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Ulf Siebachs Farm liegt am Fuße des Sajangebirges.

© DMAX

Auswanderer aus Beelitz: Wenn Buchholz noch zu laut ist

Ulf Siebach hat sich in Sibirien eine zweite Heimat aufgebaut. Ein Fernsehteam hat den Auswanderer begleitet.

Von Enrico Bellin

Buchholz - Ulf Siebach schaut am Mittwoch sehnsüchtig aus dem Fenster des Blockhauses im Beelitzer Ortsteil Buchholz auf den Schneeregen. Eigentlich wäre er jetzt viel lieber auf seiner Farm knapp 6500 Kilometer östlich in Sibirien. „Dort liegt gerade einen Meter hoch Schnee“, sagt Siebach. Am Mittwoch schien in Cheremshanka, dem Städtchen mit tausend Einwohnern sieben Kilometer von seiner Farm entfernt, die Sonne bei elf Grad unter Null. Angenehm warmes Wetter, zu Weihnachten harrte Siebert noch bei minus 52 Grad im Farmhaus aus. „Da bist du nur am Holz ranholen und heizen“, sagt der 52-Jährige.

Seit 2014 gehört ihm das 4,5 Hektar große Grundstück am Fluss am Fuße des Sajangebirges. Dort verbringt er inzwischen den Großteil des Jahres gemeinsam mit seiner Frau Vita und der vierjährigen Tochter Pauline. Nur für etwa zwei Monate kommt er im Winter zurück nach Buchholz, um seinen Vater und die beiden erwachsenen Kinder zu sehen. Vita stammt aus der Ukraine. Gemeinsam sind sie viel durch den Osten Europas gereist. Eine Tour führte von Nowosibirsk aus gen Osten, in eine abgelegene Hütte.

Siebach verliebte sich in die Stille, die Abgeschiedenheit, die nahezu unendliche Weite. „Zurück in Buchholz habe ich dann recherchiert und bin auf ein deutsches Gästehaus gestoßen.“

Ulf Siebach lebt mit seiner Frau und der vierjährigen Tochter den Großteil des Jahres abgeschieden.
Ulf Siebach lebt mit seiner Frau und der vierjährigen Tochter den Großteil des Jahres abgeschieden.

© Enrico Bellin

Sieben Kilometer durch den Schnee

Dort untergekommen hat er gefragt, ob es in der Nähe irgendwo Land zu kaufen gibt, und erfahren, dass ein älterer Herr in den Ort gezogen ist und seine abgelegene Farm, zu der keine Straße führt, verkaufen will. „Da bin ich dann sieben Kilometer durch den Schnee gestapft. Es war eigentlich nur weis, zwei Blockhäuser schauten aus dem Schnee. Ich war sofort infiziert.“

Strom und fließend Wasser gab es nicht. Immerhin aber Handyempfang, da ein Sendemast auf einem nahen Berg steht. Für Siebach war es nicht einfach, seine Frau zu überzeugen, mitzugehen. Schließlich war sie einst aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, um hier auch einen gewissen Lebensstandard zu genießen. „Gewisse Annehmlichkeiten musste ich ihr versprechen“, so Siebert, der sich selbst Sibirienwolf nennt. Außentoiletten waren tabu. Inzwischen gibt es Strom von Solarzellen, gelegentlich läuft der Dieselgenerator. Im Sommer gibt es fließendes Wasser aus dem Hahn.

Im Winter fließt aber weiterhin nur der Fluss vor der Tür, die Rohre würden sonst kaputtfrieren.

Siebert ist Malermeister. Neben dem Haupthaus auf der Farm baute er mehrere Blockhäuser, er will Touristen ermöglichen, die Abgeschiedenheit zu erleben. Zum Jahreswechsel 2017/18 gab es die ersten Gäste. Seither entwickle sich der Betrieb. „Eigentlich wollte ich ja nach Sibirien, um meine Ruhe zu haben. Aber ganz ohne Geld geht nun mal auch da nicht“, gibt der stets offene und sympathische Auswanderer unumwunden zu. Eine Übernachtung kostet 50 Euro pro Person, für Paare 75 Euro. „Ich empfehle den Gästen immer die Anreise mit der Transsibirischen Eisenbahn: Von Moskau aus sind es vier Tage Zugfahrt bis in die Stadt Abakan, 180 Kilometer westlich der Farm. Siebach holt die Gäste vom Bahnhof ab. „So hat man mehr Zeit, sich an die sechs Stunden Zeitverschiebung zu gewöhnen, und lernt im Zug schon Land und Leute kennen“.

Zur Farm kommt man nur mit dem Geländewagen oder einem Schneemobil.
Zur Farm kommt man nur mit dem Geländewagen oder einem Schneemobil.

© DMAX

Ein Test für jede Beziehung

Nach Abakan fährt er mit seiner Familie auch gelegentlich für ein Wochenende, wenn sie der Einsamkeit entfliehen und einfach mal wieder gut beim Italiener essen wollen. Denn die Wintermonate können schon fordernd sein, wenn man meist zu dritt in einem Raum ist. Zwar werde in der dunklen Jahreszeit schon mal zwölf Stunden geschlafen. Sonst besteht der Tag aber aus Holz und Wasser holen und essen. „Das ist schon ein Test für jede Beziehung, wir haben ihn bestanden.“ Im sieben Kilometer entfernten Städtchen, das auch Supermarkt, Ärzte, Kitas und Schulen bietet, gibt es im Winter immerhin gelegentlich Kulturprogramm. „Es gibt Tanzgruppen und Musik, die Einwohner haben im Winter schließlich alle Zeit“, so der Auswanderer.

Siebachs Gästeunterkünften standen die Bewohner von Cheremshanka anfangs noch etwas skeptisch gegenüber. „Inzwischen haben sie aber gelernt, dass es auch ihnen nutzt. Manche bieten Touren mit dem Boot, andere mit der Pferdekutsche“, sagt Siebach.

Holzhütten für das Kamerateam

In diesem Jahr rechnet er mit mehr Gästen: Im Sommer war ein Team des Fernsehsenders DMAX vor Ort, am Freitag wurde die erste von sechs Folgen über den Auswanderer ausgestrahlt. „Seither sind schon einige zusätzliche Buchungen eingegangen.“ Der 52-Jährige hatte für das Drehteam innerhalb weniger Wochen zusätzliche Holzhütten gebaut, die nun als Gästehäuser dienen. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, der für ihn dolmetscht und den er im Gegenzug handwerklich ausbildet, will er die Unterkünfte noch vervollständigen, auch selbst Möbel bauen. Das Material hat er sich schon im Herbst liefern lassen. „Jetzt wäre eine Anlieferung nicht möglich. Noch liegt Schnee, im Frühjahr kommt dann der Matsch. Das lernt man im Laufe der Jahre“, so der Sibirienwolf.

Die Raubtiere sieht er übrigens eher selten, in Buchholz seien sie bald näher als in Sibirien. Schließlich haben die Rudel dort riesige Flächen. Allerdings: Wilde Tiere haben ihm im vergangenen Jahr alle vier Schafe gerissen. Ob es Wölfe, Bären oder wilde Hunde waren, ist aber unklar. In diesem Jahr will Siebach nun ein sicheres Gehege bauen. In zwei Wochen fliegt Siebach mit der Familie wieder nach Russland. Es wird Zeit. Zwar steht sein Blockhaus in Buchholz am Rande des Kiefernwaldes. Aber die ferne Bundesstraße 2, der stündlich fahrende Regionalzug und auch die Flugzeuge am Himmel sind doch zu hören. „Man merkt erst in Sibirien so richtig, was Stille ist.“

>>„Ausgerechnet Sibirien“, noch bis 26. März freitags, 21.15 Uhr auf DMAX

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