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Mann der ersten Stunde. Vor 25 Jahren gründete Klaus-Jürgen Warnick mit weiteren von Rückübertragungsansprüchen Betroffenen den Kleinmachnower Nutzerverein. Zurzeit sichtet er Archivmaterial für die Jubiläumsveranstaltung.

© Solveig Schuster

Potsdam-Mittelmark: Als Kleinmachnow um seine Häuser stritt

Nutzer- und Mieterverein stellt in den Kammerspielen die turbulente Zeit der Vereinsgründung nach

Kleinmachnow - Ein Vierteljahrhundert nach der Gründung kehrt der Kleinmachnower Nutzer- und Mieter-Verein an den Ursprung zurück. Zum 25-jährigen Jubiläum soll in den Kammerspielen am 17. April von den damaligen Protagonisten auf die Bühne gebracht werden, was sich zur Gründung abgespielt hat. Die Protagonisten von einst werden anwesend sein, auch Klaus-Jürgen Warnick.

Von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen getrieben, hatte sich der Kleinmachnower mit an die Spitze der Bewegung gestellt, die gegen Gefahren der Wiedervereinigung mobil machte. Zwei Drittel der Kleinmachnower waren von Rückübertragungsansprüchen betroffen und jeder zweite in Brandenburg. Damals ahnte Warnick noch nicht, dass der Grundsatz zur Regelung offener Vermögensfragen, „Rückgabe vor Entschädigung“, sein ganzes weiteres Leben bestimmen würde.

Der 62-Jährige erinnert sich gut an die Gründungsveranstaltung des Vereins, der in unzähligen Prozessen für die Interessen der Kleinmachnower Nutzer und Mieter stritt. Zunächst saß Warnick allein im Podium der vollbesetzten Kammerspiele. „Es konnte keine Ein-Mann-Show bleiben“, sagt er. Das Podium füllte sich schnell. Gerd Reetz, der heute noch im Vorstand tätig ist, und Rechtsanwalt Wolfgang Finsterbusch schlossen sich Warnick an. Mit Betroffenen gründete sie an diesem Tag im April 1990 die Kleinmachnower Nutzervereinigung, heute als „Verein der Mieter, Nutzer und selbstnutzenden Eigentümer ,Der Teltow’“ bekannt.

Wie sie sich fanden und was danach geschah, soll in der Jubiläumsveranstaltung, die gegenwärtig vorbereitet wird, nachgestellt werden. Archivmaterial wurde zusammengetragen, Fotos, alte Flugblätter, Videos. Auch eine Ausstellung wird zu sehen sein. Aus der anfänglich Gruppe von neun Leuten ist ein Verein mit 1400 Mitgliedern und zahlreichen Sympathisanten geworden.

Wie Gründungsmitglied Warnick erging es vielen, damals zum Ende der DDR. 1969 hatte der damals 19-Jährige mit Unterstützung seiner Eltern von der Kommunalen Wohnungsverwaltung ein Grundstück im Schleusenweg gekauft. „Ich unterschrieb einen Überlassungsvertrag, der mich berechtigte, das Grundstück für 99 Jahre zu nutzen“, erklärt er. Nur eine zerfallene Laube stand auf dem Anwesen, die er zum Brennholzpreis erwarb. Jahrzehnte baute Warnick an seinem Eigenheim, errichtete es Stück für Stück auf dem Grundstück.

Dann plötzlich stand der Alteigentümer vor der Tür, forderte seine Rechte ein. Das günstig erstandene Grundstück kam Warnick teuer zu stehen. Nach jahrelangem Rechtsstreit kaufte er es zum Verkehrswert – damals 300 000 D-Mark. Zufrieden waren beide Seiten nicht. Der rechtmäßige Grundstückseigner, Anfang der 1950er-Jahre nach Berlin verzogen, hätte es teurer verscherbeln können.

Warnick selbst fühlt sich für Fehler anderer zur Verantwortung gezogen. „Ich hatte einen Vertrag unterschrieben und musste doch darauf bauen können.“ Viel Leid und Unrecht sei geschehen in all der Zeit. Viele Kleinmachnower mussten ihre Häuser verlassen, nicht wenige zerbrachen an Gerichtsterminen und der Ungewissheit. 98 Prozent der Grundstücke seien nach der Rückübertragung wieder verkauft worden, weiß Warnick. „Es ging nur ums Geld.“ Noch immer sind Vermögensfragen in Einzelfällen nicht gelöst.

Reihenweise hatten die Kleinmachnower von Mitte der 40er- bis Mitte der 50er-Jahre ihre Häuser verlassen. Einige nach dem Zweiten Weltkrieg, weitere nach Gründung der DDR, wieder andere während der politischen Unruhen 1953, zuletzt vor dem Mauerbau. Die Zahl der Einwohner sank von 18 000 bis auf 11000. „Immer montags konnte man durch die Häuser ziehen“, so Warnick. Alles wurde versteigert. „Spielzeug-Indianer, elektrische Eisenbahnen, Vitrinen, Standuhren, zu Hunderten.“ Keiner wollte sie. Einige wenige Alteigentümer kümmerten sich noch auch aus der Ferne, die meisten Grundstücke verfielen.

Neben öffentlichkeitswirksamen Aktionen setzten sich Nutzer- und Mietervereinigung in den Anfangsjahren für bessere Vermögensgesetze, mietrechtliche Übergangsbestimmungen ein. Durchaus mit Erfolg. Kleinmachnow kannte jeder, Kamerateams kamen aus aller Welt, aus Florida, Südkorea. „Sie wollten wissen, wie wir offene Grundstücksfragen lösen.“ Auch der damalige Bundesbauminister Klaus Töpfer war zweimal da. 500 Leute hätten sich in die Kammerspiele gedrängt, einige Hundert standen davor. Das Interesse war riesig, aber auch die Wut. Wenn Warnick in all den Jahren etwas gelernt hat, dann, „dass viel zu erreichen ist, wenn man zusammenhält“.

1994 trat der Mieterbund als „Kleinmachnower Bürger gegen Vertreibung“ bei der Kommunalwahl an, gewann 25 Prozent. „Ohne uns ging nichts“, sagt Warnick heute. Die KBGV war maßgeblich an der Errichtung des Wohngebietes „Stolper Weg“ beteiligt. Etwa 1000 Kleinmachnower, die Wohnungen und Häuser verlassen mussten, fanden hier ein neues Heim.

Auch den sozialen Wohnungsbau trieb der Mieterverein voran – ein Thema, das heute noch die Tagesordnung bestimme. Modernisierungsprobleme und steigende Betriebskosten würden eine zunehmende Rolle spielen. „Es gibt immer neue Probleme“, sagt Warnick. Überflüssig werde die Interessensvertretung nicht.

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