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Lesermeinung: „Emotionale Qualitäten“

Zu „Oft fehlt das richtige Maß“ vom 28. FebruarEs ist immer wieder ein Ärgernis, wie in Deutschland mit dem Thema der Rekonstruktion von Architektur umgegangen wird.

Zu „Oft fehlt das richtige Maß“ vom 28. Februar

Es ist immer wieder ein Ärgernis, wie in Deutschland mit dem Thema der Rekonstruktion von Architektur umgegangen wird. In Potsdam geht es mit der Rekonstruktion des Stadtschlosses und seiner umliegenden Bebauung um die Wiederherstellung eines Stadtraums, der in seiner Geschlossenheit und Schönheit bis zum Bombardement seinesgleichen suchte. Welche zeitgenössische Architektur ist denkbar, dieser grandiosen Wirkung auch nur nahe zu kommen?

Die Rekonstruktionsbemühungen in deutschen Städten sind angesichts der extremen Kriegszerstörungen bis heute keine Mode, sondern beinahe marginal, aber man lasse die Ergebnisse für sich sprechen. Nicht zu reden von der Dresdner Frauenkirche oder dem Wiederaufbau des Marktplatzes der völlig zerstörten Altstadt von Hildesheim, gegen den seinerzeit ebenfalls lauthals polemisiert wurde. Er ist heute nicht mehr wegzudenken und hat der Stadt inmitten banalster Nachkriegsbebauung ein Stückchen Seele wiedergegeben. Und was lässt sich dagegen ernsthaft sagen, wenn in Frankfurt am Main anstelle eines monströsen Verwaltungsbaus aus den 70ern ein kleines Altstadtviertel wieder erlebbar gemacht wird?

Der in Deutschland zu beobachtende Rigorismus von Architekten und Konservatoren in dieser Frage, vom Ausland milde belächelt, unterschlägt, dass es neben der reinen Lehre im Städtebau auch und gerade um emotionale Qualitäten geht oder – spricht man von Stadtorganismen – auch um Heilungsprozesse.

Insofern kann man nur hoffen, dass die Rekonstruktion des Panoramas von Potsdam in den inzwischen stadttypischen ideologischen Grabenkämpfen zu einem guten Ende geführt wird – inklusive des barocken Turms der Garnisonkirche. Er ist, wenn er mit Akribie rekonstruiert wird, eben nicht „barockartig“. Was eine zeitgenössische „Höhendominante“ bedeutet, lässt sich ja gleich um die Ecke am Turm der ehemaligen Heilig-Geist- Kirche besichtigen.

Peter Weber, Rinteln (Niedersachsen)

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