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Lesermeinung: Supermarkt und Kaufhalle

Zu „Shopping hinter der Mauer“ vom 3. SeptemberKörperlich habe ich in der DDR gelebt, geistig wie viele andere in der Bundesrepublik.

Zu „Shopping hinter der Mauer“ vom 3. September

Körperlich habe ich in der DDR gelebt, geistig wie viele andere in der Bundesrepublik. Natürlich sind mir und den meisten anderen sprachliche Unterschiede zwischen Ost und West aufgefallen. Etliche Ostbegriffe und Wendungen waren reiner Blödsinn, wenngleich von „Jahresendfigur“ niemand gesprochen hat.

In Potsdam stand jahrelang im Zentrum der Stadt auf der Hauptpost ein Transparent „Ruhm und Ehre der Partei der Arbeiterklasse“. Dass dies Blödsinn ist, haben nur wenige erkannt. Auch im Westen gab und gibt es heute unsinnige Wörter (was den meisten Leuten gar nicht auffällt). So finde ich „Supermarkt“ nicht gut, „Kaufhalle“ ist treffender. „Prämie“ ist etwas, was man erhält, aber ich muss an eine Versicherung keinen Beitrag, sondern eine Prämie zahlen; für die Versicherungsgesellschaft wird es wohl eine Prämie sein.

Schlimm ist der Begriff „Auszubildende“ (Azubi), als ob die Lehrlinge nicht aktiv sein müssen, oder wird ihnen mit Gewalt – also gegen ihren Willen – etwas eingetrichtert? Chaos besteht bei den Begriffen „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“. Der (angestellte) Arbeiter gibt seine Arbeitskraft, ist also Arbeitgeber, die Firma hingegen erteilt eine Aufgabe an eingestellte, also angenommene, Arbeiter. Verklärend sind Begriffe wie „Seniorenresidenz“ für Altersheim oder Pflegeheim. So könnte man lange fortfahren. Begriffe wurden im Osten anders verstanden als im Westen. Bei einem Partnerschaftstreffen in Ostberlin der Studentengemeinde von Jena mit Dreien aus dem Westen hatten wir einmal das Thema „Ideologie“. Wir brauchten einen Tag, um uns über die Bedeutung zu verständigen. Als Letztes: Wir haben als Studenten viel studiert; was machen Studierende? Sie müssen nebenbei Geld verdienen, um ihre Miete zahlen zu können.

Karl-Otto Eschrich, Potsdam

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