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Lesermeinung: Geheimnisse

Zu „Pressefreiheit“ vom 4. AugustEs reicht.

Zu „Pressefreiheit“ vom 4. August

Es reicht. In dieser Woche forderten verschiedene Journalisten den Rücktritt des Verfassungschutzpräsidenten, weil dieser eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hatte. Ein Journalist forderte sogar, seinen Berufstand grundsätzlich von der Strafbewehrung des Landesverrats auszunehmen. Für wen halten sich diese Medienvertreter, die offenbar glauben, das Recht gelte für manche Bürger mehr, für andere weniger? Das wäre, als wenn Soldaten fordern würden, die Regeln des Völkerrechts in bewaffneten Konflikten dürften für sie im Auslandseinsatz nicht gelten. Oder wenn der Fleischer verlangen würde, er müsste unbedingt von den Lebensmittelvorschriften ausgenommen werden. Es gehört zu den Grundlagen eines funktionierenden Staates, dass er Geheimnisse hat. Auch in Partnerschaften, Firmen, Vereinen und sicherlich auch in Zeitungsredaktionen gibt es Geheimnisse. Die Jagdleidenschaft der Journalisten, staatliche Geheimnisse aufzudecken, ist menschlich und kommerziell verständlich; genauso legitim ist es aber auch, wenn staatliche Behörden ihre kleinen und großen Geheimnisse schützen. Die Forderung der Whistleblower-Gemeinde nach dem vollkommen gläsernen Staat ohne Geheimnisse ist weltfremd und naiv. Würde sie für Deutschland umgesetzt, würden der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik viele Erfolge verbaut, und deutsche Firmen würden massenhaft internationale Ausschreibungen gegen die globale Konkurrenz verlieren. Wollen wir das wirklich? Wenn sich „investigative“ Journalisten eingestufte staatliche Dokumente beschaffen und diese im Internet veröffentlichen, schwächen sie die Behörde, die dieses Dokument erstellt hat. Damit schwächen sie unseren Staat, auf den wir alle stolz sein sollten. Sicherlich ist die Pressefreiheit ein hohes Gut mit Verfassungsrang. Doch sie muss in jedem Einzelfall abgewogen werden gegen den Schaden, den eine Veröffentlichung von staatlichen Verschlusssachen nach sich ziehen würde. Geheimnisverrat ist kein Kavaliersdelikt.

Christoph Karich, Potsdam

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