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KONTRA Punkt: Wer Ego-Shooter verbietet, verbietet Erwachsensein

Skandal! „Crysis 2“ bekommt einen Preis aus Steuermitteln

Deutschland ist auch deshalb ein so wunderbares Land, weil das Fühlen immer mehr das Denken ablöst. Das ist zutiefst egalitär und demokratisch, weil jeder fühlen, doch nicht jeder denken kann.

Jetzt ist führenden Mitgliedern der Gefühlsgesellschaft ein schlimmer Fehler unterlaufen. Beim „Deutschen Computerspielpreis 2012“ ist „Crysis 2“ als „Bestes Deutsches Spiel“ ausgezeichnet worden. Kulturstaatsminister Bernd Neumann, an 364 Tagen im Jahr ein Kämpfer für das Schöne, Wahre und Gute, trägt den Preis mit.

In „Crysis 2“ kämpft ein Supersoldat in New York gegen Aliens. Es geht auf Leben und Tod, Pardon wird nicht gegeben. „Crysis 2“ ist ein technisch und künstlerisch hochstehender Ego-Shooter. Wer das sogenannte Killerspiel spielt, der agiert als Supersoldat. Er muss töten, immer wieder töten. Atavismus pur, Adrenalin pur.

Die Auszeichnung ist vergoldet, Steuermittel stecken im Preisgeld. Schlimmer geht es nicht: Bürgers Euro belohnt und belobigt gewalthaltigste Fantasien eines virtuellen Spiels mit realen Bezügen. „Crysis 2“ war schon vor der Preisverleihung kommerziell sehr erfolgreich. Pädagogisch wertvoll ist es nicht. Es macht Spaß.

Im eigentlichen Vorwurf, hier werde ein „nicht jugendfreies“ Game gekrönt, steckt bereits der Irrtum des Vorwurfs. „Crysis 2“ ist nicht jugend-frei, es ist ein Erwachsenen-Spiel und entsprechend klassifiziert. Wer „Crysis 2“ inkriminieren, ja verbieten will, der überträgt Pädagogik und Schutzmechanismen für Jugendliche auf Erwachsene. Verbieten ist immer gut, weil verbieten immer einfach ist. Drogenmissbrauch ist auch verboten, und deswegen gibt es auch keinen Drogenmissbrauch, oder? Gegen das Genussmittel Alkohol lässt sich vorbringen, dass Alkohol betrunken macht. Betrunkene Menschen können Mitmenschen gefährden und im betrunkenen Zustand totfahren. Prohibition wäre eine Lösung, dann könnten sich auch Jugendliche nicht ins Koma saufen. Aber wohin mit dem schlimmen Durst und mit dem wollüstigen Gaumenkitzel im Abgang?

Jugendwelt und Erwachsenenwelt lassen sich feinsäuberlich nicht trennen. Es gibt Überlappungen, Versuchungen, was Erwachsene dürfen, wollen Jugendliche auch dürfen.

Die schlichte Erweiterung der Jugendschutzzone auf die Erwachsenensphäre wäre aber ein Dementi der gerne betonten Verantwortungs-, der Überantwortungskultur. Es ist dem Mitmenschen zuzutrauen, dass er weiß, was er tut, wenn er Ego-Shooter spielt. Diese Games samt und sonders zu verbieten, wäre eine groteske Übertragung einer schwarzen Verwahrpädagogik, wie sie schon bei Jugendlichen verfehlt ist. Erwachsene sind für sich verantwortlich, sie besitzen das Recht auf Irrtum. Ego-Shooting mag in den Augen der Non-Shooter ein solcher und sehr schwerer Irrtum sein, und doch muss der Zugang zum Schützenverein so erlaubt sein wie der Griff zur Computermaus. Postheroismus braucht seine sublimen Ausgleichsformen.

Die Gegner der Ego-Shooter argumentieren mit Dumdumgeschossen. Die Attentäter von Erfurt und Winnenden, der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik, sie haben am PC getötet, möglicherweise haben sie so das Töten geübt, ehe sie rausgingen und Unschuldige massakriert haben.

Wenn nur einer von 100 000 Ego-Shootern durchknallt und abdrückt, wer kann da lässig Existenz und Prämierung solcher Tötungsmuster rechtfertigen? Games wie „Crysis 2“ sind nicht auf Missbrauch, sondern auf spielerischen Gebrauch angelegt. Das Risiko liegt im Gamer, nicht im Game. Jeden Gamer vorsorglich vorm Game zu schützen, ist eine Misstrauenserklärung ohne Überzeugungskern.

Der „Tatort“ soll mit seinem stets bekräftigten Grundsatz, Töten lohne sich nicht, Millionen Deutsche befrieden. Mag sein, doch wer „Tatort“ schaut, ist nur zu faul zum Ego-Shooting. „Crysis 2“ ist Fitness-Studio, verglichen mit dem Sofa-Schubsen beim Krimi. Echte Katharsis.

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