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Lesermeinung: Diskussion über die Garnisonkirche

„Unterschriften für Garnisonkirche“ vom 11.9.

„Unterschriften für Garnisonkirche“ vom 11.9. 2014

Die Aussagekraft der Unterzeichnerliste der Stiftung Garnisonskirche kann ruhig auch von Ihrer Zeitung infrage gestellt werden. Es ist sicher wenigstens eine Erwähnung wert, dass die derzeitigen rund 1600 Unterzeichner pro Garnisonskirche in der ganzen Welt wohnen und abgefragt werden. So gibt es Eintragungen aus New York und Südafrika, einige wohnen auch nirgendwo. Es muss einfach eine Mailanschrift vorhanden sein. Und wie einfach die zu bekommen ist, wissen wir alle. Auf diese Weise kann Jim Knopf aus Lummerland unterzeichnen. Die über 14 000 Unterschriften der Gegner stammen dagegen von in Potsdam wohnenden Menschen, was verifiziert wurde!Stefan Proske, Berlin

„Die Sixtinische Madonna und das Kinderbett“ vom 9.9. 2014

Ich habe eine ganz besondere Beziehung zur Garnisonkirche. Ich war mit meinem Vater im Sommer 1944 in Potsdam und er hat mir, dem damals siebenjährigen Jungen, anhand des Geläutes der Garnisonkirche „Üb immer Treu’ und Redlichkeit“ die Tugenden erläutert, derer sich ein Mensch immer bewusst sein sollte. Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, mich daran zu halten. Mich hat dieses Erlebnis besonders geprägt, weil es eine der letzten Erinnerungen ist, die ich an meinen Vater habe. Er wurde noch am 20. April 1945 zum Volkssturm eingezogen und war am 25. April tot. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass ich für den Wiederaufbau zumindest des Turmes bin und gegen dessen Ablehnung, die in meinen Augen eine nachträgliche Sanktionierung der Abrisswut des SED-Regimes wäre.

Dipl.-Ing. Joachim Beier, Potsdam

„Neue Initiative gegen Garnisonkirche“ vom 27.8.2014 über die Aktion „Christen brauchen keine Garnisonkirche“.

Es ist erschreckend, wie naiv sich einige Christen geben, wenn sie der Potsdamer Garnisonkirche vorwerfen, dass man sich in ihr „von Obrigkeit und Militär in Dienst nehmen ließ, Demokratie verachtete und auf politische Weisung Krieg predigte“. Ich dachte bisher, dafür seien allein die handelnden Menschen und nicht ein Kirchenbau aus Mauerwerk verantwortlich! Und wie steht es mit der Behauptung Schorlemmers, an der Garnisonkirche klebe „die braune Asche Hitlers“? Für den Missbrauch am „Tag von Potsdam“ kann wohl kaum das Gebäude verantwortlich sein. Nazitreue Predigten wurden in der Potsdamer Friedens- und Nikolaikirche gehalten – ganz schlimme übrigens auch im „Dom der Deutschen Christen“, der Frauenkirche Dresden. Wenn überhaupt, klebt dort „braune Asche“! Im Gegensatz dazu beschwerte sich der Potsdamer Superintendent und NSDAP-Parteigenosse Martin Thom mehrmals beim Evangelischen Oberkirchenrat über die politische Unzuverlässigkeit der Militärpfarrer, die nicht der Partei angehörten!

Leider trifft es zu (Gott sei es geklagt!), dass die überwiegende Mehrheit der evangelischen Pfarrer in Preußen und ganz Deutschland vor 1945 obrigkeitshörig und demokratiefeindlich war. Dass „Krieg gepredigt“ worden sei, ist dagegen eine unbewiesene Behauptung. Die Soldaten sind für ihren Dienst am Vaterland gesegnet worden und man hat sie dem Schutz Gottes anbefohlen. Übrigens tun die Geistlichen dies heute noch!

Das Nutzungskonzept für die wiederaufzubauende Garnisonkirche zielt darauf ab, dass Christen Fehler der Vergangenheit erkennen und ihr Gewissen für verantwortliches gesellschaftliches Handeln schärfen. Die große Aufmerksamkeit und die verbissene Diskussion beweisen, dass kein anderer Ort in Deutschland hierfür geeigneter ist als die Garnisonkirche. Damit liefern die Gegner selbst das stärkste Argument für ihren Wiederaufbau!

Andreas Kitschke, Potsdam

Es wird viel über die Symbolik der Garnisonkirche geschrieben. Betrachten wir die Symbole, die an der historischen Fassade der Garnisonkirche zu finden waren, sehen wir Trophäen, Sinnbilder für siegreiche Kriegshandlungen, nicht ein einziges christliches Symbol.

Einer Versöhnungskirche steht das meiner Meinung nach schlecht zu Gesicht. Wie könnten Bilder des kriegerischen Triumphs – zumal neu errichtet – das Äußere einer Versöhnungsstätte zieren? Christliche Inhalte lassen sich beim besten Willen nicht glaubwürdig hineininterpretieren, der Wunsch nach Versöhnung kann so nicht sichtbar werden.

Wegen der eindeutigen Botschaft, die Kriegstrophäen bildhaft aussenden, würde auch eine Umbenennung des Neubaus nicht ausreichen. Selbst wenn im Innern gute Arbeit zu Frieden und Versöhnung geleistet würde, bliebe stets ein Unbehagen bestehen.

Nun ist ein Neubau der Garnisonkirche ja kein Projekt des Denkmalschutzes, daher bietet sich ein Kompromiss an: Warum nicht eine Versöhnungskirche oder nur den Turm in der alten Form wiedererrichten, aber neue, dem neuen Inhalt angepasste Symbole als Schmuckelemente anbringen?

Es könnte ein Wettbewerb unter Künstlern stattfinden: die barocke Formensprache und Proportionen beibehalten, aber die Symbolik verändern, Skulpturen schaffen, die von Versöhnung und Frieden handeln.

Erst dann würden die Befürworter in meinen Augen wirklich glaubwürdig sein in ihrem Wunsch, die Schönheit der zerstörten Kirche wiederherstellen zu wollen und gleichzeitig ein Zentrum der Versöhnung zu schaffen.

Überflüssig wäre dann die Häme, mit der die Befürworter die Gegner des Projekts immer wieder überschütten, überflüssig wäre dann der Vorwurf, ein Symbol des Militarismus vergangener Zeit wiederauferstehen zu lassen.

Schwerter zu Pflugscharen war nicht der schlechteste Vorschlag, den Christen machen können. Worthülsen der Versöhnung vor eindeutig gegenteiliger Formensprache in Stein machen den christlichen Versöhnungsgedanken nicht wirklich glaubwürdiger.

Steven O'Fearna, Potsdam

Fördert es eine sinnvolle Entscheidung über den Wiederaufbau der Garnisonkirche, wenn Freunde und Gegner des Aufbaus DDR-Geschichtsbücher nutzen? Es geht doch einzig und allein darum, ob die in der SED-DDR verfügte Zerstörung der Kirche an der Breiten Straße, in der eine evangelische Gemeinde arbeitete, rückgängig gemacht wird. Die SED demonstrierte im Sommer 1968, 23 Jahre nach Kriegsende, durch den Abriss ihre Macht gegen eigenständiges Leben ihrer Bürger. Die Proteste vieler Potsdamer um die Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke gegen die Zerstörung beeindruckten die SED-Prominenz nicht.

Abgerissen wurde die Garnisonkirche, um die Macht der SED-DDR zu zeigen. Der Abriss war ein Gesprächsverbot. Denn nach dem Abriss forderte kein Kirchenhaus auf, über dessen verbrecherische Nutzung der Garnisonkirche durch die Nazis nachzudenken. Gezielt verhinderte DDR-Vergangenheitspolitik so Gespräche darüber, wie ein solcher Missbrauch künftig vermieden werden könne, weil sie sich gegen das SED-Regime hätten wenden können.

Das „Dritte Reich“ stellte wie alle totalitären Regime Gebäude in seine Dienste. Wie gehen Nachfolger damit um? Die Nazis errichteten Gebäude wie 1936 das Olympiastadion in Berlin. Lädt das Stadion heute Sportler und Besucher ein, den Missbrauch des Stadions als nationalsozialistische Feierstätte fortzusetzen? Gebäude, ob schöne oder hässliche, sind Opfer des Missbrauchs, für den Menschen verantwortlich sind.

Durch den von Potsdamer Bürgern erwirkten Aufbau des Schlosses als historischen Teil der Stadt ist Potsdam ein Vorbild. Vorbildhaft wird sein, wenn sich Potsdam nicht mehr dem SED-Gesprächsverbot beugt. Die Reparatur des Stadtbildes durch die Garnisonkirche mit der Einladung von Besuchern aus In- und Ausland, in ihrer Nagelkreuzgemeinde ein kritisches Gespräch über den verbrecherischen Umgang nicht nur mit diesem schönen Bauwerk zu führen, ist 75 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen vorbildlich.

Andreas Meier, Berlin

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