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Autobahn-Baustelle an A10 bei Michendorf: Polizei: Für Chaos auf der A10 nicht zuständig

Auf Brandenburgs größter Straßenbaustelle wird gerast und gedrängelt, was das Zeug hält. Intern erklärt die Polizei, keine Leute für Kontrollen zu haben. Auf PNN-Anfrage heißt es, man sei gar nicht zuständig.

Michendorf - Heftige Tempoüberschreitungen; Bauarbeiter, die aus dem Auto heraus mit Glasflaschen beworfen werden; Lkw-Fahrer, die sich weder um das Überholverbot noch um Mindestabstände kümmern; Autofahrer, die von den verkürzten Auffahrten kaum Chancen haben, auf die Autobahn zu kommen: Es ist eine ungute Stimmung unter Kraftfahrern auf der A10-Baustelle in Michendorf, mancher spricht von Anarchie. Rücksichtnahme? Fehlanzeige. Polizei? Weit und breit nicht zu sehen.

Unlängst am Dreieck Nuthetal hat sich ein Lkw-Fahrer fast mit einem Autofahrer geprügelt, als der über eine durchgezogene Linie in eine Staulücke gefahren war. Und immer wieder gibt es schwere Unfälle an Stauenden oder wie zuletzt, weil in der Mittelspur plötzlich ein Auto steht.

In Tempo-60-Bereichen wird durchweg 90 gefahren

Wer auf der Großbaustelle gegen Verkehrsregeln verstößt, andere Verkehrsteilnehmer oder womöglich Bauarbeiter gefährdet, muss allerdings keine Strafen fürchten, wunderten sich Teilnehmer einer Veranstaltung der Bundesautobahngesellschaft Deges, auf der am Dienstagabend in Ferch über das Baugeschehen informiert wurde. Von „Chaos“ war dort die Rede. In den Tempo-60-Bereichen werde durchweg 90 gefahren, sagte eine Fercherin, die die Strecke täglich nutzt. „Die Leute haben mitbekommen, dass es keine Polizei gibt.“ Sie würde sich ja auch darüber freuen, wenn sie nicht so lange an der Baustellenauffahrt warten müsste.

Wo also ist die Polizei? Bauleute, die ständig vor Ort sind, sehen zwar gelegentlich einen Streifenwagen der Autobahnpolizei vorbeifahren. Stationäre Kontrollen zu Tempolimits, Überholverboten und Mindestabständen gab es auf Brandenburgs größter Straßenbaustelle mit täglich fast 100.000 Fahrzeugen aber offenbar noch nicht, trotz der abenteuerlichen Zustände, von denen auch das Nebennetz betroffen ist.

Immerhin redet man inzwischen darüber: Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) berichtete von einer Runde am Dienstagnachmittag, an der auch Bürgermeisterkollegen aus den betroffenen Nachbargemeinden, die Polizei, das Innenministerium, die Bundesautobahngesellschaft Deges, der Landesbetrieb Straßenwesen und das Verkehrsamt beteiligt waren. Ausgangspunkt war ein Brandbrief der Bürgermeister, über den auch die PNN berichtet hatten.

Polizei würde gerne mehr helfen, aber aus personellen Gründen kann sie nicht

Polizeivertreter hätten am Dienstag gesagt, dass sie gern helfen würden – aus personellen Gründen aber nicht könnten, so Hoppe. „Wir haben dem Mitarbeiter des Innenministeriums mit auf den Weg gegeben, dass es so nicht weitergeht mit der Polizeipräsenz.“ Der habe gar nicht reagiert. Zugesagt worden sei in der Runde, dass die Polizei nach Möglichkeiten suchen wolle, zumindest in schwierigen Bauphasen auf den Nebenstrecken etwas präsenter zu sein. Bislang bissen die Bürgermeister mit solchen Bitten auf Granit.

Auf der Autobahnstelle darf derweil fröhlich weiter gerast werden, wenn der Verkehr nicht gerade lahmgelegt ist. Ist es richtig, dass es kein Personal für polizeiliche Kontroll- oder Überwachungsmaßnahmen gibt? Wie müsste sich die Personalstärke ändern, damit solche polizeilichen Maßnahmen möglich sind? Auf diese Fragen gab es gestern von der Polizeidirektion West, an die das Polizeipräsidium Potsdam eine Presseanfrage weiterleitete, keine Antworten.

Deges will nun regelmäßig informieren

Man sei gar nicht zuständig, teilte Polizeisprecherin Jana Birnbaum stattdessen mit. Für die Einrichtung von Baustellen und die daraus resultierenden Verkehrsmaßnahmen seien die bauausführende Firma und die Straßenverkehrsbehörde verantwortlich. Dass es bei veränderter Verkehrsführung mehr Auffahrunfälle gibt, könne man nicht ausschließen, so Birnbaum weiter. Bei Unfällen und daraus resultierenden Staus sei man selbstverständlich vor Ort. Und wie schätzt man das Unfallgeschehen ein? Aussagekräftige Zahlen dazu lägen noch nicht vor. Aus polizeilicher Sicht gebe es aber keine ungewöhnlichen Entwicklungen.

Immerhin sind die Gemeinden mit der Deges inzwischen etwas zusammengerückt, nachdem unverhoffte Spur-Einengungen das Nebennetz komplett lahmgelegt hatten. Regelmäßig will die Deges jetzt auf Bürgerversammlungen in der Region über das aktuelle Baugeschehen und zu erwartende Sperrungen im Nebennetz informieren, enger mit den Gemeinden und Behörden kooperieren, wie es am Dienstagabend hieß. Bürger können sich mit ihren Problemen direkt ans Baubüro wenden.

Polizeipräsenz? Bislang Fehlanzeige

Außerdem soll nun mittels elektronischer Hinweistafeln auf der A10 versucht werden, zu verhindern, dass insbesondere Lkw auf die Landstraßen ausweichen. In Beelitz-Heilstätten und zwischen Caputh und Ferch hatte das schon zum Kollaps geführt, die letzte Strecke ist für Laster gar nicht zugelassen. Polizeipräsenz? Bislang Fehlanzeige.

Das Baugeschehen wird Kraftfahrer derweil noch vier Jahre lang beschäftigen. Derzeit ist die Deges dabei, die südliche Fahrbahn provisorisch für einen sechsspurigen Baustellenverkehr herzurichten, damit ab Herbst die Nordfahrbahn verbreitert werden kann. Ist die im Frühjahr 2019 fertig, folgt die Verbreiterung der Südfahrbahn. Womöglich alles komplett ohne Polizeikontrollen – weil keine Leute dafür da sind.

Das Baubüro der Deges ist erreichbar unter Tel.: (033205) 265 108

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Auch wenn die Brandenburger Polizei wegen der Sparmaßnahmen aus dem letzten Loch pfeift, muss das verbliebene Personal genau dort, rund um die Baustelle, zum Einsatz kommen. Ein Kommentar >>

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