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Was WISSEN schafft: Klimaklempner sollten nicht als Spinner abgetan werden

Die Welt lässt sich nur ohne Denkverbote retten

Der Kohlendioxidausstoß hat im vergangenen Jahr abermals einen neuen Rekord erreicht. Allein bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe hat die Weltgemeinschaft schätzungsweise 36 Milliarden Tonnen in die Luft geblasen. Wie groß der Anteil der vom Menschen verursachten Treibhausgase am Klimawandel genau ist, darüber streiten die Experten. Dass er maßgeblich ist, darüber sind sie sich weitgehend einig. Die Folgen sind bekannt: Steigende Temperaturen, steigender Meeresspiegel, sehr wahrscheinlich mehr Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen.

Allen Beschwörungen zum Trotz, eine Wende ist nicht in Sicht. Wenn es selbst ein reiches und leidlich motiviertes Land wie Deutschland nicht hinbekommt, seinen CO2-Ausstoß zu verringern, wie es aktuelle Daten nahelegen, sollte man sich ernste Gedanken machen, wie es mit dem Planeten weitergeht.

Kein Wunder, dass die alte Idee des „Climate Engineering“ oder „Geo Engineering“ wieder auftaucht, vor allem im angelsächsischen Raum. Mit diesen Begriffen werden technische Eingriffe in das Erdsystem bezeichnet, die die globale Erwärmung bremsen sollen. Im Wesentlichen lassen sich zwei Ansätze unterscheiden. Erstens die Verringerung der Sonneneinstrahlung, auch als „Solar Radiation Management“ bezeichnet. Der Vorschlag, mittels zahlreicher Spiegel im All eine Art Sonnenschirm zu errichten, ist spektakulär, bleibt aber auf lange Sicht wohl utopisch.

Anders verhält es sich mit der Idee, Schwefel in die obere Atmosphäre zu bringen, damit sich dort unzählige Schwefelsäuretröpfchen bilden, die einen Teil des Sonnenlichts von der Erdoberfläche fernhalten. Das Prinzip funktioniert, wie der Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991 zeigte: Er schleuderte massenhaft Schwefeldioxid in die Luft, die globale Durchschnittstemperatur ging um ein halbes Grad zurück.

Seit Jahren überlegen Forscher, wie dieser Effekt etwa mithilfe hochfliegender Flugzeuge herbeigeführt werden kann. In Computermodellen haben sie abgeschätzt, welche Auswirkungen – positive wie negative – die Schwefelinjektion hätte. Diese Ergebnisse wollen sie nun in der Realität testen. So plant der Harvard- Physiker David Keith ein Experiment, das die Einflüsse von Schwefelsäure und Wasserdampf in 20 Kilometern Höhe untersuchen soll. Er kann dabei auf die Unterstützung durch den Microsoft-Gründer Bill Gates hoffen, der die Forschung zum Climate Engineering großzügig unterstützt.

So umstritten die Ideen der „Klimaklempner“ sind, sie werden immer konkreter. Es wäre fahrlässig, sie zu ignorieren. Je weiter der Klimawandel voranschreitet, desto ernsthafter werden solche Konzepte diskutiert. Umso wichtiger wird es sein, dass Wissenschaftler die Chancen und Risiken fundiert bewerten können. Dazu gehören neben Modellierungen auch Experimente, weil nur sie zeigen, was tatsächlich passiert. Mehr als bisher sollten die Regierungen solche Studien unterstützen, um eine möglichst unabhängige Forschung zu ermöglichen.

Die bisher erzielten Resultate legen nahe, dass ein „Strahlungsmanagement“ mittels Schwefel oder künstlich erzeugten Wolken nicht zu empfehlen ist. Abgesehen von den hohen Kosten ist kaum verstanden worden, wie sich etwa Strömungen in der Atmosphäre ändern und damit das lokale Wetter am Boden. Wer würde haften, wenn es zu Dürren oder Überschwemmungen käme? Und wie wollen Ankläger das schlüssig beweisen?

Anders sieht es beim zweiten Ansatz, dem „Carbon Dioxid Removal“, aus. Dort geht es darum, das Treibhausgas aus der Atmosphäre zu holen und es in tiefen Erdschichten oder im Ozean zu lagern. Das kann an den Schornsteinen der Kraftwerke geschehen oder mittels „künstlicher Bäume“, die CO2 aus der Luft aufnehmen. Auch hier gibt es gewichtige Gegenargumente: Beides kostet viel Geld, und es ist nicht sicher, ob eine Endlagerung von Kohlendioxid im Untergrund wirklich im großen Stile machbar ist. Sich diesen Ideen prinzipiell zu verschließen, wäre dennoch kurzsichtig.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie hat sich Deutschland bereits eine nennenswerte Option zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verboten. Um den Strompreis stabil zu halten, rauchen die Schlote der Kohlekraftwerke umso mehr. Klimaschutz geht anders.

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