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Lesermeinung: Baustart für den Turm der Garnisonkirche

Zu „Jetzt kann der Wiederaufbau beginnen“ von Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe vom 28. OktoberDer Turm der Garnisonkirche soll in alter Pracht originalgetreu wieder hergestellt werden.

Zu „Jetzt kann der Wiederaufbau beginnen“ von Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe vom 28. Oktober

Der Turm der Garnisonkirche soll in alter Pracht originalgetreu wieder hergestellt werden. Hier liegt der entscheidende Fehler. Der Bruch mit der unheilvollen Geschichte wird nicht sichtbar. Dabei wäre es möglich gewesen, den Turm in den alten Abmessungen als Skelett aufzubauen. Es gibt einen für mich überzeugenden Architektenentwurf dazu, der aber umgehend von der Fördergesellschaft zurückgewiesen wurde. Eine vertane Chance. Die Stadt hätte ihren Turm wiederbekommen, aber erkennbar nicht die alte Kirche. Das macht die Diskussion mit den Befürwortern so schwer: Sie wollen die alte Kirche (mit „Feldaltar“!) und merken nicht, dass sie damit den alten Geist nicht wirklich vertreiben können, auch wenn an dem Ort in guter Absicht Versöhnungsarbeit geleistet wird. Woran, wenn nicht an die alte, unheilvolle Zeit wird der neue alte Turm erinnern?

Hans-Jürgen Schulze-Eggert, Potsdam

Die Argumentation von Manfred Stolpe spielt den Ball in die richtige Richtung. Zum einen muss man bei einem Ereignis wie dem „Tag von Potsdam“ trotz der damaligen Propaganda differenzieren, da zum Beispiel Hitler und Goebbels am Morgen dem auftaktbildenden Gottesdienst fernblieben, um stattdessen lieber Kränze an den Gräbern von SA-Männern niederzulegen, worin auch keine geringe politische Botschaft liegt. Zum anderen eignet sich in der Tat kaum ein anderer Ort auf Grund seiner Widersprüchlichkeit und historischen „Kontamination“ besser, um gerade dort vor allem die schwierigsten Kapitel und Brüche der deutschen Geschichte auf einer möglichst tiefen, wissenschaftlichen Ebene aufzuarbeiten und die Ergebnisse dann der Gesellschaft zur Diskussion zu stellen. Deshalb verdient die Vision in jedem Fall Respekt, zumal eine vornehmlich ideologisch geleitete Person wie Walter Ulbricht nicht das letzte Wort beim Stadtbild von Potsdam haben sollte!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

Für Ihren umfassenden Artikel in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ möchte ich ihnen sehr herzlich danken. Umso mehr, als ich mich vorher über den Text „Der Turmbau zu Potsdam“ aufregte. Ich finde ihn einseitig, weil gegen die Versöhnungsabsicht gerichtet: „(Die) einzige Kirche des „Dritten Reiches“, in der Hitler eine Ansprache hielt.“ Aber eben eine von vielen Kirche in der DDR, die Ulbricht wegsprengen ließ! Der Autor, Professor für neue Geschichte, ignoriert (absichtlich) jene Restgemeinde, die im Turmgewölbe den letzten Gottesdienst abhielt, den Ulbricht’schen Enteignungsbescheid in Hand, ignoriert den Stadtarchitekten, der seinerzeit Parteiführer Ulbricht auf die Lücke in der Potsdamer Stadtsilhouette aufmerksam machte, worauf dieser entgegnete: Nu, dann schaffen sie sich eine neue Silhouette! Sie war als Militärkirche auch die Kirche Henning von Tresckows und von Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg.

Joachim Dresdner, Berlin

Zu „Gebet und Protest“ zum Baustart für den Garnisonkirchenturm vom 30. Oktober

Am Sonntag habe ich an dem Gottesdienst im Freien vor der Nagelkreuzkapelle teilgenommen. Es war eine große Gemeinde von Gottesdienstbesuchern, die mit Dank, dass es endlich zum Baustart kommen soll, sich zusammengefunden hatte. Leider wurde der Gottesdienst durch unflätiges Geschrei von Demonstranten so gestört, dass von einer angemessen Veranstaltung nicht die Rede sein konnte. Man hörte Worte wie „Nazischlampe“, „Heuchler“, „Hör auf!“, die an die Pfarrer gerichtet waren. Auf die Bitten um Ruhe für den Gottesdienst und Angebote zu späteren Gesprächen wurde nur mit Hohngelächter geantwortet. Aus dem auf dem Boden der Garnisonkirche stehenden Rechenzentrum wurde ein Plakat mit der Aufschrift „Preussenscheisse“ entrollt und von am Fenster stehenden Bewohnern mit Trillerpfeifen gestört. Dann wurden Zettel aus den Fenstern auf die Gemeinde geworfen. Trotz aller Störungen wurde der Gottesdienst mit Gebeten und Gesang würdig beendet. Im Anschluss bemühte ich mich um ein Gespräch mit Demonstranten. Dabei fiel mir auf, dass sie von der deutschen Geschichte wenig wissen und auch noch nicht verstanden haben, wie eine Demokratie funktioniert. Ich kann mich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass sich hier Menschen zum Geschrei zusammentun, die etwas ausleben, wofür sie in der ehemaligen DDR sofort ins Gefängnis gebracht wären. Es kann nicht sein, dass die ruhigen Bürger sich das länger bieten lassen. Mir kam bei der ganzen Veranstaltung der Gedanke, dass es 1933 so ähnlich begonnen hat – mit den ruhigen Bürgern und den lauten Nazis. Da kann ich nach den gemachten Erfahrungen nur auffordern: „Wehret den Anfängen!“

Sophia Wolf, Potsdam

Für Christen sind vier Worte der Bibel zum Thema Militär eindeutig genug: „Du sollst nicht morden!“ Militärseelsorge ist damit Gotteslästerung! Als Politoffiziere während meines NVA-Zwangsdienstes über eine solche Einrichtung der Bundeswehr sprachen, hielt ich das für rote Propaganda. Kaum war ich wieder frei, belehrten mich Westmedien eines Schlechteren: Gerade war es 25 Jahre her, dass die damals noch gesamtdeutsche Synode der Evangelischen Kirche den Militärstaatsvertrag mit Adenauer und seinen gewendeten Altnazis abgesegnet hatte – mit Zustimmung auch von DDR-Geistlichen! Wegen dieser Heuchler hatten also junge Christen Anfeindungen bis hin zu beruflicher Benachteiligung zu ertragen! Postwendend trat ich aus dieser Kirche aus. Wenn nicht damals, so wäre das auf alle Fälle jetzt erfolgt.

Heinz-Herwig Mascher, Potsdam

Abgesehen davon, dass die Störung der Religionsausübung in Deutschland strafbar ist, lehrt der akustische Terror, mit dem die Wiederaufbaugegner den gesamten Gottesdienst unter freiem Himmel am 29. Oktober „untermalten“ nur eins: Es geht nicht um die Sache, sondern um Randale! Auf Bitten der Veranstalter griff die Polizei nicht ein, obgleich das Hausrecht grob verletzt und die freie Religionsausübung behindert wurde. Wer sich hier ins Unrecht setzte, wurde dadurch überdeutlich.

Die Initiatoren bauen keine Nazi-Kirche auf, sondern einen Ort, der für Versöhnung stehen wird. Die Anhänger Max Klaars haben sich längst aus dem Projekt zurückgezogen, weil ihnen diese inhaltliche Ausrichtung nicht passt. Weit und breit waren weder die von den linken Gegnern herbeigeredeten Neonazis, noch AfD- oder Pegida-Anhänger zu sehen!

In einer Teilnehmerin weckte diese Unkultur Erinnerungen an eine große Kundgebung der christlichen Jugendgruppen der Kurmark im Lustgarten, die ihr Vater als Antwort auf den „Tag von Potsdam“ im April 1933 als evangelischer Vikar organisiert hatte. Dieser wurde von HJ-Horden durch Zwischenrufe massiv gestört. Es ist erschreckend, dass sich erklärte Nazi-Gegner auf deren Niveau begeben. Dass einer Pfarrerin, während sie ein Gebet spricht, lauthals entgegengerufen wird: „Halt die Schnauze, du Nazischlampe!“, habe ich als Angehöriger der unbeliebten christlichen Minderheit selbst in 40 Jahren SED-Diktatur nicht zu hören bekommen. Keiner der Initiatoren tat irgend etwas, um diese Störungen einzudämmen, im Gegenteil, sie heizten sie an. Vor solchen „Demokraten“ oder „Anderen“ bewahre uns Gott! Viele der Aufbaugegner entblödeten sich übrigens nicht, anschließend Freibier und kostenlose Suppe zu beanspruchen und erklärten den verdutzten Verteilenden, sie seien nicht tolerant, wenn sie sie ausschlössen. Wie Leute, die zuvor anhaltend „Ich muss kotzen!“ skandierten, nun auf einmal Appetit auf die Suppe der „Gegner“ haben, erschließt sich mir nicht. Der Ruf „Heuchler!“ der auch immer wieder erscholl, fällt auf die Initiatoren des Protests zurück.

Andreas Kitschke, Potsdam

Ja, die Kirche wurde im März 1933 ohne Wenn und Aber missbraucht. Wie viele Bauten wurden ebenfalls von den Nazis missbraucht und trotzdem wieder restauriert bzw. aufgebaut? Ein Gebäude kann sich nicht wehren. Ich stimme Ihnen zu, dass man den Neubau des Glockenturms mit vielen Inhalten füllen muss. Auch eine entsprechende Unterkunft für die Künstler, die im ehemaligen Rechenzentrum eine Bleibe gefunden haben. Jedoch kann man getrost auf das Rechenzentrum verzichten und vielleicht die alte Plantage in Teilen wiederentstehen lassen. Als „Grüne Lunge“ für die Potsdamer. Aufgewachsen (ab 1959) in Potsdam ist mir das alte Stadtbild noch sehr gut vertraut.

Die Sprengungen der Ruinen des Stadtschlosses, der Garnisonkirche und der Heiligengeistkirche sind aus meiner Sicht ein Frevel aus der kommunistischen Herrschaftskultur. Weder die Fachhochschule am Alten Markt noch das damalige Interhotel sowie das Rechenzentrum sind echte bauarchitektonische Highlights aus dieser Zeit. Günter Jauch hat schon recht mit seiner Bemerkung: Sozialistische Notdurftarchitektur.

Was ich nicht tolerieren möchte, ist die Art des lautstarken Protests von vielleicht 75 Leuten, deren Motivation man nicht wirklich kennt. Bei den vor Jahren durchgeführten Unterschriftsammlungen gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche habe ich immer wieder persönlich gemerkt, dass es in der Regel gar keine Potsdamer waren, die die Unterschriften gesammelt haben, sondern frisch Zugezogene bzw. Studenten auf Durchreise. Ich erwarte von den Demonstranten, dass sie die bekannte Willensbildung und Mehrheitsentscheidung irgendwann respektieren lernen. Nur weil man gegen etwas ist, hat man nicht automatisch recht. Ich freue mich auf den Neubau und hoffe darauf, dass Potsdam weiterhin schöner wird.

Michael Winkelmann, Potsdam

Als Besucher des Baustartgottesdienstes möchte ich meine Empörung zum Ausdruck bringen. Empörung gegenüber den so genannten Kritikern, die sich unter die Gäste mischten. Nicht nur, dass diese sich in primitiver und unflätiger Art und Weise verbal betätigten. Nein, sie entlarvten sich auch als Pöbler ohne Respekt vor Religion und menschlichen Anstand. Jegliche Bemühungen der Besucher, friedlich zu bleiben, wurden mit Häme ignoriert. Es war wieder dieselbe Klientel, die schon gegen Stadtschloss und andere Projekte der Wiederherstellung der historischen Potsdamer Mitte gemotzt hat. Ältere Bürger dieser Stadt mussten sich beleidigen und demütigen lassen von diesem Mob. Ich möchte hoffen, dass diese intoleranten Schreihälse nie die Mehrheit in dieser Stadt und unserem Land gewinnen mögen. Denn dann gnade uns Gott.

Rainer Kruse, Potsdam

Meine Vorfahrin war Catharina Elisabeth Gerlach, eine Schwester vom Philipp Gerlach, damaliger Architekt. Ich freue mich, dass dieser Turm wieder aufgebaut wird. Gegen Dresdens Frauenkirche gab es genau solche Gegner, die auch vorhersagten, dass man die Kirche nicht braucht, weil es nicht mehr eine Gemeinde gibt. Falsch. Wer sich heute nicht über diese Kirche freut, muss wirklich komisch sein.

In Leipzig wollte man keine Universitätskirche wieder haben, nur ein holländisches, grünes Glashaus. In 100 Jahren werden wir sehen, welche Entscheidung die Historiker für richtig halten. Ich glaube, die Dresdner haben richtig entschieden; ich glaube, die Stinkbomben reflektieren genau, mit welcher Art von Person man es zu tun hat.

Roderick Hinkel, Dahlen (Sachsen)

Zum Kommentar „Potsdams Friedensturm“ vom 30. Oktober

Glauben Sie ernsthaft, dass dieser Turm, der ja auch für das Ignorieren des Willens großer Teile der Stadtgesellschaft stehen wird, Versöhnung bringen kann? Es ist eine Gemeinsamkeit des Abrisses der Garnisonkirche und des Baus der Kopie der Garnisonkirche, dass der Wille großer Teile der Potsdamer Stadtgesellschaft dabei ignoriert wurde bzw. wird. Und wie Frau Rugenstein schon sagte, Symbole haben die innere Eigenschaft, sich zu verselbstständigen. Die wiedererstarkten nationalkonservativen Kräfte werden das Gebäude für sich nutzen, egal was der Bauherr möchte. Nur ein wirklich glaubhaftes Konzept und äußerlich sichtbare Zeichen könnten daran etwas ändern. Das ist aber weder mit der Fördergesellschaft noch der Garnisonkirchenstiftung zu erwarten. Deshalb plädiere ich dafür, die Wehrmachtausstellung in den Langen Stall zu bringen.

Rüdiger Seyffer, Potsdam

Ich habe mit großem Interesse und Freude Ihren so außerordentlich differenzierten Beitrag zum Wiederaufbau des „Friedensturms“ gelesen, dieser so inhaltsvolle und in sich stimmige Bericht bleibt einem als Leser „hängen“, man denkt nach, man liest es immer wieder, es beschäftigt einen, man reflektiert darüber, wenn man Ihre Worte liest. Ich persönlich sehe noch rein emotionell einen Aspekt: Wenn der Turm wiedererstanden und die Silhouette Potsdams wieder authentischer und schöner sein wird, bin ich zutiefst überzeugt, dass wir alle uns innig freuen werden – allein am Anblick dieses architektonischen Juwels. Es ist unser aller Aufgabe, dass dieses einst so belastete Gebäude wieder hinführt zu etwas, wonach wir alle streben sollten: Frieden. Friedensturm, das ist verdammt schön! Ich freue mich.

Alexander Untschi, Potsdam

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