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POSITIONEN: Der Bürger ist König

Ministerpräsidenten sollten direkt gewählt werden

Die Menschen haben zunehmend das Gefühl, dass Politik über ihre Köpfe hinweg gemacht wird und ihnen Politiker vorgesetzt werden, die sie gar nicht gewählt haben. Es ist deshalb an der Zeit, weitere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme zu schaffen – zum Beispiel, indem die Bürger die Ministerpräsidenten direkt wählen. Dadurch würde verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die bisher zum Teil nur auf dem Papier stehen, wieder Leben eingehaucht.

Doch die Parteien wollen ihre Machtbasis nicht beschneiden, auch nicht zugunsten der Bürgerschaft, also des Souveräns, von dem doch alle Macht ausgehen sollte. Verbesserungen der politischen Willensbildung müssen deshalb – an den herrschenden politischen Kräften vorbei – durch Volksbegehren und Volksentscheid durchgesetzt werden. Die ÖDP hat nun in Bayern erstmals einen Versuch gestartet. Solche Initiativen wären auch in vielen anderen Bundesländern möglich. Auch dort kann man die Landesverfassungen durch direkte Demokratie ändern. Viele Staatsrechtslehrer und – wie Umfragen gezeigt haben – auch die Mehrheit der Bevölkerung befürworten die Direktwahl des Ministerpräsidenten.

Die Direktwahl legt die Entscheidung, wer Ministerpräsident wird, in die Hand der Bürger. Das ist viel demokratischer als die Berufung des Ministerpräsidenten durch die Regierungsparteien. Wenn ein Ministerpräsident von seiner Partei während der Legislaturperiode ausgewechselt wird, geht dies völlig am Wählerwillen vorbei. Dann wird unter Umständen ein Regierungschef berufen, der noch nie als Spitzenkandidat einer Partei eine Landtagswahl gewonnen hat. Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ist dafür ein Beispiel. Er wurde nach der Landtagswahl 2008 gegen Günther Beckstein ausgewechselt. Und Beckstein war Edmund Stoiber aufgrund eines Parteitagsbeschlusses gefolgt.

Die Direktwahl wertet auch den Landtag auf. Er könnte seine verfassungsmäßigen Aufgaben der Gesetzgebung und der Regierungskontrolle endlich voll wahrnehmen, da die Parlamentsmehrheit aus ihrer jetzigen Abhängigkeit von der Regierung befreit würde. Echte Gewaltenteilung wäre möglich. Regierungsmitglieder können im Interesse der Gewaltenteilung nicht gleichzeitig noch Abgeordnete sein und Diäten beziehen.

Das System funktioniert auch, wenn der Ministerpräsident einer anderen Partei angehört als die Parlamentsmehrheit. Großstädte, in denen die Bürgermeister direkt gewählt sind, machen das vor. Dann werden aus Fensterreden im Parlament sachhaltige Debatten. Im Übrigen würde die Kompromissbereitschaft erhöht, etwa dadurch, dass ein kluger Ministerpräsident Vertreter verschiedener Parteien in sein Kabinett holt.

Die Rolle der Abgeordneten wird ebenfalls aufgewertet. Da das Bestehen der Regierung nicht mehr von der Unterstützung der Mehrheitsfraktionen abhängt, gewinnen die Parlamentarier politische Freiheit. Dann wäre es vermutlich auch leichter, fähige Personen mit Ideen und Tatkraft für das Mandat zu gewinnen.

Den Trend zur Basisnähe haben die Grünen als erste Partei aufgegriffen, indem sie ihre Spitzenkandidaten unmittelbar von den Mitgliedern wählen ließen. Das sollten die anderen Parteien nachahmen. Konsequenterweise sollte dann aber auch die Regierungsspitze im Land von den Bürgern gewählt werden.

So würde die Herrschaft der Parteien sinnvoll zurückgeführt. Denn nach dem Grundgesetz ist es ihre Aufgabe, an der politischen Willensbildung der Bürger mitzuwirken, nicht aber, sie zu beherrschen. Gelingt es, das neue Verfassungsmodell in einem Bundesland durchzusetzen, könnte das wie ein demokratischer Urknall wirken und die Reformbereitschaft auch in anderen Ländern und im Bund schlagartig erhöhen.

Der Autor lehrt an der

Deutschen Universität für

Verwaltungswissenschaften Speyer. Er hat zusammen mit dem Politikwissenschaftler Frank Decker den Gesetzentwurf für das Volksbegehren der ÖDP in Bayern erarbeitet

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