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Kahlschlag. Besonders auf neu erschlossenen Grundstücken gehe die Gemeinde sehr großzügig mit ihren Fällgenehmigungen um, meinen die Mitglieder der Bürgerinitiative für Baumerhalt in Wildpark-West. Manchmal komme nicht einmal ein Sachverständiger vorbei, um den Zustand der Bäume vor Ort zu beurteilen.

© Sebastian Gabsch

Anwohner verärgert über Fällgenehmigungen: Schwielowsee: Baumschwund in der Waldsiedlung

Eine Bürgerinitiative in Wildpark-West wirft der Gemeinde vor, zu viele Fällgenehmigungen zu erteilen - und dabei weder die kommunalen, noch die bundesweit geltenden Regeln zu beachten.

Wildpark-West - Im Hirschweg ist es besonders offensichtlich: Auf der einen Straßenseite sind alle Grundstücke noch dicht von Bäumen umrahmt, auf der anderen lichtet sich das Grün deutlich. Die neueren Grundstücke seien die auf der baumärmeren Seite, erklärt Frank Witte, der Vorsitzende der Bürgerinitiative Baumerhalt Wildpark-West. „Seit einigen Jahren ist vielen Bürgern in der Siedlung unabhängig voneinander aufgefallen, dass vermehrt Bäume gefällt werden“, sagt Witte. Immer wieder hätten Bürger dies auf Gemeinderatssitzungen angesprochen und Briefe an die Gemeinde geschickt. Schließlich gründete sich Anfang März die Bürgerinitiative. Zum ersten Treffen der Initiative am 16. März erschienen wie berichtet mehr als 80 Teilnehmer, das ist rund jeder vierte Einwohner der Waldsiedlung.

Die Vorwürfe, die die Bürger gegen die Gemeinde erheben, sind massiv. „Die Verwaltung hat 2011 eine sehr gute Baumschutzsatzung verabschiedet, nur leider hält sie sie nicht ein“, sagt Frank Witte, der mit seiner Frau Kerstin vor vier Jahren von Berlin nach Wildpark-West zog. Mitglieder der Bürgerinitiative hätten nachgerechnet: Allein seit 2000 sei der Baumbestand in der Siedlung um 40 Prozent zurückgegangen, sagt Kerstin Witte. „Wenn das so weitergeht, steht hier bis 2030 kein einziger Baum mehr.“

Massive Abholzungen ohne triftigen Grund?

Insbesondere bei Grundstücken, die neu erschlossen werden, gebe es oft einen regelrechten Kahlschlag. Ein triftiger Grund für die Fällungen sei selten zu finden. Um dies bestätigen zu lassen, holte sich die Bürgerinitiative vor einigen Wochen Unterstützung vom Naturschutzbund (Nabu) Brandenburg. Der Nabu beantragte bei der Gemeinde Akteneinsicht in die Fällgenehmigungen, die seit dem 1. November 2017 erteilt wurden, insgesamt waren das 62 Vorgänge. Nur vier der Genehmigungen seien ordnungsgemäß erfolgt, stellten die Gutachter fest. In den meisten Fällen fanden sie Verstöße gegen die gemeindeeigene Baumschutzsatzung. Vielfach sei zusätzlich das Bundesnaturschutzgesetz missachtet worden, da keine artenschutzrechtliche Betrachtung erfolgt sei, bevor ein Baum gefällt wurde.

Der gebürtige Wildparker Ullrich Tietze macht dafür vor allem den derzeitigen Baumkontrolleur der Gemeinde verantwortlich. „Der versteht nichts von dem, was er tut, und entscheidet nach Gutdünken“, ist Tietze überzeugt. Als er, noch zu DDR-Zeiten, sein eigenes Grundstück in der Siedlung bebaute, war die Einwohnerzahl noch deutlich geringer. Inzwischen zieht es immer mehr Städter raus ins Grüne, Grundstücke werden geteilt, neue Bauflächen erschlossen. „Das finden wir Alteingesessenen auch überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil freuen wir uns, wenn Wildpark-West wächst“, sagt Tietze. Allerdings sei im Textbebauungsplan der Gemeinde von 2006 festgeschrieben, dass der „Waldcharakter der Siedlung mit dichtem Baumbestand zu erhalten“ sei.

„In den letzten Jahren ist bei vielen Fällungen der Baumkontrolleur der Gemeinde nicht mal vor Ort gewesen"

Die Baumschutzsatzung der Gemeinde sieht vor, dass vor jeder Fällung eine Beurteilung durch einen Experten nötig ist, bei der der Standort und Zustand des Baumes ebenso wie die in ihm lebenden Tiere protokolliert werden. „In den letzten Jahren ist bei vielen Fällungen der Baumkontrolleur der Gemeinde nicht mal vor Ort gewesen“, sagt Tietze. Stattdessen sprächen Fällfirmen selbstständig Empfehlungen aus, die von der Verwaltung ohne Nachprüfung abgesegnet würden. In den Anträgen seien dann nebulöse Gründe vermerkt, aus denen gleich mehrere Bäume auf einmal gefällt werden müssten. Sie seien von Pilzbefall betroffen oder wiesen mangelnde Vitalität auf. Im Nachhinein ließe sich das nicht mehr nachprüfen, so Tietze.

Kerstin Murin, Fachbereichsleiterin Bauen, Ordnung und Sicherheit der Gemeinde Schwielowsee, weist sowohl die Vorwürfe der Bürgerinitiative als auch die Ergebnisse, die die Akteneinsicht des Nabu Brandenburg ergeben haben soll, als falsch zurück. „Die Behauptung des Nabu Brandenburg ist unzutreffend. Baumfällanträge werden streng nach den Vorschriften der Baumschutzsatzung der Gemeinde Schwielowsee vom Juni 2011 bearbeitet“, so Murin auf PNN-Anfrage. Die Praxis der Gemeindeverwaltung stimme mit den Vorschriften der Satzung überein, was zuletzt Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark im Rahmen einer Ortsbesichtigung vor wenigen Wochen bestätigt hätten. Zu diesem Ortstermin seien auch Vertreter der Bürgerinitiative eingeladen gewesen. Leider habe jedoch kein Vertreter der Bürgerinitiative an diesem Termin teilgenommen, so Murin.

Dass kein Mitglied der Bürgerinitiative bei dem Termin dabei gewesen sei, habe terminliche Gründe gehabt, erklärt Sprecher Norbert Kunz. Alle Mitglieder der Bürgerinitiative seien voll berufstätig und hätten tagsüber keine Zeit gehabt. „Die paar Beispiele, die bei dem Termin zu Demonstrationszwecken gezeigt wurden, hätten aber sicher auch nichts am Gesamteindruck geändert, den die Bürger von Wildpark-West in den letzten Jahren gewonnen haben“, so Kunz.

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