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Gefahren im Blick. Die beiden Video-Blogger Udo Sist und Gerald Behnke zeigen, wo es aus Sicht behinderter Menschen in den Kommunen noch hakt.

© Andreas Klaer

Barrierefreiheit in Potsdam-Mittelmark: Alles ganz normal

Zwei junge Potsdamer drehen Videoclips. Sie wollen über Behinderte aufklären und Barrierefreiheit testen. In Potsdam-Mittelmark sieht es dabei schon ganz gut aus.

Potsdam-Mittelmark - Sie springen mit dem Fallschirm und tauchen in der Tiefsee, feiern und haben Spaß: Behinderte Menschen sind voll normal. Das ist die Botschaft der selbst gedrehten Videos der beiden Wahl-Potsdamer Gerald Behnke und Udo Sist. Auf ihrem Videoblog „Normalo TV“ zeigen sie, wo es gut läuft mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung und wo es manchmal hakt.

Ist das Teltower Stadtfest für Rollstuhlfahrer geeignet?

Behnke und Sist erkunden die Region, bereisen die Republik. Zuletzt waren sie mit einem ZDF-Team in München unterwegs, in der nächsten Woche wollen sie das Teltower Stadtfest besuchen. „Wir werden dort unsere Videos an einem Stand präsentieren, aber auch einen Bericht über das Fest selbst drehen“, sagt Sist. Die beiden jungen Männer, 28 und 29 Jahre alt, wollen testen, ob das Fest auch für Rollstuhlfahrer zugänglich ist.

Schon vor zwei Jahren drehten Sist und Behnke einen Film über die Barrierefreiheit in der Region, im Mai sahen sie sich erneut auf dem Rathausmarkt in Kleinmachnow um. „Bis sich etwas an der Infrastruktur ändert, dauert es“, weiß Sist. Vor allem die Seitenstraßen werden schnell zu Stolperfallen für Menschen mit Behinderung, sagt er. Schotter und Sand erschweren die Fahrt mit dem Rollstuhl. Noch oft seien die Wege zu eng, sodass Sist mit seinem Rollstuhl auf die Straße ausweichen muss.

Kommunen in Potsdam-Mittelmark grundsätzlich barrierefrei

Trotzdem zeigt der Daumen in seinem Fazit der Tour durch die Region Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf nach oben. „Die Kommunen in der Region sind grundsätzlich barrierefrei“, sagt Sist. Die Hauptstraßen seien gut ausgebaut, und es gebe ausreichend Parkplätze für Behinderte, auch wenn sie manchmal blockiert würden. Gerade auf dem Rathausmarkt in Kleinmachnow sei nahezu jedes Geschäft für Rollstuhlfahrer zugänglich. Probleme gebe es nicht so sehr vor, sondern eher im Geschäft. „Man kommt fast überall bequem rein, aber wenn man drin ist, kann man sich kaum bewegen“, erklärt Sist. Die Regale stehen zu eng beieinander, die Produkte liegen zu weit oben. Kaufen kann er sie dann nicht.

Der 28-Jährige hat seit der Geburt eine spastische Tetraparese und kann nicht laufen. „Ich kann stehen und mich am Tisch festhalten, aber sobald ich loslasse, falle ich um“, erklärt er. Das Leben im Rollstuhl sei anders, aber ein Exot will der gebürtige Lausitzer trotzdem nicht sein. „Die Berichte über behinderte Menschen haben mich irgendwann total genervt“, sagt er. „Trotz Behinderung meistert er sein Leben – es war immer das gleiche Bild.“ Sist will es anders machen. Er will aufklären, zeigen, dass „Menschen mit Behinderung normal sind, auch wenn es manchmal schwierig ist“.

„Behinderung ist nicht so ein beliebtes Thema“

Vor sechs Jahren entstand die Idee, selbst Clips zu drehen, sagt Gerald Behnke. Während der Ausbildung zum Kaufmann für Gesundheitswesen haben die beiden sich kennengelernt, verließen zusammen das Internat und gründeten eine WG. In ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung am Johannes-Kepler-Platz am Stern in Potsdam schneiden und bearbeiten sie ihre Videos, im Internet laufen sie bei Youtube. 59 sind es zurzeit, von zwei bis 30 Minuten lang. Die Klickzahlen variieren. „Manchmal erreichen wir 200, manchmal über 1000 Menschen“, so Sist. „Behinderung ist nicht so ein beliebtes Thema.“ Es sei schwierig, die Leute heranzuführen – aber möglich, ergänzt Behnke. Auch der 29-Jährige hat eine Behinderung, die jedoch weniger auffällig ist. Vor vier Jahren wurde seine Hüftfehlstellung operiert. Seitdem hat er zwei künstliche Hüften, noch immer zwei ungleich lange Beine, ein erhöhter Schuh korrigiert die Differenz. Sie wollen gesehen, aber nicht ständig angestarrt werden, sagen beide. „Als ich einmal mit einem Handbike unterwegs war, hat mir ein Mann so lange hinterher geschaut, bis er gegen einen Pfosten gelaufen ist“, erinnert sich Sist. Auch dass Menschen aus Rücksicht einen großen Bogen um ihn machen, will er nicht. „Ich habe meinen Rollstuhl im Griff und kann ihn steuern.“

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Anfänglich ein Hobby, sind die Clips inzwischen für beide zur Hauptbeschäftigung geworden. Seit August gibt es nicht mehr nur den Video-Blog. Mit Freunden, die sie von Beginn an unterstützt haben, gründeten Sist und Behnke einen Verein. Sie hoffen, so Gelder akquirieren, ihre Ausstattung und vor allem ihre räumliche Situation verbessern zu können. Sie wollen raus aus der Wohnung, in ein eigenes Büro – barrierefrei, versteht sich. Selbstverständlich sei das aber noch nicht.

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