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KONTRA Punkt: Kaffee für den Kiez

Warum Starbucks in England plötzlich freiwillig Abgaben leistet

Die Preise sind eher üppig, wenn man einen „Latte Grande“ oder einen „Iced Caramel Macchiato“ bestellt: Starbucks ist nicht der Discounter unter den Kaffeeketten. Trotzdem sind die Läden meist gut gefüllt, was neben dem Kaffee auch am kostenlosen W-Lan liegen dürfte. Jedenfalls waren die Briten recht überrascht, als sie kürzlich erfuhren, dass Starbucks UK zwar jährlich 400 Millionen Pfund umsetzt, aber in den vergangenen drei Jahren keine Steuern bezahlt hat. In 14 Jahren überwies die Kette überhaupt nur einmal etwas an „Her Majesty’s Revenue & Customs“.

Das kümmerte lange niemanden, doch im Zuge der britischen Sparmaßnahmen gerieten plötzlich auch die Steuererklärungen größerer Firmen in den Blick. Und es liest sich durchaus spannend, wie die Starbucks-Manager Gelder zwischen verschiedenen europäischen Ländern hin- und herschoben, mit dem Ergebnis, dass die Coffeeshops in Großbritannien plötzlich wie Investitionsruinen wirkten. Zum Beispiel wurden 4,7 Prozent vom Umsatz als Abgeltung für Markenrechte an Starbucks in den Niederlanden abgeführt. 20 Prozent gingen an eine Tochterfirma in der Schweiz, die 30 Angestellte beschäftigt und für den Handel mit Kaffeebohnen zuständig sein soll. Firmenprospekte für Investoren und Analysten wiesen den englischen Ableger als profitabel aus.

Die beschriebenen Transaktionen klingen abenteuerlich – aber sie waren und sind legal. Vor den britischen Finanzämtern musste Starbucks keine Angst haben. Erstaunlich ist eher, wie vorauseilend die Kette auf Boykottdrohungen von Konsumenten reagierte. Nachdem einige Läden symbolisch von Aktivisten besetzt wurden, gestand das Management in einem Brief ein, dass man „nicht perfekt“ sei. Gleichzeitig trieb es mit einer Ankündigung die Absurdität seiner Abgabenpolitik auf die Spitze: In den nächsten zwei Jahren werde man jeweils zehn Millionen Pfund an den Staat zahlen – ganz egal, ob ein Gewinn erzielt werde oder nicht. Von Steuer, so die Reaktion eines britischen Regierungssprechers, könne man da nicht mehr sprechen – eher von einer Art freiwilliger Abgabe.

Was als besänftigende Geste gedacht war, enthüllt so erst recht die Chuzpe, mit der die Verantwortlichen ans Werk gingen und nach wie vor gehen: Die Zahlung von Abgaben erscheint in ihren Augen als ein Akt der Wohltätigkeit und Willigkeit. Theoretisch könnten die Starbucks-Manager den Betrag in den kommenden Jahren als Marketingausgabe wieder von der Steuer absetzen.

Immerhin kann der Fall als Beispiel dafür gewertet werden, dass Verbraucher doch nicht so machtlos sind, wie es oft scheint. Sie schaffen sogar, was Regierungen jahrzehntelang nicht gelungen ist: Sie setzen das Territorialprinzip durch. Es besagt, dass Leistungen dort besteuert werden, wo sie schlussendlich erbracht werden. Viele Staaten verzichten schon lange darauf, diesem Prinzip Geltung zu verschaffen, weil sie die Macht der Firmen fürchten.

Unternehmen wie Starbucks mögen zwar international hochvernetzt sein, am Ende kauft der Kunde seinen Kaffee aber doch in einer Filiale, womöglich in direkter Nachbarschaft zu verfallenden Schulen. Er kann also direkt eine Verbindung zwischen diesen beiden Orten herstellen. So bewirkt die Weltkrise gleichzeitig eine merkwürdige Lokalisierung: Starbucks sah sich genötigt, sich zu Großbritannien „zu bekennen“. Einen solchen Eid hätte man von einer global agierenden Kette im Einheitslook am wenigsten erwartet. Das zeigt: Die Politik mag die Lösung der Finanzkrise zwar in weiterer Globalisierung sehen – die Verbraucher aber ziehen sich in ihrem Verhalten darauf zurück, was an der nächsten Ecke passiert.

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