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Potsdam-Mittelmark: Ausstellung als Therapie

Eberhard Trodler zeigt in seiner aktuellen Schau neben eigenen Bildern auch Werke seiner Familie

Stahnsdorf - Er ist ein weißer Rabe. Eberhard Trodlers Malerkollege Walter Lauche beschrieb ihn einmal als Künstlerkollegen ohne Neid, etwas ganz Seltenes eben. So ist es nicht verwunderlich, dass Trodler Besuchern seiner jüngsten Ausstellung im Kleinmachnower Rathaus zuerst die Arbeiten seiner kreativen Familienmitglieder präsentiert, ehe das Gespräch auf die eigenen Werke kommt. „Eberhard Trodler und Familie“, so der Ausstellungstitel, ist eher eine Spurensuche als eine Retrospektive auf das Werk des 75-Jährigen.

Ja, er hätte genügend eigene Arbeiten, um Foyer und sämtliche Flure des Rathauses bestücken zu können, winkt Trodler ab. Das wäre ihm aber zu einfach gewesen. Die Familie gibt ihm Halt, zumindest in der Erinnerung. Denn in den letzten Jahren sind fünf Mitglieder verstorben. Der Tod von Sohn Steffen war für den Maler eine Zäsur im künstlerischen Schaffen. Seit vier Jahren hat er weder Pinsel auf Leinwand noch Zeichenstift auf Papier setzen können. Der Block, der ihn früher stets begleitete, liegt noch immer unberührt auf dem Tisch. „Ich warte auf den Augenblick, der mich packt“, sagt er, und es schwingt die Hoffnung mit, dass das bald sein möge.

Ein Auftakt dazu soll die Ausstellung sein, die auch Auskunft über Trodlers künstlerische Wurzeln gibt. Die beginnen beim Vater, einem Malermeister, der in englischer Kriegsgefangenschaft auf kleinen Kärtchen seine Umgebung abbildete. Die Karten sind ebenso Teil der Ausstellung wie die Aquarelle von Schwester Waltraud, Schwester Heidis Telefon-Kritzeleien und die lachenden Sonnen von Zwillingsschwester Erika. „Die Sonnen malt sie mir in fast jedes Buch, das sie erwischen kann“, lacht Trodler.

Erika, die wegen Sauerstoffmangels während der Geburt geistig behindert zur Welt kam, ist eines seiner wichtigsten Motive. Meist heiter und in jeder Situation zu Schabernack aufgelegt, sieht sie auf den Bildern des Malers ernst und verschlossen aus. Der Betrachter kann darin den Schmerz und die Sorge des Malers um die Schwester erkennen. Herausfordernd ist dagegen der Blick seines verstorbenen Sohnes auf einem Selbstporträt.

Auch die bizarren Felsensteine der Sächsischen Schweiz hat Sohn Steffen in Erinnerung an Klettertouren gezeichnet. Bedrohlich sehen die Felsenkuppen darauf aus. Es war gefährlich, dort herumzuklettern, erinnert sich der Maler. Aus Neugier war Trodler von einer Kuppe zur nächsten gesprungen, bis er nicht zurück konnte. Nur mit Hilfe des Sohnes und weiterer Familienmitglieder gelang die Rettung. Dieses Erlebnis ist für Trodler eine Metapher für seine Familie, deren Zusammenhalt er schon früh spürte.

Als 14-jähriger Malerlehrling sah er einmal ein Bild in einer Wohnung hängen, das ihn so faszinierte, dass er die Besitzerin bat, es ihm auszuleihen, um eine Kopie davon zu fertigen. Auf dem Bild steht eine Pferdegruppe dicht gedrängt zusammen, um Wind und Regen abzuwehren. „Sturmgepeitscht“, so der Bildtitel – wohl auch so eine Metapher für Trodlers Familie. Die Kopie hing bis zum Tode der Eltern in deren Wohnzimmer. „Das ich mir das damals zugetraut habe“, staunt Trodler noch immer über die kühnen Pinselstriche von einst. Das Bild ist nicht in der Ausstellung zu sehen, denn „dann hätte ich von der Familie weniger zeigen können“, so der Maler.

Beim Rundgang durch die Ausstellung fallen Trodlers Landschaftsaquarelle mit den frischen Farben auf. Die Stimmung nach einem Gewitterguss ist dem Maler am liebsten, weil Luft und Atmosphäre dann die Farben intensiv leuchten lassen. Manche Motive lotet Trodler zu allen Jahreszeiten aus, wie etwa das von der Bäke. Und so wirkt der Schnee auf seinen Winterlandschaften richtig kalt. Meist malt Trodler vor Ort und erspürt so das Wesen einer Landschaft intensiver.

Manche Häuser auf seinen Bildern scheinen wie Wesen über den umgebenden Wiesen zu schweben, andere drücken sich in den Boden hinein. Mit dem Skizzenblock im Handgepäck hielt der Maler auf seinen Reisen Begegnungen mit Leuten fest. So entstanden in Rumänien die Porträts von Romas, Bauern und Kindern. Die Güte und stille Resignation auf seinen Bildern erreicht der Maler mit der müden Farbigkeit des Stofflichen. Dabei ist die Kleidung nur Attribut, um das Wesen der Porträtierten zu erfassen. Trodlers Bilder gewinnen mit ihrer Verknappung und Direktheit.

Für seine Malmotive entscheidet er sich immer spontan. So lernte er auch Albert M. kennen. Der alte Mann saß, die Hände auf den Gehstock gestützt, auf einem Stuhl vor seinem Haus, als der Maler im Trabbi über die Dorfstraße rumpelte. Trodler war bereits auf dem Heimweg und fuhr erst mal vorbei; bremste einige Meter später und kehrte um. Das Motiv hatte sich bereits in sein Gedächtnis eingebrannt, er musste Albert M. malen. Der war einverstanden, das Bild entstand innerhalb weniger Stunden mit knappen Pinselstrichen. Es hängt in der Ausstellung und strahlt die Gelassenheit und Würde eines alten Mannes aus.

Die Ausstellung „Eberhard Trodler und Familie“ ist noch bis zum 3. November im Rathaus Kleinmachnow, Adolf-Grimme- Ring 10, zu sehen. Sie ist montags sowie mittwochs bis freitags von 8 bis 18 Uhr, Dienstag von 8 bis 20 Uhr und jeden ersten Samstag im Monat von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei

Kirsten Graulich

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