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Knusprige Kruste. Produktionsleiter Karsten Freudenreich hat das Brot „wie von damals“ aus Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer kreiert. Auf der Grünen Woche wird es präsentiert und kommt zeitgleich in die 37 Geschäfte der Bäckerei, die 220 Mitarbeiter beschäftigt.

© Andreas Klaer

Bäckerei feiert 90. Jubiläum: Der Größte unter den Kleinen

Die Beelitzer Bäckerei Exner wird in diesem Jahr 90. Zum Jubiläum gibt es ein neues Brot und Käsetörtchen nach Oma Hedwig. Auch neue Filialen sollen eröffnen.

Von Enrico Bellin

Beelitz - Der krosse, runde Brotlaib dampft, als Tobias Exner ihn am Freitagmittag in der Bäckerei im Beelitzer Gewerbegebiet in der Mitte aufschneidet. Der Bäckereichef ist stolz auf die Kreation seiner Produktionsleiter, die es geschafft haben, aus einem einen Tag lang gereiften Dinkelteig, Roggen-Sauerteig und geröstetem Gersten- und Hafermehl ein kräftiges Brot zu backen, dass es so schon vor 90 Jahren hätte geben können – als der Grundstein seiner Backstube gelegt wurde. Und das genau deshalb auch „wie von damals“ heißt. „Vor 90 Jahren haben die Menschen noch kaum Weizenmehl gegessen. Roggen, Dinkel und Gerste waren aber üblich“, so der Bäckereichef.

Zum Start der Grünen Woche am kommenden Freitag soll das Brot gemeinsam mit einem ähnlichen neuen Brötchen und einem Käsekuchen nach traditionellem Rezept in seine 37 Geschäfte kommen und am Stand auf der Grünen Woche in der Brandenburghalle vorgestellt werden. Neben dem Brot sollen auch die Käsetörtchen an die Entstehung der Bäckerei erinnern, sie sind nach „Oma Hedwig“ benannt: Hedwig Gruhles Mann hat die Bäckerei im Jahr 1928 in der Beelitzer Karl-Marx-Straße gegründet. Nachdem ihr Mann in russischer Kriegsgefangenschaft verblieben und Ende der 40er-Jahre für tot erklärt worden war, suchte Gruhle Pächter für die Bäckerei. Nach einigen Wechseln kam 1976 Ingo Exner aus Thüringen nach Beelitz und übernahm die Backstube. Das Verhältnis zur Gründerin war eng, sagt sein Sohn Tobias. „Sie war wie meine Oma.“ 1997 verstarb Hedwig Gruhle.

Damals arbeitete Tobias, der schon als Kind im Dreirad durch die Backstube gefahren ist, bereits zwei Jahre im Betrieb, nachdem er in Niedersachsen das Handwerk gelernt hatte. Sein Vater hatte eine Mehlallergie entwickelt. Der heute 42-Jährige übernahm zunächst die Produktionsleitung, der Vater kümmerte sich um die Betriebsführung. Schon 1991 hatte Ingo Exner einen zweiten Standort in der Berliner Straße übernommen und im gleichen Jahr ein Auto für den mobilen Verkauf angeschafft. In den Folgejahren wurden immer mehr Verkaufsstellen geöffnet, oft vor Supermarktkassen.

Als Tobias Exner 2008 den Betrieb dem Vater abkaufte, war die Firma auf 16 Standorte gewachsen – zehn davon gibt es inzwischen aber nicht mehr. Vor allem die Standorte in den Supermärkten würden heute nicht mehr zum Unternehmen passen. Zwar bezeichnet Exner sich auf Nachfrage als „größtes von den kleinen“ Unternehmen mit seinen 37 Standorten. Von der industriellen Produktion sei man aber weit entfernt. „Bei uns gibt es in Broten und Brötchen keine Zusätze, wie etwa Konservierungsstoffe, die oft für die industrielle Herstellung benötigt werden“, sagt Tobias Exner. Zwar werden alle Backwaren zentral im Beelitzer Gewerbegebiet produziert, 65 der 220 Mitarbeiter sind dort tätig. Die verschiedenen Brötchenarten werden dort aber nur als sogenannte Teiglinge hergestellt und am nächsten Tag in den einzelnen Läden im Steinofen gebacken. Industriebetriebe hingegen würden Brötchen oft vorbacken und in den Filialen nur noch einmal kurz in den Ofen schieben.

Sechs Schöpfungen von Exner sind bereits im Brotregister des Deutschen Bäckerhandwerks registriert, unter anderem die Beelitzer Landkruste und das Dinkel Gold. Das Institut für Qualitätssicherung von Backwaren gibt Exners Produkten regelmäßig die Note „Sehr Gut“, zuletzt etwa den Rokkaz-Dinkel-Stangen.

Mit diesen Stangen aus verknotetem Dinkelteig in drei verschiedenen Variationen unterstützt Exner die Tänzer des Potsdamer Vereins Rokkaz, in dem auch der älteste seiner drei Söhne Mitglied ist. Vom Erlös des 1,70 Euro teuren Gebäcks gehen 10 Cent an den Verein. „Allein im vergangenen Jahr konnten wir so 15 000 Euro spenden“, sagt Tobias Exner. 2018 soll die 20 000er-Marke geknackt werden, da es eine neue Variation mit Pizza-Geschmack gibt.

Potsdam ist mit derzeit zehn Standorten wichtigstes Gebiet für Exner, und er sieht noch Potenzial für mehr. „Zehn Standorte kann Potsdam noch vertragen.“ So werde im zweiten Quartal dieses Jahres etwa eine Filiale in Fahrland eröffnen, Exner arbeitet unter anderem dort mit dem Immobilienentwickler Semmelhaack zusammen, der die Filiale errichtet. Doch nicht alle Filialen der Landeshauptstadt liefen gut, wie ein Standort am Schlaatz zeige. Die handwerklich hergestellten Produkte haben entsprechende Preise, das zur Grünen Woche neue runde 500-Gramm-Brot etwa soll 3,90 Euro kosten. Dazu müsse auch das Wohnumfeld passen. Zudem würden auch die Bäckerei-Cafés, in denen neben Kuchen verschiedenste Café-Variationen angeboten werden, die im Ambiente aus Holz und Ledersitzen verzehrt werden können, eher auf Lifestyle setzen.

Die Beelitzer selbst bekommen davon allerdings wenig mit. Mitte der 90er wurden die Filialen in der Innenstadt geschlossen, wegen Straßenbauarbeiten und neuen Supermärkten sei die Kundschaft weggeblieben. So gibt es im Heimatort nur einen Exner-Standort vor den Kassen des Rewe-Marktes, im Ortsteil Fichtenwalde ist die Bäckerei im Netto-Markt vertreten. In den Heilstätten soll künftig aber ein Bäckerei-Café entstehen, wie berichtet soll ein neues Versorgungszentrum in Bahnhofsnähe entstehen. Das passe auch zu Exners Wachstums-Philosophie: Alle Geschäfte sollen auch künftig maximal 50 Kilometer von Beelitz entfernt sein.

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