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Draufsicht. Das Hotel Mercure samt Schloss von oben fotografiert.

© R. Hirschberger/dpa

Lesermeinung: Tauschhandel: Garnisonkirche für Hotel?

Zur Berichterstattung über die Pläne der Stadtspitze, das Hotel Mercure langfristig zu kaufen und abzureißen, zum Interview mit Manfred Stolpe vom 18. Januar und zum Kommentar „Verbindlichkeiten“ vom 19.

Zur Berichterstattung über die Pläne der Stadtspitze, das Hotel Mercure langfristig zu kaufen und abzureißen, zum Interview mit Manfred Stolpe vom 18. Januar und zum Kommentar „Verbindlichkeiten“ vom 19. Januar

Politisch interpretiert ist Wahrnehmung wohl vielschichtiger. Das jedenfalls drängt sich dem Leser zum oben genannten Interview zum Mercure mit unserem Altministerpräsidenten auf. Wenn es um die Wahrnehmung geht, dann sollte man doch mal die Gäste des Hotels selbst befragen oder sich zum Beispiel unter www.hrs.de informieren. „Die Zimmer zu klein, das Bad nur Schiebetür, Preis Leistung außer Tritt“, so ist es dort oft zu lesen und im Hotel sind die Probleme bekannt.

Darum müsste es doch eigentlich gehen. Warum werden eigentlich keine Inhalte besprochen? Servicefreundlichkeit und Küche bekommen durchweg gute Noten, stehen auch gar nicht zur Debatte. Das Hotel Mercure selbst aber kommt in die Jahre, die Sanierungsuhr tickt, die Wettbewerber sind gut aufgestellt und entwickeln sich weiter.

Das Haus steht im Wettbewerb, der außerhalb der Stadtgrenzen diktiert wird. Der Gast entscheidet, was er kauft. Die Ansprüche des internationalen Publikums sind noch verschiedener. Einige Zielgruppen erwarten zum Beispiel sogar Bäder mit Wanne und Dusche. Potsdam ist Touristenstadt, deren Ansprüche sind der Maßstab.

Daran wird der Betreiber sich messen lassen müssen und entscheiden, ob er das Hotel sanieren will und wenn ja, für welchen Preis. Bei der speziellen Bauweise des Gebäudes wird die Frage zu beantworten sein, was bautechnisch geht und was nicht. Lassen sich überhaupt die Zimmerzuschnitte verändern, was ist am Markt gefragt, werden wir das mit diesem Bau erreichen können, und so weiter ?

Die Stadtverordneten haben die Frage zu beantworten, wie die Entwicklung der Mitte weiter erfolgreich gestaltet werden kann. Sie haben nach vielen Anhörungen, auch von Experten, einen Weg für das Potsdam der Zukunft entwickelt. Das ist ihre Aufgabe und sie werden souverän entscheiden. Das hat mit Ideologisierung nichts zu tun, sondern ist ein demokratischer Akt und wird die positive Entwicklung unserer Stadtmitte über die Jahre qualitativ abrunden.

Oder soll alles ganz anders laufen? Soll etwa ein Tauschhandel, Garnisonkirche für Hotel, vorbereitet werden? Ich habe da nämlich erst kürzlich vom selben Gesprächspartner gehört, die Garnisonkirche gehöre genauso zu Potsdam wie das Hotel

Henning Krentz, Potsdam

Sind wir verrückt geworden? Auf der einen Seite wollen wir sparen, sparen (zum Beispiel bei der Bundeswehr). Und auf der anderen Seite soll ein gut geführtes, gut liegendes Hotel abgerissen werden, nur weil es hässlich ist. Was müsste da nicht alles abgerissen werden? Ich schlage vor, schon aus Respekt vor der deutschen Geschichte – und die DDR mit ihrer Architektur gehört nun einmal dazu – das Hotel in den Farben des Schlosses anzustreichen und schon passt es in die Landschaft.

Udo von Hertzberg, Potsdam

Frau Saskia Hünecke, Stadtverordnete der Grünen, hat die verzerrte Sichtweise in der Diskussion zutreffend auf den Punkt gebracht hat, wenn sie klarstellt: Es wird nicht berücksichtigt, dass es sich um ein privatwirtschaftliches Grundstück handelt, es ist nicht mehr das frühere volkseigene Interhotel. Das Hotel ist nicht Eigentümer des Grundstückes. Es ist kaum anzunehmen, dass die jetzigen Eigentümer es so belassen werden, dass Potsdamer Erinnerungen auf Dauer gepflegt werden können.

Es sei daran erinnert, dass die alten Herren, die ehemals diese volkseigenen Valutahotels leiteten, nach der Wiedervereinigung ganz schnell zu Kapitalisten mutierten und mit ihren alten Seilschaften eine „Interhotel Aktiengesellschaft“ gründeten, sie also dem „Volkseigentum“ entrissen und zu ihrem Privateigentum gemacht haben. Und auf den eigenen Profit bedacht, haben die alten SED-Genossen ihre Interhotels an den ehemaligen Erzfeind, den US-Investor Blackstone (eine sogenannte Heuschrecke) verkauft und sich das ehemalige Volkseigentum versilbert.

Es sei auch an die Begeisterung für die Kunsthalle erinnert. Als im Jahre 2012 über 1000 Potsdamer auf dem Alten Markt, angeführt von den Prominenten Günther Jauch, Wolfgang Joop und Nadja Uhl, für den Abriss dieses hässlichen Klotzes demonstriert hatten. Herr Plattner war sichtlich bewegt: „Eine so überwältigende Demo habe ich nicht erwartet, schönen Dank“, sagte der Mäzen. Heute sehe ich, das sind nur ganz wenige, die das Hotel noch wollen. Ich habe total unterschätzt, wie viele dagegen sind“, rief Plattner den 1000 Potsdamern zu.

Die Weisse Flotte unterstützte ebenfalls das Projekt und zwar am Standort des Mercure. Dies versicherte Flottenchef Jan Lehmann unter dem Beifall der 1000 Anwesenden. Günther Jauch sagte mit Blick auf das Haus: „Dass dieser Kasten hier nicht hingehört, sieht jeder städtebaulich einigermaßen sensible Mensch“. Dies sagte, nachweislich, auch schon der Genosse Ulbricht, als er sich in Potsdam persönlich die Planungen für sein neues sozialistisches Potsdam ansah. Und die in Potsdam aufgewachsene Schauspielerin Nadja Uhl brachte es mit ihrem Beitrag genau auf den Punkt: „Eine Kunsthalle mit DDR-Kunst ist ein würdigeres Denkmal für unser Sein als so ein verpupstes Hotel.“

Frank Paul, Potsdam

Man könnte doch an das Hotel eine Knobelsdorff-Fassade anpappen wie an den kleinen Betonklotz gegenüber, der nun Schloss und Landtag ist.

Das Hotel steht da, wo in Potsdam ein gutgehendes Hotel stehen muss, fußläufig zum Bahnhof, zum Landtag und zu vielen anderen Dingen auch. Man könnte es auch umbenennen, zum Beispiel in „Bruder Johannes Herberge“, denn Rau hat da schon zu DDR-Zeiten manch konspiratives Treffen abgehalten, nicht nur mit dem Konsistorialpräsidenten. Und auch nach dem 9. November kann ich mich erinnern, wie er zu den noch spärlich vorhandenen Spezialdemokraten ein fröhliches „Fürchte Dich nicht, Du kleine Herde“ ausrief. Das weiß der Jakobs allerdings nicht und der Scharfenzwerg wird es ihm nicht erzählen! Und für die Weisse Flotte sollte man statt fester Bauwerke einen schönen alten Kahn dort anbinden, wo man Tickets kaufen, auf den Topp gehen sowie Bier und Wurst erwerben kann.

Siegfried von Rabenau, Potsdam

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