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Küchenarbeit. Gabi Sußdorf beim Abmessen der Zutaten für die Seifenproduktion in ihrer Manufaktur in der „Alten Schule“ in Tremsdorf. Verwendet werden Fette und Öle sowie Kräuter und Blüten aus dem naheliegenden Naturpark. Bei der Herstellung kommt es auf chemisches Know-how und Genauigkeit an.

© Johanna Bergmann

"Alte Schule" in Tremsdorf: Träume sind Seifenschäume

Gabi Sußdorf stellt fantasievolle Seifen her – immer mit Bezug zur Region und ihren Menschen.

Nuthetal - Auf den ersten Blick sieht es aus, als wollte Gabi Sußdorf einen Kuchen backen. Vor ihr auf dem Tisch steht eine Küchenwaage, daneben Gläser und Fläschchen voll Öl und Milch. Das Tablett mit Kräutern und getrockneten Blütenblättern lässt jedoch erste Zweifel an der Kuchenthese aufkommen, und spätestens, wenn der Gast die Plastikschüssel voll dampfender Lauge entdeckt, wird ihm klar: Gabi Sußdorf ist sicher keine Kuchenbäckerin. Die gebürtige Thüringerin stellt in ihrer Küche in der „Alten Schule“ in Tremsdorf Seife her – oder besser gesagt: Kunstwerke aus Seife.

Auf der Herdplatte steht ein handelsüblicher Kochtopf, in dem gerade einige Blöcke Kokosfett, Sheabutter und Kakaobutter schmelzen. „Der Hauptbestandteil von Seife sind Fett und Öl“ sagt Sußdorf. Vermengt mit der Lauge entsteht in einer chemischen Reaktion die typisch seifige Konsistenz. Um die hinzubekommen, sollte man sich allerdings mit der Reaktionsweise der verschiedenen Stoffe etwas auskennen. Gabi Sußdorf hat einige Jahre als medizinisch-technische Laborassistentin gearbeitet und weiß somit, was sie in welchem Verhältnis mischen darf und wann es gefährlich werden kann. „Es ist gerade bei der Lauge sehr wichtig, dass sie beim Abkühlen keine Klümpchen bildet“, sagt sie. „Sonst kann das Seifenstück sogar eine ätzende Wirkung haben.“ In Workshops bringt sie angehenden Seifenherstellern diese und andere Feinheiten bei, auf die es zu achten gilt.

Die gehackten Kräuter, die sie dem heutigen Rezept beimengt, sorgen wider Erwarten nicht für den Duft der Seife und auch nicht für die Farbe. Im Gegenteil: Würde Sußdorf nur Kräuter und Blüten verwenden, entstünde ein geruchloses Waschstück in einem gräulichen Farbton. Das komplette Gegenteil all der bunten, hübsch verzierten und wohlduftenden Kreationen, die im Nachbarraum im Verkaufregal liegen also. Für den Duft braucht Gabi Sußdorf entweder – wenn es ganz natürlich bleiben soll – eine hohe Konzentration ätherischer Öle. Oder Parfümöle, wenn der Duft länger halten soll. „Der Duft ätherischer Öle ist nach ein paar Monaten verflogen“, erklärt die Seifenherstellerin. Für die Färbung rührt sie heute eine Mischung aus natürlichen Algen und künstlichen grünen Farbpigmenten an. Die bunte Masse aus Fett, Lauge, Kräutern, Blüten, Farbe und Duftölen gießt sie am Schluss in eine Käseform, deren Löcher sie mit Spachtelmasse verschlossen hat. Nachdem die Masse hart geworden ist, kann Sußdorf sie in kleine Stücke schneiden. Dann beginnt der Teil, für den die Seifenkünstlerin erst kürzlich den zweiten Platz im Bereich Direktvermarktung beim pro agro Marketingpreis erhalten hat.

Eine ganz besondere Auszeichnung insofern, als der erste Preis an einen Verein mit rund 70 Mitgliedern ging, der die „Brandenburger Bierstraße“ eröffnet hat. „Und auf dem zweiten Platz kommt dann mein Eine-Frau-Betrieb“, sagt Sußdorf, immer noch etwas ungläubig. Überzeugt hat die Jury nicht nur das Design von Gabi Sußdorfs Kreationen, sondern vor allem, dass die Seifenkünstlerin jeweils eine Geschichte mit ihnen verbindet. Da gibt es die Naturparkseife „Märkischer See“, die nicht nur mit ihrer blau-grün-beigen Farbkomposition an einen Uferspaziergang erinnert. In den Übergang zwischen dem blauen und dem beigefarbenen Teil der Seife hat Gabi Sußdorf echten märkischen Seesand eingearbeitet. Wer sich mit der Seife die Hände wäscht, spürt also den Sand direkt auf der Haut.

Oder die „Original Milchseife“, die in hell-dunkel-marmoriertem Muster daherkommt. Auf dem Etikett ist eine fröhlich über eine Weide springende Comic-Kuh zu sehen. Keine zufällige Kuh allerdings, sondern ein Exemplar der alten Rasse Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind, die inzwischen vom Aussterben bedroht ist. Auf dem Bio-Michvieh-Hof der Familie Rabe in Körzin jedoch gibt es die Rinder noch. In der Seife verarbeitet, sorgt ihre Milch für einen besonders cremigen Schaum.

Für Gabi Sußdorf liegt der Reiz ihres Schaffens auch in den lokalen Netzwerken, die sie dadurch spinnt. Wenn sie für den NaturPark, Familie Körzin oder Bauer Bernd aus dem Nachbardorf eine persönliche Seife kreiert, lernt sie die Menschen kennen und manchmal entstehen daraus sogar Freundschaften. Wenn im Frühjahr und Herbst die Tage der offenen Höfe anstehen, ist die Seifenmanufaktur immer wieder eine gut besuchte Station. Manchmal kreiert Gabi Sußdorf hingegen auch eine Seife nach ihrem ganz persönlichen Interesse. Ein Beispiel dafür ist die „Fontane-Seife“, die sie ihrem Lieblingsautor gewidmet hat. Um die Verpackung des runden Waschstücks winden sich auf einem Papierstreifen Zitate aus dem fünfbändigen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Eine poetische Liebeserklärung an die Region also – in Seifenform.

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