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Alles muss raus: Inventar des Stahnsdorfer Hofs wird verkauft

Mit dem Stahnsdorfer Hof schließt eine weitere zentral gelegene Gaststätte. Das Inventar wird am Samstag bei einem Flohmarkt verkauft.

Stahnsdorf - Kochtöpfe, Teller und Küchengeräte aller Art türmen sich auf dem Asphalt der hinteren Einfahrt zum Stahnsdorfer Hof. Mittendrin liegt noch ein Stapel ledergebundener Speisekarten – die darin aufgelisteten Gerichte jedoch kann an diesem Freitagmittag keiner der Gäste mehr bestellen. Am vergangenen Sonntag haben Thorsten Poredda und Partnerin Martina Köthur ihre legendären Schnitzel zum letzten Mal serviert. Weil sich das Betreiberpaar nach eigenem Bekunden mit der Eigentümerin nicht über die künftigen Mietkonditionen einigen konnte, hatte es nach zehn Jahren seinen Pachtvertrag zu Ende Juni gekündigt. Bei einem Flohmarkt stand am Freitag und steht am Samstag das gesamte Inventar zum Verkauf.

Ein Schild mit Trinkspruch für zwei Euro, drei Schneebesen für einen Fünfer – Poredda und Köthur versuchen gar nicht erst, die Preise hochzutreiben. Fast jedes Preisangebot nehmen sie an. „Bis morgen Abend muss hier eh alles weg sein“, sagt Martina Köthur, die für ihre Stammgäste nur „die Tina“ ist. Fast resigniert fügt sie hinzu: „Was sollen wir danach noch mit den Sachen?“ Eine Besucherin umarmt die Betreiberin erst einmal zur Begrüßung, versucht aufzumuntern mit einem: „Es geht immer weiter, das hab ich selbst erlebt.“ Sowohl für die Betreiber als auch für die Stammgäste ist es nicht einfach, Abschied vom Stahnsdorfer Hof zu nehmen. Viele persönliche Erinnerungen stecken in der Gaststätte, die zur DDR-Zeit eine der bestbesuchten Kulturstätten der Region war.

Am Ende hätten sie beide einfach keine Kraft mehr gehabt, erzählt Thorsten Poredda. „Wir haben jedes Jahr investiert, insgesamt einen guten fünfstelligen Betrag“, sagt der 38-Jährige. Ein Fass ohne Boden: Da brauchte die Küche einen neuen Fußboden, bröckelte der Putz und fiel die Heizanlage aus. Die baulichen Mängel des alten Gebäudes in Stahnsdorf auf eigene Kosten zu beheben sei ihnen zu viel geworden.

Doch auch private Gründe hätten für die Kündigung eine Rolle gespielt. „Wir wollen mehr Zeit mit unserer fünfjährigen Tochter verbringen“, sagt Poredda. „Bisher bringt die Oma sie fast jeden Abend zu Bett.“

Eine Liste mit den großen Küchengeräten wie dem Herd, Spülmaschinen und der Kipp-Pfanne, in der die Schnitzel gebraten wurden, haben die Betreiber schon Wochen vor der Schließung an die Gastronomen der Region verschickt. „Das sind ja eher keine Gegenstände, die man als Laufkunde spontan auf dem Flohmarkt kauft“, sagt Thorsten Poredda. Bierkrüge, Bestecksets oder CDs mit Weihnachtsmusik nehmen die Besucher dafür gerne mit. In zehn Jahren hat sich so manches in der Gaststätte angehäuft. „Damit gab es immer unseren berühmten ,Gruß aus der Küche‘“, sagt Martina Köthur und hält einen Löffel mit kurzem, s-förmig geschwungenen Stiel in die Höhe. Neben den Löffel liegt eine Packung bunter Strohhalme, auf dem Fußboden davor steht eine Laterne mit dem Schriftzug einer Bierfirma. Wenn alles verkauft ist, müssen die Betreiber noch einige Endabrechnungen zahlen. Übrig bleiben werde vermutlich nichts, so Poredda.

Auf Kosten der Gesundheit gearbeitet

In den letzten paar Jahren standen die beiden Betreiber immer öfter selbst in der Küche, weil sie zu wenig Personal fanden. Das sei leider auf Kosten des Kundenkontakts gegangen, sagt der Betreiber. Und letztlich auch auf Kosten der eigenen Gesundheit, denn freie Wochenenden oder gar Urlaub konnten seine Partnerin und er sich schon seit Jahren nicht mehr leisten. Wenn der Stahnsdorfer Hof leergeräumt und an die Eigentümerin übergeben ist, wollen sie darum erst einmal eine Weile ausspannen und sich regenerieren. „Danach suchen wir uns dann ganz normale Jobs, in denen man am Wochenende frei hat und Urlaubstage einreichen kann“, sagt der gelernte Versicherungskaufmann. Was für ein Job das sein wird, da legt er sich noch nicht fest. „Von mir aus arbeite ich als Baggerfahrer – Hauptsache nicht in der Gastronomie.“

Was aus dem Stahnsdorfer Hof wird, ist derweil noch unklar. Poredda ist überzeugt, dass die Eigentümerin das Gebäude in seinem jetzigen Zustand nicht an einen neuen Gastronomen vermieten können wird. Nach der Waldschänke, die die Betreiber Günther und Uwe Lassotta im vergangenen Sommer nach 57 Jahren aus gesundheitlichen Gründen schließen mussten, verliert Stahnsdorf damit eine weitere Traditionsgaststätte.

Vor 123 Jahren eröffnet

Eröffnet wurde der Stahnsdorfer Hof 1896 als „Restaurant zur Post“. Damals war das Lokal am Verkehrsknotenpunkt zwischen Bäkedamm und Zehlendorfer Damm, Wilhelm-Külz-, Linden- und Ruhlsdorfer Straße von Berlin aus gut mit der Straßenbahn zu erreichen. Viele Ausflügler, die es am Wochenende von der Großstadt ins Grüne zog, kehrten für ein zünftiges Mittagessen oder am Nachmittag für Kaffee und Kuchen in den Stahnsdorfer Hof ein.

Vom Mauerbau an stand der Stahnsdorfer Hof dann weniger für Tradition und Hausmannskost als viel mehr für laute Musik und jugendliche Exzesse. „Hier fuhr in den 80ern regelmäßig die Polizei vor, weil sich immer irgendwer geprügelt hat“, erinnert sich ein älterer Stammgast beim Flohmarkt. Im großen Saal, der zur Gaststätte gehört, spielten am Wochenende aktuelle Bands, die das junge Publikum aus Fernsehen und Zeitschriften kannte.

Nach der Wende wurde der Saal allerdings für Gäste geschlossen und der Stahnsdorfer Hof wurde wieder zum Ausflugslokal und vor allem zum Treffpunkt für Einheimische. „In Stahnsdorf gibt es nichts Vergleichbares“, sagt etwa Flohmarktbesucher Frank Gabriel, der zur Stahnsdorfer FDP gehört. Mit den Mitgliedern des Ortsverbands traf er sich regelmäßig für parteiinterne Gespräche im Stahnsdorfer Hof, der separate Gastraum bot sich dafür an. „Wo wir uns künftig treffen sollen, wissen wir noch nicht“, so Gabriel.

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