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Meinung: Man bleibt am warmen Ofen

Schwarze und Grüne werden ihre Chance verstreichen lassen – vielleicht für immer

Von Robert Birnbaum

Was hat eine Weltreise mit der schwarz-grünen Koalition gemeinsam? Fast jeder träumt davon in jungen Jahren – einmal raus aus dem Alltagstrott, großartig! Dann kommt ganz unverhofft der erste Job. Dann kommen die Kinder. Dann kommt die Beförderung. Jedes Jahr an Silvester landet die Weltreise wieder weit oben auf der Liste der Vorsätze. Aber immer wenn es konkret wird – dann passt es gerade leider wieder nicht.

Man braucht keine großen Sehergaben für die Prognose, dass die schwarz-grünen Sondierungsgespräche in Berlin mit eben diesem Ergebnis enden werden. Schon die ständige Versicherung, man werde ernsthaft miteinander reden, markiert die reale Distanz zwischen CDU/CSU und Grünen. Ernsthaftigkeit ist ja wohl das Mindeste, was von einer womöglich künftigen Regierung zu erwarten wäre.

Aber es passt halt wieder nicht. Angela Merkel mag kein Wagnis eingehen, schon gar nicht jetzt, da die Euro-Krise nur vertagt ist. Die Konstellation im Bundesrat ist schwierig. Mit Horst Seehofers CSU würde es ein endloses Gewürge, schon weil die Partei der absoluten Bayern-Mehrheit sowieso jeden ernsthaften Konkurrenten wegbeißt. Und die Grünen sind auch gerade unpässlich: das Wahlergebnis zu deprimierend, das Personal zu neu, im Kompass kreiselt die Nadel

Das alles ist richtig, und jedes dieser Hindernisse ist ein sehr ernstes. Trotzdem könnte es sein, dass sich gerade auf lange Sicht das Fenster der Gelegenheit schließt, doch noch mal den Rucksack für die Abenteuertour zu packen. Niemand kennt das Ergebnis ’17. Doch dass die Union wieder einen solchen Angie-Triumph erzielt – unwahrscheinlich. Dass die Grünen ein zweites Mal ein Atomunfall in Volksparteihöhen katapultiert – wenig glaubhaft. Dass die FDP, wenn sie denn überlebt, den nächsten Bundestag mit Rekordwerten stürmt – schwer vorstellbar.

Für die CDU heißt das, dass sie in vier Jahren mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ohne Partner dastehen wird. Nicht aus inhaltlichen, sondern schlicht aus mathematischen Gründen. Angela Merkel persönlich kann das nach dann zwölf Jahren Kanzlerschaft halbwegs egal sein; der CDU-Chefin nicht, und ihren Erben auch nicht. Für die Grünen sind die Aussichten auf den ersten Blick günstiger. Wenn die SPD und wenn die Linke nicht vier Jahre lang alles falsch machen – was beiden allerdings durchaus zuzutrauen ist –, dann erscheinen die Perspektiven für ein rot- rot-grünes Bündnis so übel nicht. Ob man in diesem so erkennbar auf Stabilität und Sicherheit bedachten Deutschland offensiv für ein Linksbündnis werben kann, steht aber auf einem anderen Blatt.

Darum gilt auch für die Öko-Partei: Die Weltreise, wenn man sie dauernd verschiebt, findet am Ende nie statt. Die Geschichte von Schwarz-Grün erinnert ja jetzt schon stark an die Biografie jener verhinderten Reisenden, die jedes neue Hindernis dankbar aufgreifen, weil sie die warme Stube in Wahrheit gar nicht mehr verlassen wollen: Noch mal Glück gehabt – es passt gerade wieder nicht!

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