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Leserbrief zur umstrittenen Geschichte der Uni Potsdam: Mit Sorgfalt und Gerechtigkeit urteilen

Zu „Eine umstrittene Geschichte“ vom 24. FebruarAus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Universität Potsdam hat der Historiker-Professor Manfred Görtemaker die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur jüngsten Geschichte der Universität in Interviews und in einem Festvortrag dargelegt, und es erschienen Berichte in den PNN zu diesem brisanten Thema.

Zu „Eine umstrittene Geschichte“ vom 24. Februar

Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Universität Potsdam hat der Historiker-Professor Manfred Görtemaker die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur jüngsten Geschichte der Universität in Interviews und in einem Festvortrag dargelegt, und es erschienen Berichte in den PNN zu diesem brisanten Thema.

Fast alle darin dargelegten Einschätzungen können nicht ohne Widerspruch bleiben, denn sie vermitteln ein falsches, in vielen Punkten nicht sachgerechtes Bild der Phase des Umbruchs, die der Gründung der Universität voranging.

Für die Naturwissenschaftliche Fakultät gilt Folgendes: Alle Professoren, Dozenten und habilitierten wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden von berufenen unabhängigen Fachkommissionen, zu denen Wissenschaftler der alten Bundesländer gehörten, evaluiert.

Hierzu mussten die Bewerber Listen ihrer Publikationen und Vorträge, Verzeichnisse der Vorlesungen und ihre Lebensläufe einreichen. Eine Übernahme erfolgte erst nach der Bewertung der fachlichen Leistungen.

Eine Durchsicht der Protokolle der Evaluierungskommissionen sollte jetzt, leider viel zu spät, sehr schnell erfolgen, um wenigstens hier in diesem strittigen Punkt der Wahrheit näherzukommen. Auf keinen Fall trifft es allgemein zu, „dass die fachliche Eignung der übernommenen wissenschaftlichen Mitarbeiter 1991 und 1992 nicht geprüft, sondern pauschal festgestellt wurde“, wie es Herr Görtemaker in seiner Festrede der Öffentlichkeit verkündet hat. Den Mitarbeitern im damaligen Bildungsministerium, dem Gründungsrektor, den gewählten Fakultätsräten und politisch nicht belasteten neuen Direktoren der Fachbereiche der BLH und der Universität in ihrer Startphase tut man mit diesen Unterstellungen großes Unrecht an.

Ein anderes wichtiges Thema kam in den bisherigen Diskussionen fast kaum zum Tragen: die Lehre an der Hochschule/Universität in Potsdam. Tausende von Studenten und Fernstudenten erhielten über Jahrzehnte, auch lückenlos über die politische Wende hinweg, gerade in den Naturwissenschaften eine ausgezeichnete, fundierte Ausbildung in ihrem speziellen Fach.

Wie passt das mit Behauptungen Görtemakers zusammen, dass an der Hochschule „fachlich inkompetente Wissenschaftler“ gewirkt haben sollen? Ob Mathematiker, Physiker, Biologen, Chemiker, Geografen und andere: In jeder Fachrichtung arbeiteten bereits seit Gründung der BLH 1948 hervorragende, auch teils von anderen Universitäten kommende Fachwissenschaftler, die weit verbreitete Lehrmaterialien und Lehrbücher verfassten. Dabei galt der internationale Kenntnisstand als der richtige Maßstab.

Es ist sicher richtig, dass im Rahmen der Umstrukturierung in bestimmten Fachbereichen auch fachlich wenig geeignete Mitarbeiter übernommen wurden. Politisch Belastete konnten anfangs mit „durchrutschen“, wie sich leider erst später herausstellte.

Jedoch erwartet man als Naturwissenschaftler von einem prominenten Geisteswissenschaftler wie Prof. Görtemaker eine zwar kritische Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte unserer Universität, aber ebenso Sorgfalt und Gerechtigkeit in der Beurteilung der Leistungen früherer Generationen von Hochschullehrern und -angestellten.

Es ist gut, aber reichlich spät, nun die öffentliche Diskussion wiederzubeleben. Ob die jetzt dazu vorliegende, von den Gremien der Universität offensichtlich weitgehend anerkannte geschichtliche Darstellung eine Widerspiegelung der Realität ist, bleibt sehr umstritten.

Dr. habil. Reinhard Tiebel, Privatdozent (ehemals Institut für Physik, Universität Potsdam)

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