zum Hauptinhalt
Ein Gläschen Obstwein in einem der vielen Gärten rund um Werder (Havel) wie hier 2017 ist auch in diesem Jahr möglich.

© Foto (Archiv): Sebastian Gabsch

Baumblütenfest Werder (Havel): Kirschwein trotz erneuter Absage

Auch 2022 findet das traditionelle Baumblütenfest in Werder (Havel) nicht statt. Einzelne Obsthöfe öffnen aber dennoch für Besucher.

Werder (Havel) - Apfelwein, Quittenwein, Rhabarberwein, Pflaumenwein – und natürlich nicht zu vergessen: der Kirschwein. Das ist ungefähr die Hälfte der Obstweine, die Bettina Lindicke vom Obsthof Lindicke in Werder an der Havel aufzählt, wenn man sie fragt, was sie derzeit im Sortiment hat. Wer ab Ostersamstag raus nach Werder fährt – oder als Werderanerin oder Werderaner zu einem der vielen Obsthöfe in der Nachbarschaft –, kann sich durch die Weine kosten. „Für Autofahrer haben wir auch Säfte ohne Alkohol“, sagt Lindicke in der blühenden Kirschbaum-Plantage des Obsthofs Am Plessower Eck.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Potsdam und Brandenburg live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die sie hier für Apple und  Android-Geräte herunterladen können.]

In der Woche vor dem ersten Mai öffnen zahlreiche Werderaner Höfe und Gärten für Gäste. Einige rücken Tische und Stühle schon am Ostersamstag zurecht, um Besucherinnen und Besucher mit Essen und Getränken zu versorgen. „Es gibt Kaffee und Kuchen. Und andere Speisen wie Schmalzstulle mit sauren Gurken, um eine gute Grundlage zu schaffen“, sagt Lindicke. Es ist die Baumblütenzeit – für die Betriebe eine der wichtigsten Wochen im Jahr.

Die dritte Absage in Folge sorgt auch für Unverständnis

Zum dritten Mal in Folge fällt das weit über die Stadt- und sogar Landesgrenzen bekannte Baumblütenfest aus. Ende vergangenen Jahres hatte die von der Stadt eigens für die Festorganisation gegründete Veranstaltungsgesellschaft Werder (Havel) (VGW-Havel) mitgeteilt, dass es auch 2022 wieder kein Baumblütenfest geben wird. Begründung: Die fehlende Planungssicherheit in der Corona-Pandemie. Die Corona-Regeln seien im Innenstadtbereich nicht umsetzbar, hieß es.

Die Absage hatte viele irritiert. „Das ist nicht nachvollziebar“, sagt der Grünen-Fraktionschef des Ortsverbandes Werder, Markus Altmann. Die Gesellschaft sei extra mit Personal und Geld ausgestattet worden. 25.000 Euro flossen ins Stammkapital. „Das ist Arbeitsverweigerung“, sagt Altmann. Unsicherheiten gehörten dazu. Aus Sicht von Altmann werden Höfe, Gartenbetreiber, Gastronomen, all diejenigen, die sich am Baumblütenfest beteiligten, alleine gelassen. „Das ist eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung.“ Man hätte ja auch ein kleines Fest organisieren können.

2020 hatte unter Beteiligung der Bürger ein neues Konzept erarbeitet worden

Ein kleines, dezentralisiertes Fest, das war es auch, was sich die Werderaner laut Workshops und einer Umfrage der Stadt 2020 wünschten. Ein Riesenrad auf dem Hartplatz, ein Streetfood-Markt auf dem Mühlenberg, Werbung für Höfe und Gärten. Dennoch entschied sich die Stadt dazu, das Fest nicht durchzuführen.

„So ein Fest kann man nicht innerhalb von zwei Wochen auf die Beine stellen“, begründet Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) die Entscheidung. Das Fest hätte man Ende des letzten Jahres organisieren müssen. Zu der Zeit sei überhaupt nicht absehbar gewesen, wie sich das Pandemiegeschehen entwickeln werde.

2023 soll das Baumblütenfest stattfinden - "klein aber fein"

Manche verstehen diese Entscheidung nicht. Manche schon. „Das ist nachvollziehbar“, sagt Reinhard Schmidt, Vorsitzender des Werderschen Obst- und Gartenbauvereins. So ein Fest brauche eine gewisse Vorlaufzeit. Sonst stünde man da wie beim Weihnachtsmarkt in Potsdam, wo der Markt zwei Tage nach Beginn wieder geschlossen worden ist. Wie berichtet hatten Schausteller unter anderem in Speisen und Getränke, in Standmieten, Gebühren, Hygienekonzepte und Sicherheitsstrategien investiert und Personal eingestellt. Schmidt findet es besser, realistisch zu sein. Er ist zuversichtlich: „Das Baumblütenfest kommt 2023 wieder – klein aber fein“, sagt er. Nun sei es Aufgabe der Obstbauern, für ihre Gäste zu sorgen.

Wie viele Gäste um die traditionelle Baumblütenzeit vom 22. April bis zum 1. Mai auf die Höfe kommen werden, ist ungewiss. „Unsere Stammkunden sind eingeladen“, sagt Bettina Lindicke. Das möglichst viele Gäste in Höfe und Gärten kommen, wäre gut. Denn der Umsatz der Obstbauern leidet unter dem Festausfall.

Der Obstweinverkauf ist für die Höfe wirtschaftlich wichtig

Schulz’ens Siedlerhof macht mit dem Verkauf des Obstweins mehr als die Hälfte seines Umsatzes – das galt für die Zeit vor Corona. Einige Höfe haben die Produktion daher verringert.

„Es geht ja nicht nur um den Ertrag, den wir aus dem Verkauf während der Blütezeit erzielen. Das Baumblütenfest ist Werbung für die ganze Region“, sagt Obstbauer Michael Schultz. „Wir hatten Gäste aus Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern.“ Das Blütenfest sei eine 140 Jahre alte Tradition. „Wenn die Hälfte der Gäste von 2019 kommt, wären wir glücklich.“

Der Verkauf von Flaschen rechnet sich weniger 

Einige Höfe sind während der Corona-Pandemie auf Flaschenverkauf umgestiegen. Das selbe habe man damit aber nicht erwirtschaften können, sagt Schultz. Bettina Lindicke sagt: „Es geht ja auch um die Zusatzverkäufe wie Kaffee und Kuchen“.

Die Obstbäuerin freut sich auf die kommenden Tage, wenn die Reihen zwischen den blühenden Obstbäumen in der Plantage wieder mit Tischen, Stühlen und Picknickdecken gefüllt sind. Ein paar Tage bräuchten die Blüten noch. Sie sollten es aber pünktlich zur traditionellen Baumblütenzeit nächste Woche schaffen, ist sie zuversichtlich.

Zur Startseite