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Wulff-Prozess: Respekt ist nicht Recht

Als Christian Wulff vor nicht einmal einem Jahr vom höchsten Amt, das Deutschland zu vergeben hat, zurücktrat, war er politisch und persönlich auf einem Tiefpunkt angekommen. Nie zuvor hatte ein Staatsanwalt Hand an ein Staatsoberhaupt gelegt, nie zuvor war ein Bundespräsident unter so schmachvollen Begleitumständen aus dem Amt gegangen.

Von Antje Sirleschtov

Als Christian Wulff vor nicht einmal einem Jahr vom höchsten Amt, das Deutschland zu vergeben hat, zurücktrat, war er politisch und persönlich auf einem Tiefpunkt angekommen. Nie zuvor hatte ein Staatsanwalt Hand an ein Staatsoberhaupt gelegt, nie zuvor war ein Bundespräsident unter so schmachvollen Begleitumständen aus dem Amt gegangen. Bestechlichkeit, Korruption: Solch ehrabschneidende Vorwürfe wurden Christian Wulff damals gemacht. Der erste Mann im Staat stand da wie einer, der sein politisches Gewissen für einen persönlichen Vorteil verkauft. Schlimmer hätte es kaum kommen können.

Und nun, keine zwölf Monate später, sieht alles danach aus, dass man dem Mann keine dieser Taten wird nachweisen können. Tausende Seiten Anklageschrift und Erwiderungen der Verteidiger sind geschrieben und verlesen und zahlreiche Zeugen gehört worden. Und am Ende sagt der Richter, er glaubt nicht, dass die Vorwürfe der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung bewiesen werden können. Man sollte den Prozess also einstellen, möglichst bald.

Denn hier gilt wie in den meisten dieser Fälle: Wer darauf hofft, dass Recht und Gerechtigkeit zusammenfallen, der wird enttäuscht. Politische Vorgänge, wie die um Wulff, seine Freunde, sein Wohnhaus und mehr können in einem Gerichtssaal nur begrenzt aufgearbeitet werden. Natürlich muss man respektieren, dass Wulff keinen Freispruch dritter oder vierter Klasse haben will, dass er nach dem Prozess erhobenen Hauptes die Worte in die Kameras sagen will, die er an seinem letzten Tag als Bundespräsident sagte: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“ Und dass er deshalb bis zum Ende um einen Freispruch kämpfen wird.

Doch was, außer dieser Beruhigung, wird das ihm bringen? Denn so wenig eindeutig, wie man Wulff mit den Mitteln des Rechtsstaates wohl nachweisen kann, dass er Vorteile genommen und gewährt hat, so wenig wird er sich von dem öffentlichen Verdacht reinigen können, dass er es doch getan und geschickt vertuscht hat. Der Respekt vor einem Politiker ist eben keine rechtliche Kategorie.

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