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Auch 2022 für viele Menschen der Pandemie-Erklärer: Christian Drosten.

© picture alliance/dpa

Nur Infizierte sollen sich isolieren: Drosten für Abschaffung der Quarantäne bei Kontaktpersonen

Nur mit einer höheren Impfquote lässt sich die Pandemie beenden, sagt der Virologe Christian Drosten. Die Quarantäne sei eh kaum zu überwachen.

In der ersten Folge seines Podcasts nach dem Jahreswechsel hat der Charité-Virologe Christian Drosten eindringlich die niedrige Impfquote gegen das Corona-Virus in Deutschland kritisiert. An der Zahl der Geimpften hänge, ob das Land bald aus der akuten Pandemie in eine endemische Phase wechseln könne.

In einer solchen Phase könnten dann mehr Infektionen zugelassen werden, so der Hintergedanke – da sie kaum noch schwere oder lebensbedrohliche Verläufe erzeugen würden. Corona „wird endemisch werden“ und „muss endemisch werden“, sagte Drosten.

Die aktuelle Debatte vor dem Bund-Länder-Gipfel am Freitag über eine Verkürzung von Quarantäne- und Isolationsfristen kommentierte der Virologe mit Argumenten für eine gänzliche Abschaffung der Quarantäne für Kontaktpersonen Infizierter.

Zum Einen sei ihre Einhaltung in einer womöglich weit reichenden Omikron-Welle mit hohen Fallzahlen noch weniger zu gewährleisten als ohnehin schon, wo Gesundheitsämter erforderliche Unterlagen und Informationen nur noch eingeschränkt zu erteilen in der Lage seien. Die Quarantäne drohe dann zu einem „Papiertiger“ zu werden.

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Zum Anderen komme die Quarantäne für enge Kontaktpersonen Infizierter ohnehin oft zu spät, sei ihre Schutzwirkung gering im Verhältnis zum bürokratischen Aufwand, den sie mit sich brächten – etwa im Vergleich zu FFP2-Masken, die effizient schützten und kaum Einschränkungen bedeuteten.

Auch für eine Verkürzung der Isolationsfristen für Infizierte etwa auf nur eine Woche zeigte Drosten sich offen, wenn sie in essentiellen Branchen wie etwa der Medizin arbeiteten, milde Verläufe aufwiesen und negative Schnelltests zum Ende der Erkrankung vorlegen könnten. „Wir reißen das Tor nicht komplett auf, aber wir müssen die Tür für das Virus an einigen Stellen öffnen.“ Die Politik müsse entscheiden, an welchen.

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Den Meldeverzug über die Feiertage sieht Drosten nicht kritisch. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte vor Silvester gesagt, die tatsächliche Zahl Infizierter sei „zwei bis drei Mal so hoch“ wie die momentan gemeldete. „Das wird sich in den nächsten zwei Wochen einpendeln“, sagte Drosten dazu. Bereits im vergangenen Jahr habe es einen solchen Effekt gegeben.

Auch aus den schon vorhandenen Zahlen lasse sich relativ zuverlässig ablesen, dass die Zahl der Omikron-Fälle in Deutschland langsamer steige als etwa in Dänemark und Großbritannien. In Deutschland verdopple sich diese Zahl momentan alle vier Tage, in anderen Ländern dagegen alle zwei Tage. Das hänge mit den noch relativ strengen Schutzmaßnahmen hierzulande zusammen. Ende Januar werde Omikron aber die dominierende Virus-Variante in Deutschland sein, glaubt Drosten.

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Durch die steigende Zahl an Booster-Impfungen entkopple sich die Schwere der Krankheitsverläufe zunehmend von den Inzidenzen. Auch Berichte über mildere Verläufe bei Infektionen mit der Omikron-Variante kommentierte Drosten vorsichtig bejahend, so etwa den Report 50 des Imperial College. Demnach sei das Risiko, mit Omikron ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, um bis zu 30 Prozent niedriger als mit Delta. Fraglich bleibe allerdings, ob sich dieser Befund halten lasse, nachdem sich Omikron über Weihnachten in den verschiedenen Altersschichten der britischen Gesellschaft verbreiten konnte. Überdies sei die „Impflücke“ in Deutschland deutlich größer als in Großbritannien.

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Außerdem, so warnte Drosten, bedeute eine geringere Zahl intensivpflichtiger Erkrankter nicht automatisch eine Entlastung der Krankenhäuser. Auf den dann stärker belasteten Normalstationen laufe nämlich der „Grundumsatz“ der Medizin.

Die womöglich milderen Verläufe mit Omikron werden, erwartet Drosten, dazu führen, dass Maßnahmen zur Einschränkung des Infektionsgeschehens sich politisch schwerer durchsetzen lassen. Mit dramatischen Folgen für die Ungeimpften: Zwar treffe Omikron auch sie weniger hart als Delta. Jedoch seien Erwägungen vor allem junger Menschen absurd, sich durch eine absichtliche Ansteckung mit der Omikron-Variante des Corona-Virus eine Impfung zu sparen.

Neue „Steak“-Vergleiche

Aufbauend auf seinem Vergleich bei Twitter, wer glaube, „durch eine Infektion sein Immunsystem zu trainieren, muss konsequenterweise auch glauben, durch ein Steak seine Verdauung zu trainieren“, erklärte Drosten nun: „Das Immunsystem lässt sich nicht stärken, es ist eine Grundfunktion.“ Ähnlich etwa wie Intelligenz: „Auch Gehirnjogging funktioniert nur bei Leuten, die ihr Gehirn sonst gar nicht benutzen.“

Das durch eine Infektion aufgebaute Immungedächtnis richte sich gegen ein spezifisches Virus – das gesamte Immunsystem werde durch eine Infektion aber massiv geschädigt. Durch eine Impfung dagegen lasse sich die Immunität verbessern, ohne sich dabei zu schädigen.

Gerade junge Menschen lebten immer gesundheitsbewusster, hörten mit dem Rauchen auf oder fingen gar nicht erst an. „Nur bei so einer Sache machen sie diesen einen Gedankenschritt nicht.“

Boostern wirke am besten

Der sicherste und schnellste Weg zur Beendigung der Pandemie sei das konsequente Durchboostern der Bevölkerung. Die Daten des Imperial College zeigten, dass Geboosterte am seltensten schwere Verläufe durch die Omikron-Variante durchhmachten.Der Anteil von Krankenhaus-Einweisungen sei bei ihnen um 63 Prozent geringer als bei den mit Delta infizierten Geboosterten. Auch die „Secondary-Attack-Rate“, also die Wahrscheinlichkeit, mit der Infektionen im Nahbereich weitergegeben werden, sei deutlich geringer, wenn die erkrankte Person geboostert sei, wie eine aktuelle Studie aus Dänemark zeige. Der Effekt einer bloßen Doppelimpfung falle im Vergleich dazu kaum ins Gewicht.

Deutschland befinde sich Omikron gegenüber im Grunde in einer ähnlichen Situation wie im März 2020 während der ersten Corona-Welle. Allerdings gebe es nun einen ganzen „Werkzeugkasten“ an Hilfsmitteln, von Masken über Impfungen bis hin zu Schnelltests. Das, so Drosten, bereite ihm Hoffnung.

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