zum Hauptinhalt

Was WISSEN schafft: Unheimlich süß

Der Süßstoff Aspartam hat einen schlechten Ruf – zu Unrecht

Manchmal zahlt es sich aus, die Hände nicht zu waschen. Eigentlich war der Chemiker Jim Schlatter auf der Suche nach einem Medikament gegen Magengeschwüre. Doch eines Tages wollte er bei der Arbeit ein Blatt Papier aufheben, befeuchtete seine Finger mit der Zunge und bemerkte dabei einen süßen Geschmack. Die Ursache war eine chemische Substanz, die er gerade als Zwischenstufe für ein größeres Molekül hergestellt hatte: Aspartat-Phenylalanin-Methylester. Das war 1965.

Heute ist der Stoff als Aspartam weltbekannt. Er ist 200-mal süßer als normaler Zucker und wird deshalb in zahllosen Lebensmitteln wie Softdrinks, Kaugummis und Süßigkeiten eingesetzt. Die Verunreinigung ist zum Millionengeschäft geworden.

Vielleicht ist es der Makel der unreinen Geburt. Doch seit Aspartam auf dem Markt ist, sorgen sich zahlreiche Menschen, der künstliche Süßstoff könnte Nebenwirkungen haben: Krebs, Hirnschäden, Fehlgeburten. Kaum ein Übel ist nicht mit Aspartam in Verbindung gebracht worden.

Auch bei der Europäischen Kommission in Brüssel war man offenbar besorgt. Zurzeit arbeitet die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa daran, alle vor 2009 in der EU zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe neu zu bewerten. Auch Aspartam sollte bis 2020 noch einmal auf den Prüfstand. Aber im Mai 2011 bat die Kommission die Behörde, den Süßstoff vorzuziehen.

Nun hat die Efsa ihren Abschlussbericht vorgelegt, 260 Seiten, „eine der umfassendsten Risikobewertungen zu Aspartam, die je durchgeführt wurde“. Das Ergebnis: Aspartam schädigt weder das Erbgut noch das Gehirn. Es hat keine Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern und es verursacht auch keinen Krebs.

Im Magen-Darm-Trakt wird Aspartam in seine drei Bestandteile zerlegt: die Aminosäure Asparaginsäure, die Aminosäure Phenylalanin und den Alkohol Methanol. Aspartam-Gegner verstehen es, die Kombination als unheilige Dreifaltigkeit darzustellen.

Vor allem Methanol hat nicht den besten Ruf. Der Alkohol wird zum Beispiel als Frostschutzmittel verwendet. Methanolvergiftungen durch selbst gebrauten Schnaps führen immer wieder zu Erblindungen und Todesfällen. Asparaginsäure soll in hohen Mengen Nervenzellen schädigen. Und Phenylalanin führt bei manchen Menschen, die die Aminosäure nicht abbauen können, zu schweren Entwicklungsstörungen und geistiger Behinderung.

Tatsächlich sind alle drei Bestandteile von Aspartam normaler Teil der menschlichen Ernährung. In Obst und Gemüse etwa finden sich alle drei Komponenten. Methanol ist in hohen Dosen zwar gefährlich, doch der Mensch nimmt über andere Quellen weit mehr davon auf als in Form von Aspartam. Asparaginsäure findet sich wie Phenylalanin in fast jedem Eiweiß. Der menschliche Körper stellt es sogar selbst her.

Phenylalanin kann bei Menschen mit einer Stoffwechselstörung namens Phelyketonurie tatsächlich schlimme Folgen haben. Sie müssen Speisen mit der Aminosäure meiden, also etwa Milch, Fleisch, Fisch und Eier. Mit Aspartam gesüßte Lebensmittel tragen deshalb den Hinweis „Enthält eine Quelle von Phenylalanin“.

Einige Menschen sind überzeugt, dass Phenylalanin ihnen schadet, obwohl sie unter keiner Stoffwechselstörung leiden. Die britische Lebensmittelsicherheitsbehörde hat jüngst einige dieser Menschen für eine Studie gewonnen. Teilnehmer erhielten entweder mit oder ohne Aspartam gesüßte Müsliriegel. Weder Testpersonen noch Forscher wussten, welche Riegel Aspartam enthielten. Die Ergebnisse der Studie sollen demnächst veröffentlicht werden. Die Behörde gab aber schon vergangene Woche bekannt, sie habe keine Hinweise gefunden, dass es ein Gesundheitsrisiko gebe.

Tatsächlich sind erstaunliche Mengen Aspartam unbedenklich. Als erlaubte Tagesdosis wird die Menge eines Stoffes bezeichnet, die ein Mensch ein Leben lang jeden Tag zu sich nehmen kann, ohne seiner Gesundheit zu schaden. Für Aspartam liegt sie bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Ein 80 Kilogramm schwerer Mann müsste jeden Tag fast 18 Dosen Cola light & Co trinken, um diesen Wert zu übersteigen. Wer das tut, bei dem liegt mit Sicherheit mehr im Argen als seine übermäßige Aspartam-Aufnahme.

Zur Startseite