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Lesermeinung: Bittere Ironie

Zu „VEB Elfenbeinturm“ vom 30. JanuarNun war es nicht so, dass DDR-Schriftsteller daheim kein Heim gehabt hätten.

Zu „VEB Elfenbeinturm“ vom 30. Januar

Nun war es nicht so, dass DDR-Schriftsteller daheim kein Heim gehabt hätten. Trotzdem schienen auch diese Geist-Kolosse alias „Ingenieure der Seele“ mal Erholung, Kontakte, Impulse, vielleicht sogar „Führung“ im Sinn der offiziellen Kulturpolitik zu brauchen, die, nach Heiner Müller bis heute, „Verhinderung von Kultur“ ist. (Zitat aus dem PNN-Artikel)

Das ist offensichtlich witzgewollt geschrieben. Es versucht in zwei Sätzen, den offenbar lediglich als „Insassen“ angesehenen Gästen des „Schriftstellerheimes Friedrich Wolf Petzow“ gerecht zu werden; berichtend über eine Ausstellung und ein Buch zum Thema. Hübsch, wenn man locker formulieren darf mitten in den oft allzu trockenen Zeilensalaten unserer Printmedien. Doch wenn es nun nach hinten losgeht?

Hinten ist in diesem Fall das „Stalinistische“ an sich. Und zwar ganz weit hinten im Dunkelgrau des Wähnens vom Schlimmen. „Geist-Kolosse“ geht offenbar auf angemaßte literarische Größe. Na ja, jeder hat seine Favoriten. „Ingenieure der menschliche Seele“ wünschte sich Stalin höchstselbst die Autoren. Ein bereits seit seinem Todesjahr 1953 auf dem Müll der Literaturgeschichte gelandeter Terminus. „Führung“ soll wohl nach Führungsoffizier klingen. Oder wer hat hier wen geführt?

Heiner Müller ist wohlfeil zu zitieren, wo es passt. Doch da in Petzow in Ausstellung und Buch sicht- und lesbar Kulturpolitik viel und recht gediegene Kultur ermöglicht wurde (die Liste der hier entstandenen Literatur ist in der Ausstellung nachlesbar), prallt der Giftpfeil leider ab – und kehrt zum Verfasser zur anderweitig nutzbaren Verwendung zurück.

Ja, und bei dem zitierten Satz sollte es nun bleiben. Literaturkritik? Objektive Berichterstattung? Wo seid ihr geblieben? Zu der Ausstellung werden statt der zwei namentlich auftretenden Macherinnen „vier Einrichtungen“ genannt, die „diese unerforschte Zeit durchleuchtet“ haben sollen. Zu dem dort vorgestellten Buch wird ein falscher Verlag angegeben. Reporter guckt einen Moment rein, und weiß Bescheid – Zitat aus dem Artikel: „Zeitgleich, doch völlig unabhängig von dieser Ausstellung, haben andere Protagonisten diese Zeit aus Sicht der ein Heim suchenden Autoren zusammengestellt.“

Dieses edle Deutsch genügt zur Kennzeichnung eines Buches, aus dem eine der drei Herausgeberinnen auf der besprochenen Veranstaltung einen schönen Text von Christa Kozik anstelle der erkrankten Autorin vorgetragen hat.

In einer Zeit, in der das unsägliche Naziwort von der „Lügenpresse“ die Runde macht, sollte man mit der Wahrheit etwas sorgsamer umgehen. Das meint mit einer gewiss bitteren, leicht nach vorn weisenden Ironie jedenfalls Harald Kretzschmar. Übrigens der vierte Mitherausgeber von „Petzow – Villa der Worte“, dem Buch.

Harald Kretschmar, Kleinmachnow

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