zum Hauptinhalt

Meinung: Vom Ohnemichel zum Mitmichel

Frankreichs Truppen greifen in Mali ein. Damit stellt sich auch für Deutschland die Frage, wie weit das Engagement in Afrika gehen soll

Seit ein paar Tagen ist ein Staat auf dem Radar der Medien in Deutschland aufgetaucht, der einer breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sein dürfte: Mali, gelegen im Westen Afrikas, eine frühere französische Kolonie und heute ein zerbrochener Staat, der zum Schlupfwinkel für die Terrororganisation Al Qaida geworden ist. Am Freitag haben französische Soldaten begonnen, den Vormarsch der Islamisten in Mali zu stoppen. Damit stellt sich auch für die Bundesregierung die Frage, wie viele Soldaten sie demnächst nach Mali schicken soll, um die Lage dort zu stabilisieren. Droht in Mali ein zweites Afghanistan?

Just in dem Moment, in dem die USA den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan beschleunigen und damit auch für die Bundeswehr das Ende eines großen Teils ihres Einsatzes am Hindukusch in Sichtweite kommt, taucht ein neuer Krisenherd auf. Der Mali-Einsatz Frankreichs wird auch die Bundesregierung zwingen, Farbe zu bekennen, sprich: zu erklären, wie weit die deutsche Unterstützung für Paris gehen soll. Und das ausgerechnet eine Woche vor den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Elysée-Vertrages, also jenes deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, den Charles de Gaulle und Konrad Adenauer 1963 geschlossen hatten.

Wohlgemerkt: Es geht für die Bundeswehr, anders als für die französischen Truppen, in Mali nach dem derzeitigen Diskussionsstand nicht um einen Kampfeinsatz. Frankreichs Präsident François Hollande hat mit seiner Entscheidung, französische Soldaten zur Unterstützung der malischen Armee in ihrem Kampf gegen die Islamisten zu schicken, vor allem aus strategischem Eigeninteresse der „Grande Nation“ heraus gehandelt.

Ähnlich wie Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy der Gewalt in der Elfenbeinküste vor knapp zwei Jahren militärisch ein Ende setzte, so will auch der gegenwärtige Amtsinhaber im Elysée-Palast nicht zulassen, dass Frankreichs historisch gewachsener Einfluss im Westen Afrikas zurückgedrängt wird. Das geostrategische Kalkül ist für Frankreich im Fall Malis mindestens ebenso wichtig wie die berechtigte Sorge, dort könnte sich eine gefährliche Brutstätte der Al Qaida entwickeln.

Anders liegen die Dinge im Fall Deutschlands: Der deutsche Beitrag, über den diskutiert wird, besteht in der Ausbildung malischer Soldaten vor Ort, damit diese in ihrem schwierigen Kampf gegen die Islamisten bestehen können. Womöglich wird ein solcher Einsatz innerhalb gesicherter Kasernen stattfinden – also in einem überschaubaren Rahmen.

In dieser Situation kommen in Deutschland natürlich sofort Bedenken auf, dass die geplante Ausbildungsmission der Bundeswehr mit einem gefährlichen Rutschbahneffekt verbunden ist. Könnte es nicht doch sein, dass Deutschland zwar morgen nur Soldaten zur Ausbildung schickt, aber übermorgen Kampftruppen?

Nun ist ein militärisches Abenteuer in Mali weder im Sinne von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch ihres Verteidigungsministers Thomas de Maizière. Andererseits sollte die Bundesregierung schon aus eigenem Interesse darauf hinarbeiten, dass Deutschland – anders als im Fall Libyens – diesmal bei dem absehbaren internationalen Einsatz nicht abseits steht.

Der frühere Verteidigungsminister Peter Struck prägte den Merksatz, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird. Diesem Satz liegt eine tiefere Einsicht zugrunde: Wo Brutstätten des internationalen Terrorismus entstehen, kann Deutschland keine Vogel-Strauß-Politik betreiben. So wie jeder andere Staat auch, wird die Bundesregierung – das Beispiel Syriens zeigt es – natürlich immer eine Abwägung der Möglichkeiten und Risiken vornehmen. Aber striktes Raushalten ist für Berlin schon lange keine Option mehr. Deutschland ist mehr als eine große Schweiz.

Berechtigterweise ist der Reflex, militärisch in den Krisenherden dieser Welt einzugreifen, hierzulande aufgrund der historischen Erfahrung weniger ausgeprägt als in Frankreich oder Großbritannien. Aber damit wird der Hinweis von Bundespräsident Joachim Gauck noch nicht falsch, wonach es für „unsere glücksüchtige Gesellschaft“ schwer zu ertragen ist, dass es wieder deutsche Gefallene gibt. Und völlig risikolos dürfte ein Einsatz der Bundeswehr in Mali tatsächlich nicht sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false