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Matthias Kalle - Ich habe verstanden: Olympia in Berlin erst nach Krisenüberwindung in der Unterhaltung

Was wäre Olympia in Berlin ohne eine gute Show? Nichts! Doch dafür ist Deutschland noch nicht bereit.

Wahrscheinlich gibt es genauso viele gute Gründe für die Olympischen Spiele 2024 in Berlin zu sein, wie es gute Gründe dagegen gibt. Ich möchte auch nicht, dass die Spiele in elf Jahren hier stattfinden, aber ich habe dafür andere Gründe; Gründe, die in der öffentlichen Diskussion nie eine Rolle spielen, was ich sehr schade finde.

Ich bin gegen die Spiele, weil ich es viel schöner finde, wenn die an einem Ort ausgetragen werden, wo es entweder viel früher oder viel später ist, so dass man nachts Olympia im Fernsehen gucken kann. Tagsüber ist ja immer schlecht, tagsüber scheinen ja eher Leute den Fernseher anzumachen, um RTL zu gucken, Anfang der Woche klagte ein Arbeitsloser dagegen, dass er jetzt nur noch ARD und ZDF gucken dürfe, weil das Amt die Kabelgebühren nicht mehr zahlen wolle. Davon mal abgesehen – nachts den Fernseher einschalten und dann stundenlang zuschauen, wie sich Sportler in der Hitze des Tages in Wettkämpfen messen, kann irre unterhaltsam sein.

Außerdem bin ich gegen die Olympischen Spiele in Berlin, weil ich große Angst vor der Eröffnungsfeier hätte. Andre Heller ist 2024 77 Jahre alt, den kann man da nicht mehr fragen, ob er sich darum kümmern würde und jemand anderes fällt den Deutschen ja meist für so etwas nicht ein. In sozialen Netzwerken wird bereits gefordert, dass dann doch bitte Knorkator spielen müssten. Oder Seeed. Na ja.

Vergangenes Jahr haben die Londoner ja gezeigt, wie man so eine Eröffnungsfeier machen kann – die Show war groß, großes Fernsehen, verantwortlich war der Regisseur Danny Boyle, die BBC hat alles, was es an Technik gibt, aufgefahren, Daniel Craig war mit dabei, die Queen… Was würde die Zuschauer 2024 erwarten? Wahrscheinlich würde sich Nico Hofmann ein Konzept überlegen, „Unsere Spiele, eure Spiele“, Regie führt Volker Weicker, durchs Programm führt Florian Silbereisen, Franz Beckenbauer wäre mit dabei, Boris Becker, Helmut Kohl… Es geht mir nicht darum, dass sich Deutschland vor den Augen der Welt blamieren könnte – es geht mir nur darum, dass ich wenigstens gut unterhalten werden möchte, wenn ich es schon ertragen muss, komplett korrupte Spiele vorgesetzt zu bekommen (das passiert ja eh unabhängig vom Austragungsort).

Und die Unterhaltung steckt in diesem Land ja gerade in einer Krise nie gekannten Ausmaßes – die Erschütterungen dieser Krise werden wir noch Jahre später spüren, da bin ich sicher.

Dass am Samstag so wenig Menschen wie noch nie „Wetten, dass...?“ geschaut haben, ist übrigens kein Symptom dieser Krise – gute Unterhaltung hat nicht zwangsläufig eine gute Quote zur Folge.

Genauso falsch wäre es übrigens auch, die schlechte Quote der Show einzig und allein am Moderator Markus Lanz festzumachen. Man kann von Lanz und seinen Moderatorenqualitäten halten was man will – aber mir soll mal einer einen Moderator zeigen, der aus dem, was ihm da das 200-köpfige Team von „Wetten, dass...?“ zur Verfügung gestellt hat, eine gute Show macht.

Die Wetten waren nur noch eine Erinnerung an das „Wetten, dass...?“ vergangener Zeiten (Bagger); die Musikauftritte auch (Sting, Celine Dion) – und die Gäste? Jeder für sich genommen wäre ein guter Wetten-dass-Gast gewesen, aber in der Zusammensetzung kam dabei keine Spannung auf, keine Fallhöhe. So eine Couch kriegt jede Kochshow auf Tele 5 auch noch zusammen – drei Stunden vor der Sendung. Die Show, die gute Unterhaltung, steckt in diesem Land in einer Krise und bevor diese Krise nicht überwunden ist, sollte sich Berlin nicht um die Olympischen Spiele bewerben.

Gut – und der Flughafen sollte vorher vielleicht auch noch fertig werden.

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