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Ein 72-jähriger IT-Unternehmer will Brandenburg grüner machen. Er und seine Helfer fahren regelmäßig nach Treuenbrietzen und versenken Setzlinge.

© privat

Bäume gegen Klimawandel: Herr Schierholz pflanzt einen Wald

Aufforstung nach dem Waldbrand: Ernst Schierholz möchte etwas gegen die Klimakrise tun und pflanzt in Treuenbrietzen Bäume – mindestens 10.000.

Von Laura Hofmann

Treuenbrietzen - Es gibt dieses Sprichwort, das besagt, dass jeder Mann in seinem Leben einen Baum pflanzen soll. Ernst Schierholz will 10.000 Bäume pflanzen. Mindestens. Die Geschichte beginnt mit einem der verheerendsten Waldbrände in der Geschichte Brandenburgs. Am 23. August 2018 entzündet sich das Feuer im Wald bei Treuenbrietzen, der Ort Klausdorf mit seinen 72 Einwohnern entgeht den Flammen nur knapp, auch Tiefenbrunnen und Frohnsdorf werden evakuiert. Wie der Brand ausgelöst wurde, ist bis heute unklar, einiges spricht für Brandstiftung. Was unbestritten ist: dass sich das Feuer wegen der extremen Trockenheit so gut ausbreiten konnte. Und dass die Kiefern, die in Monokultur im Wald wachsen, besonders gut brennen, weil sie viel Harz und ätherische Öle produzieren, die schon bei einem Funken freigesetzt werden und dann regelrecht explodieren.

Die Bilanz nach mehreren Tagen Feuer: Mehr als 300 Hektar Wald in Treuenbrietzen sind abgebrannt, darunter rund 160 Hektar, die der Waldgenossenschaft Bardenitz, einem Zusammenschluss privater Waldbesitzer, gehören.

Was machen, nicht nur reden

Die Geschichte könnte aber auch in den 50er Jahren in einem kleinen Ort bei Stuttgart beginnen. „Der Wald ist für mich ein Thema seit meiner Kindheit“, erzählt Ernst Schierholz im November 2019 in einem Café in Berlin Mitte. Er wuchs als sogenanntes „Schlüsselkind“ auf, die Eltern waren noch arbeiten, wenn er von der Schule nach Hause kam. „Mein Lieblings-Zufluchtsort war der Wald“, sagt Schierholz. „Da war immer eine innige Beziehung da. Zu den Bäumen, dem Frieden, den man im Wald findet. Das schlummerte die ganze Zeit.“ Schierholz ist heute 72 Jahre alt, Geschäftsführer eines IT-Unternehmens und lebt in Frohnau. Ein freundlicher Herr, der seine Worte mit Bedacht wählt. Begeisterungsfähig ist er – und fähig, andere zu begeistern.

Schierholz war bei der Großdemo im Hambacher Forst dabei, im Januar trat er den Grünen bei, Ortsverband Berlin-Mitte. Er besuchte Podiumsdiskussionen, nahm an Workshops und Sitzungen teil. „Die Grünen bemühen sich redlich“, sagt er. „Aber irgendwann hat mich das nicht mehr befriedigt.“ Er wollte etwas machen, nicht mehr nur reden. Und so kam Schierholz wieder zum Wald.

Bäume pflanzen in Berlin ist nicht einfach

Besser gesagt: zu dem, was nach dem Waldbrand in Treuenbrietzen davon übrig war. Nämlich erst mal nichts, die privaten Eigentümer hatten sich für einen Kahlschlag entschieden. Innerhalb von drei Jahren sind sie per Gesetz zur Aufforstung verpflichtet. Doch die Fördermittel vom Staat reichen nicht aus, um ihre Verluste auszugleichen.

Ursprünglich wollte Schierholz in Berlin Bäume pflanzen. Auch den Straßenbäumen geht es schlecht. Sie leiden unter Trockenheit, Schadstoffen in der Luft, Hunde-Urin und Falschparkern. Doch als er sah, wie sich seine Mitstreiter bei den Grünen mit den Berliner Behörden abmühten, um einen einzigen Baum zu pflanzen, winkte er schnell ab. „Sie kriegen in Berlin ja nichts bewegt“, sagt Schierholz. „Die Bezirksämter stehen sich gegenseitig im Weg. Und wenn Sie irgendwas Übergreifendes für ganz Berlin tun wollen, können Sie das vergessen, da passiert nichts.“ Also Brandenburg.

Spenden helfen bei der Aufforstung

Nicht mehr nur auf Brasilien schimpfen, wo Präsident Bolsonaro den Regenwald abbrennen lässt, nicht auf Indonesien. Sondern darauf schauen, was man selber tun kann. Also pflanzt Schierholz jetzt einen Wald. Er tut das nicht alleine, er hat das Netzwerk der Grünen, über das er Spenden sammelt. „Die netteste Aussage war: Ich hasse die Grünen, aber ich spende trotzdem. Das fand ich einen schönen Spruch“, sagt er. Er hat Helferinnen und Helfer aus Berlin und vor Ort, die mit ihm in den vergangenen Wochen einen Zaun errichteten – sonst fressen die Rehe die Setzlinge auf – und die ersten Hektar bepflanzt haben.

Womit? Damit hat sich Schierholz im vergangenen halben Jahr intensiv beschäftigt. „Am schlimmsten waren die ersten zwei, drei Monate, als ich in dem Gebiet noch sehr fremd war“, sagt er. „Irgendwelche Ämter, die dem Landwirtschaftsministerium unterstehen, haben mir erklärten, dass man Bäume tunlichst in Reih und Glied wie die Soldaten pflanzen muss, so hat man das die letzten 500 Jahre gemacht.“ Ihm wird klar: Es sind genau diese überkommenen Strukturen, die zu der Katastrophe in Treuenbrietzen geführt haben. „Kiefernplantagen anstelle eines einigermaßen natürlichen Mischwaldes.“

Natürlicher Brandriegel

Das ändert sich jetzt. Schierholz und seine Mitstreiter pflanzen Traubeneichen, Spitzahorn, Roteichen, Schwarzkiefern, Rotbuchen, Esskastanien. Eine Randbepflanzung mit niedrigen Sträuchern und Laubbäumen soll einen Beitrag zur Artenvielfalt leistet, weil Insekten vor allem dort leben. Sie bildet außerdem einen natürlichen Brandriegel, weil die Sträucher und Laubbäume mehr Wasser in sich tragen als Nadelbäume.

Tatsächlich ist Bäume zu pflanzen eine effiziente Maßnahme zur Klimarettung. Denn sie nehmen CO2 aus der Luft auf und bauen den Kohlenstoff in ihre Biomasse ein. Erst im Juli dieses Jahres veröffentlichten Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz, Frankreich und Italien im Wissenschaftsjournal „Science“ eine Studie, in der sie vorrechneten, dass auf dem gesamten Globus 900 Millionen Hektar für Aufforstungsprojekte genutzt werden könnten, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das entspräche 25-mal der Größe Deutschlands.

Kiefern bringen das Geld

„Wir sind begeistert, dass Leute aus Berlin uns dabei unterstützen, den Wald wieder aufzuforsten“, sagt Wolfgang Seehaus. Der 64-Jährige ist der Vorsitzende der Waldgenossenschaft Bardenitz, die fast ihren gesamten Wald verloren hat. Der Brand im August 2018 hat sein ganzes Leben verändert. Statt seinen Ruhestand zu genießen, ist er seitdem von morgens bis abends für die Genossenschaft unterwegs, telefoniert, abends beantwortet er E-Mails. Er holt die „Grünen aus der Stadt“ vom Bahnhof ab, hilft beim Zaunbau und beim Pflanzen.

Seehaus sagt: „Der Klimawandel ist schon da, wir müssen sehen, was wir dem entgegensetzen.“ Er sagt aber auch: „Es wird jetzt immer proklamiert, dass Kiefern schädlich sind. Aber mit den Kiefern verdienen wir noch Geld.“ Ein Punkt, den auch Martin Guericke betont. Er ist Professor und leitet den Studiengang Forstwirtschaft an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. „Wir brauchen auch Holz in Deutschland“, sagt er. „Denn sonst holen wir es aus Russland, Rumänien oder Brasilien, wo es nicht nachhaltig und nicht nach unseren Standards erwirtschaftet wird.“ Guericke baut deshalb auf einen gesellschaftlichen Kompromiss zwischen nachhaltigem Waldumbau und Wirtschaftlichkeit. Die staatlichen Fördermaßnahmen seien richtig und gut, aber die Politik reagiere erst dann, wenn größere Schäden aufträten. Und die Gefahr ist längst nicht gebannt. „Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn der nächste Sommer wieder so trocken wird.“

Für die Pflanzaktion am 14. Dezember werden noch Helfer gesucht. Informationen und Spendenmöglichkeiten unter: www.gruene-mitte.de/mitmachen/baeume-jetzt

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