zum Hauptinhalt

POSITIONEN: Partner Putin

Die EU sollte enger mit Russland zusammenarbeiten

Der zugleich neu und wieder gewählte russische Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Botschaft an die Russen lange auf sich warten lassen. Das verwundert umso mehr, weil angesichts der Bedeutung Russlands in der Welt eine solche Eröffnungsbotschaft auch auf weltweite Beachtung zählen kann. Nun hat sich Putin am 12. Dezember mit seiner Botschaft in der Föderalversammlung der russischen Föderation an die Öffentlichkeit gewandt.

Offensichtlich geht es ihm darum, die Zustimmung zu seiner Politik in Russland durch die Stärkung russischen Selbstbewusstseins, durch den Hinweis auf die 1000-jährige russische Geschichte und auf die nationale Identität und Würde der Russen zu stärken. Das mag erklären, warum außenpolitische Fragen weitgehend unberührt blieben.

Vor diesem Hintergrund findet in dieser Woche der EU-Russland-Gipfel statt. Es ist zu hoffen, dass die Repräsentanten der EU gerade jetzt die Bedeutung der europäisch-russischen Beziehungen erkennen. Wir leben auf derselben Erdscholle und gehören zum gleichen Kontinent. Auch wenn der größere Teil Russlands jenseits des Urals liegt, schlägt das Herz des Riesenreiches doch in Europa. Die Völker der EU und Russlands sind Nachbarn, und sie sind schicksalhaft miteinander verbunden. Sie können sich gegenseitig sehr viel geben. Für die größte Priorität, die eine russische Führung sehen muss, nämlich die Modernisierung des Landes, seiner Institutionen und seiner Wirtschaft, ist Europa der ideale Partner. Das Verhältnis EU/Russland wird nicht getrübt durch die Besorgnis einer machtpolitischen Rivalität. Eine fortschreitende gegenseitige Öffnung ist deshalb eine ebenso nützliche wie realistische Option. Es ist lange her, dass das Projekt einer gesamteuropäischen Freihandelszone, die Russland einschließt, als eine ebenso realistische wie naheliegende Option betrachtet wurde. Was hindert uns daran, diesem Aspekt wieder größere Aufmerksamkeit zu widmen? Die Zusammenarbeit, wo immer möglich, sollte nicht nur als Option, sondern als Auftrag für die Gestaltung des großen europäischen Raumes, des europäischen Hauses also, betrachtet werden.

Zusammenarbeit wird man brauchen für die Lösung vieler außenpolitischer Probleme. Bei der Behandlung der Iranfrage zeigt sich auf allen Seiten, also auch auf der russischen, die Bereitschaft, die gemeinsame Verantwortung auch gemeinsam wahrzunehmen. In Syrien zeichnet sich eine neue Einschätzung der Lage durch Moskau ab. Die Nichterwähnung der Raketenabwehrfrage in der Putin-Erklärung heißt nicht, dass dieses Thema an Bedeutung verloren habe. Aber sie kann verstanden werden als die Absicht, eine breitere Kooperation nicht von einem Thema allein abhängig zu machen. Auch das sollte der Westen erkennen.

Man möchte wünschen, dass die Repräsentanten der EU bei ihren Gesprächen mit der russischen Führung die Chance erkennen, als Partner des großen Nachbarn zu agieren. Eine langfristig angelegte Partnerschaft und Kooperation zwischen der EU und Russland im Zeitalter der Globalisierung ist ein wichtiger Beitrag zu globaler Stabilität. Bei allem Verständnis für die Fixierung der EU und ihrer Mitglieder auf die Überwindung der Finanzkrise – es gibt auch noch eine Welt außerhalb der EU. Europa ist bei der Neugestaltung der Weltordnung als Akteur dringend gefragt. Dabei muss die konstruktive Entwicklung des europäisch-russischen Verhältnisses zu den ersten Prioritäten gehören.

Außenminister Westerwelle hat unlängst sein Konzept der deutsch-russischen und der europäisch-russischen Beziehungen dargelegt. Er hat zu Recht eine breit angelegte, von großem gegenseitigen Respekt bestimmte Kooperation mit dem großen europäischen Volk der Russen gefordert. Das ist es: in dem geografischen Nachbarn Russland den europäischen Partner Russland erkennen.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Außenminister.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false