zum Hauptinhalt

Was war’s diese Woche? WM 2014: Warum Frauen immer auf den Torwart stehen

Ein Trend dieser WM lautet: Frauen verknallen sich regelmäßig in die Torhüter. Das jedenfalls hat unser Kolumnist Matthias Kalle beobachtet - und kann sich auch denken, woran das liegt.

Dass er im Tor, im Tor, im Tor steht und sie dahinter, dass wissen zumindest die Älteren unter uns, die diese Information 1969 von Wencke Myhre erhalten haben. Und dass sich der Hang der Frauen zum Torhüter seit 45 Jahren nicht grundlegend geändert hat, das beweist auch diese Fußballweltmeisterschaft wieder. Falsche Neuner und doppelte Sechsen haben im Vergleich zur Nummer eins schlichtweg keinen Sex-Appeal.

Wenn man in diesen Tagen mit Frauen, die sich nicht so für Fußball interessieren, ein Spiel der Fußballweltmeisterschaft schaut (und es gibt Frauen, die sich nicht für Fußball interessieren oder von diesem Sport keine Ahnung haben – ebenso wie es Männer gibt, die sich nicht für Fußball interessieren oder von diesem Sport keine Ahnung haben), dann kommt irgendwann der Moment, in dem die Frau über die Torhüter sprechen möchte: „Wie heißt der?“ „Ist der gut?“ „Ist das dieser Buffon?“ Ein Trend dieser Weltmeisterschaft lautet ja „Die Stars treffen“, ein anderer muss lauten „Frauen verknallen sich in die Torhüter“. Warum ist das so? Ich glaube, das hat mehrere Gründe. Zum einen liegt das an den Klamotten. Ein schlimmer Trend bei dieser Weltmeisterschaft ist das Tragen von weißen Shorts. Fast jede Mannschaft hat in den vergangenen zwei Wochen schon in weißen Shorts gespielt, das ging meistens nicht gut, weil die Spieler anscheinend nicht begreifen, dass man unter weißen Shorts die knallbunten Micky-Maus-Schlüppis sieht, die Fußballspieler – warum auch immer – so gerne anziehen (neben den schwarzen Schlüppis, aber die machen die Sache ja nicht besser).

Die Torhüter spielen nicht in Weiß, sie spielen auch nicht zweifarbig (unten rot, oben blau) – die meisten Torhüter spielen in einer Farbe, die anders ist als die Farbe der Feldspieler, ihre Trikots haben in der Regel lange Ärmel – man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass die Torhüter schlichtweg die Männer auf dem Fußballfeld sind, die am besten angezogen sind. Sie sehen nicht nur besser, sondern auch anders aus – und diese Andersartigkeit gibt ihnen dann auch noch eine Aura des Outlaws, des lonesome Cowboys: Der Torhüter ist allein in der Welt, er hat eine Abwehr vor sich, das schon, aber wie oft ist diese Abwehr brüchig, wie oft lassen ihn die Innenverteidiger im Stich, wie oft ist der Torhüter auf sich allein gestellt beim Kampf gegen das gegnerische Team? Deshalb hat der Torhüter von allen Fußballern auch den besten Körper. Er ist größer als der Rest der Mannschaft, er muss irgendwie dieses Tor hüten, er muss so tun, als sei er unüberwindbar.

Das Scheitern ist dabei allgegenwärtig – aber Frauen haben vielleicht auch einen Hang zu Männern, die scheitern (allerdings erst, nachdem sie alles versucht haben) –, deshalb umweht Torhüter auch immer ein Hauch von Melancholie: Buffon, der Tormann der Italiener, sieht immer so aus, als würde er einer Geliebten hinterhertrauern. Und der Torhüter weiß, dass seine Mission eigentlich unmöglich ist: Das Tor ist zu groß, er ist zu klein. In seiner Jugend spielte der Philosoph Albert Camus Fußball. Er stand im Tor. Nicht dahinter.

Kalle ist Vize-Chefredakteur des ZEITMagazins. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false