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Meinung: Kulturwechsel

Monika Grütters ist ein Kunstmensch – nun muss sie sich als Machtmensch beweisen

In der neuen Bundesregierung wird sie die ranghöchste Berlinerin sein: Monika Grütters, aufgewachsen in Westfalen, aber seit einem Vierteljahrhundert dieser Stadt verbunden: aus Liebe zur Kultur. Ob Theater oder klassische Musik, ob Literatur oder bildende Kunst – die 51-jährige künftige „Beauftragte der Bundesrepublik für Kultur und Medien“ kennt sich aus, kann sich auch für provokante Positionen begeistern.

Mit Geistesgrößen wie Michael Naumann und Julian Nida-Rümelin ist das Projekt Kulturstaatsminister gestartet, Gewicht aber hat erst der gewiefte Partei- und Proporzprofi Bernd Neumann dem Amt gegeben. Nicht durch schöne Reden über die Bedeutung der Kulturnation Deutschland, sondern durch geschickte Netzwerkarbeit. Bei Bühnen und Museen ließ er sich seltener sehen, als dies den Institutionen lieb war, aber er vermochte seit 2005 sein Budget kontinuierlich zu steigern, auf nun 1,28 Milliarden Euro pro Jahr.

„Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ Als Bildungsbürgerin dürfte Monika Grütters das Goethe-Diktum sehr vertraut klingen. In der Tat könnte Bernd Neumann, Jahrgang 1942, ihr alter Herr sein. Auch wenn sein Stil nicht der ihre ist – sie wird sich daran messen lassen müssen, ob sie sich nach seinem Vorbild eine Machtbasis in der großen Koalition schaffen kann.

Monika Grütters ist eine Wahl nach dem Geschmack der Kulturszene. Eine Interessenvertreterin, die aus ihrer Mitte kommt. Eine feingeistige Frau, belesen und redegewandt. Die sich auf Galas und Premierenfeiern garantiert nicht blamieren wird. Seit 2005 sitzt sie für die CDU im Bundestag, in der abgelaufenen Legislaturperiode war sie Vorsitzendes des Kulturausschusses im Bundestag – und konnte erleben, wie knallhartes Politikgeschacher funktioniert.

Als Kulturstaatsministerin muss sie nun beweisen, was sie im Haifischbecken Bundestag gelernt hat. Dass sie die Dinge nicht nur durchschauen, sondern auch durchsetzen kann. Einige Baustellen gilt es da zu bearbeiten in den kommenden vier Jahren: Darunter sind Schwarzbrotthemen wie die Zukunft der Künstlersozialkasse oder die Ausnahmeregelungen für die Kultur beim Freihandelsabkommen sowie der Komplex eines an die digitalen Gepflogenheiten angepassten Urheberrechts.

Auf der Berliner Schlossbaustelle geht es zwar voran, überzeugende Konzepte zur sinnvollen und nachhaltigen Bespielung des Hauses aber lassen weiter auf sich warten. Als Geldgebervertreterin in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollte Grütters zudem bei der umstrittenen Erweiterung der Neuen Nationalgalerie so eingreifen, das sich dort tatsächlich ein lebendiges Kulturforum entwickeln kann. Und dann sind da noch die heiklen Themen Raubkunst und Provenzienzforschung.

2005 soll sich Angela Merkel den Einzug von Monika Grütters über die Berliner Landesliste in den Bundestag gewünscht haben. Die Frage, wie nah die Politik-Quereinsteigerin heute der Kanzlerin steht, ist allerdings zweitrangig. Denn Angela Merkels Prinzip besteht ja darin, Menschen, deren Potenzial sie erkannt hat, Chancen zu eröffnen. Leistung liefern müssen die dann aber ganz alleine.

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