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Ein Bus wird kommen. Aber in Babelsberg-Nord nur alle 40 Minuten.

© A. Klaer

Lesermeinung: Fußmarsch statt Bus

„Fahrplan: ViP gerät weiter unter Druck“vom 15.1.

„Fahrplan: ViP gerät weiter unter Druck“vom 15.1.2015 und „Kritik an neuer Buslinie wächst“ vom 6.1.2015

Die bisherige Anbindung des Wohngebietes Babelsberg-Nord durch den Bus 694 war optimal. Auch der Rufbus garantierte ein gutes und gefahrloses Nachhausekommen selbst zur Nachtstunde nach Ankunft mit S-Bahn, Tram oder anderem Bus. Die Änderung der Buslinienführung und des Zeittaktes haben in meinem Wohngebiet zu Empörung und Bestürzung geführt. Wir sind nun wohl das einzige Wohngebiet Potsdams ohne direkten Anschluss durch den ÖPNV zum Hauptbahnhof. Hier in Babelsberg-Nord wohnen viele ältere Bürger. Umsteigen, um zu Ausgangspunkten einer Reise zu kommen, oder in die Potsdamer Einkaufszentren zu gelangen, ist vor allem mit Gepäck mehr als beschwerlich. Darüber hinaus reichen die geplanten Umsteigzeiten in keiner Weise, was ich inzwischen mehrfach selbst erlebt habe. Warten auf den nächsten Bus ist bei einem Takt von 40 Minuten auch nicht möglich – also Fußmarsch, egal bei welchem Wetter oder körperlicher Verfassung des Bürgers. Die Lebensqualität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird für die Bürger und Bürgerinnen im Wohngebiet Babelsberg-Nord durch die neue Verkehrsführung erheblich beeinträchtigt. Ich fordere den Verkehrsbetrieb auf, wieder für eine angemessene Anbindung des Wohngebietes Babelsberg-Nord zu sorgen.

Dr. Gudrun Fischer, Potsdam

Folgende Argumente für eine Wiederaufnahme des 20-Minuten-Taktes der Buslinie 616, vormals 694, haben wir zusammengetragen:

- Die Griebnitzsee-Grundschule und Bruno-H.-Bürgel-Grundschule sind sogenannte wohnortnahe Grundschulen. Die Kinder müssen den Bus um 7.05 Uhr zur Bürgel-Schule nehmen, da sie mit dem Bus um 7.45 Uhr zu spät kommen. Sie laufen 20 Minuten zur Bushaltestelle, müssen daher um 6.45 Uhr zu Hause los, sind dann um 7.10 Uhr an der Schule. Die Schule öffnet allerdings erst um 7.40 Uhr. Auf Empfehlung des ViP sollen die Schüler den Bus 616 in die andere Richtung nehmen und bis zum Goetheplatz fahren. Die Kinder laufen also 20 Minuten zum Bus und dann noch einmal 10 bis 15 Minuten zur Schule – und die Ranzen der Grundschüler sind trotz Blockunterricht manchmal mehrere Kilogramm schwer. Die Nutzung der unterschiedlichen Fahrtrichtungen funktioniert auf dem Hinweg, die Grundschüler sind allerdings überfordert, wenn nachmittags zu unterschiedlichen Zeiten Schulschluss ist, da die Kinder dann die unterschiedlichen Fahrzeiten in geraden und ungeraden Stunden sowie die Nutzung unterschiedlicher Haltestellen überblicken müssen.

- Es existiert kein sicherer Fahrrad- und Fußweg nach Babelsberg-Nord, unter anderem zu den oben genannten Schulen. Zu Fuß dauert es ungefähr 30 bis 40 Minuten nach Babelsberg. Ein durchgehender Fußweg existiert nicht. Kürzlich wurde am Park Babelsberg entlang der Allee nach Glienicke ein Weg mit Rasengittersteinen nicht als Fußweg, sondern als Abflussgraben angelegt, der nur mit dafür geeignetem Schuhwerk begehbar ist – die Stadt interessiert es also weiterhin nicht, ob wir selbst oder unsere Kinder an dieser stark befahrenen Straße zu Fuß gehen oder zwischen den Autos mit dem Rad fahren. In Klein Glienicke sind zudem die Bedingungen für Radfahrer sehr schlecht.

- Bei der Schulwahl spielt die Erreichbarkeit der Schule eine wesentliche Rolle. Viele Familien haben sich für Schulen entschieden, die bisher einigermaßen mit dem Bus erreicht werden konnten (Leibniz-Gymnasium, Neue Grundschule), dies ist vielen Kindern jetzt nicht mehr ohne Weiteres möglich. - Genauso wie den Schulkindern ist es auch Berufstätigen, die in Babelsberg arbeiten oder dort ihren Anschluss an S-Bahn, Bus, Tram erhalten, nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich, das zu tun.

- Die Bevölkerung in Klein Glienicke wächst jedoch, statt 300 sind es jetzt 600 Einwohner. Die meisten der zugezogenen Anwohner haben sich bewusst für einen Wohnort innerhalb Potsdams entschieden, dazu zählte auch die Anbindung an den ÖPNV.

- An den Wochenenden existiert die Anbindung an den ÖPNV nun nur noch im 60-Minuten-Takt. Daraus folgt, dass entweder weniger Besucher des Babelsberger Schlosses und der Parkanlagen kommen werden – das führt zu geringeren Einnahmen, wenn das Schloss wieder eröffnet wird, oder sich das Privat-Pkw-Verkehrsaufkommen weiter verdichten wird. Schon jetzt ist Klein Glienicke an den Wochenenden ein riesengroßer Parkplatz.

- Weitere Anwohner, die die genannte Buslinie benutzen, sind die Bewohner der Studentenwohnheime und Mitarbeiter und Gäste des Astrophysikalischen Instituts Potsdam, ein wichtiger Arbeitgeber in Potsdam mit Renommee über die Stadtgrenzen hinaus. Die Stadt macht gerade eine große Umfrage zum Thema Wissenschaftsstandort Potsdam und gleichzeitig koppelt sie Standorte weitgehend vom ÖPNV ab. Außerdem betroffen sind Mitarbeiter und Gäste des Landesinstitutes für Lehrerbildung in der Karl-Marx-Straße, Bewohner der Wohnstätte am Babelsberger Park und Anwohner der Behringstraße und Umgebung.

Wenn Potsdam wächst, kann eine Umverteilung der Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr keine Lösung sein. Nicht jede Familie hat zwei oder mehr Autos, dies sollte auch nicht der Trend für die Zukunft sein. Leider machen sich immer mehr Stimmen unter den Anwohnern für eine Eingemeindung nach Berlin stark. Daher möchten wir, dass auch die Anliegen der Bewohner von Klein Glienicke bei der Entscheidung über eine verbesserte Anbindung von Nord-Babelsberg an den ÖPNV Anhörung finden.

Dr. Robert Ondrak und Dr. Susann Kreitlow-Hentschel für den Bürgerverein Klein Glienicke

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