte auf. „Ich lauf wie auf Eiern“, seufzt eine Frau, die langsam und in kleinen Schritten ihrem Gatten hinterher tippelt. Sogar auf den Bänken mutet es ein wenig an, als sei man auf einem Schiff. Doch das leise Vibrieren der Konstruktion garantiere deren Standfestigkeit, erläutert einer vom Info-Personal. Erst oben auf dem Turm hört das Schwanken auf. Dafür rauscht der Wind und zerzaust den Damen die Frisuren, sobald man über die Baumgrenze hinaufsteigt. Aber der Rundumblick auf einen grünen Baumteppich ist so grandios, dass alle nur noch gucken, staunen und fotografieren. Da ragt rechts der Beelitzer Wasserturm neben dem Schornstein des alten Heizkraftwerkes aus grünem Baumflor, weiter links lugen kleine Türmchen heraus, die zur Reha- Klinik gehören. In weiter Ferne ist der Wannseeturm zu sehen, aber weder Straßen noch Häuser, als ob der grüne Flor alles verschluckt hätte. Dass sich beim Pilzesuchen in Beelitz schon mancher verirrt hat, wird nachvollziehbar, angesichts des riesigen Waldgeländes. Gleitet der Blick abwärts, sehen die Bänke des Restaurants und die Zapfstelle der Braumanufaktur wie eine Puppenstube aus.

Beim Abstieg kitzelt bereits der Bratwurstduft in der Nase. Und wenn der Strahl des frisch Gezapften schräg auf die Seitenwand des Glases trifft und die Schaumkrone langsam emporwächst, rundet das den Höhenausflug ab und ist Entspannung pur.

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Kirsten Graulich

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