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Die Tramlinie 96 fährt auch weiterhin ins Kirchsteigfeld.

© Andreas Klaer

Kolumne | PYAnissimo: Hinterm Hauptbahnhof geht’s weiter …

Keine Sorge, die Tramlinie 96 fährt auch weiterhin ins Kirchsteigfeld - auch wenn eine rbb-Reportage darüber hinweggesehen hat. Deswegen hat unsere Kolumnistin einen Drehbuch-Vorschlag für eine Fortsetzung gemacht.

Schnippschnapp: Vergangene Woche sendete der rbb im Fernsehen die Reportage „Potsdam Stories. Mit der Tram durch die Stadt… entlang der Straßenbahnlinie 96, die vom Hauptbahnhof zum Jungfernsee führt“. Da wurde ich stutzig, meines Wissens fährt die Bahn noch immer bis ins Kirchsteigfeld.

Aber im Film geht’s tatsächlich am Hauptbahnhof los. Der rbb hatte einfach die halbe Strecke und damit die halbe Stadt abgeschnitten. Gut, passiert halt mal. Aber falls sich der rbb doch zu einer Fortsetzung hinreißen lassen will, kommt hier mein Drehbuch-Vorschlag für Teil 2 der Reportage über die 96. Als Sprecherin wünsche ich mir Katharina Thalbach.

Start ist der Hauptbahnhof, manche nennen ihn einen Architekturunfall, aber wir sind ja schon weg, und nach einem wilden Schlenker durch den Hinterhof der Staatskanzlei geht’s auf die Heinrich-Mann-Allee. Erste Station: Friedhöfe. Links der alte, eröffnet 1796, als Ersatz für den ganz alten am Nauener Tor. Der hohe Grundwasserstand ließ die Leichen dort schlecht verwesen, es kam zu üblen Gerüchen. Als der neue alte zu klein wurde, kam rechts der neue neue dazu. Ganz oben am Hang findet man die Grabanlage der Opfer des Bombenangriffs im April 1945. Ein besonderer Geschichtsort.

Unsere Autorin Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
Unsere Autorin Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

© Sebastian Gabsch

Von der Haltestelle Sporthalle geht’s weiter zum Humboldt-Gymnasium. Vor zehn Jahren stand hier noch das Blauhaus, das in der DDR Jugendfreizeitzentrum Druschba hieß. Druschba heißt Freundschaft, und gemeint war die zur Sowjetunion. Wenn man erstmal drin war in der Disko, war das aber egal. Nächste Haltestelle ist Waldstraße/Horstweg, da geht’s zum Arbeitsamt, hier ist immer viel Betrieb. 

Und dann macht die 96 einen Schwenk nach links, beschleunigt kurz und hält am Magnus-Zeller-Platz im Schlaatz. Oder Am Schlaatz? Das wissen vermutlich nicht mal die, die hier wohnen. (O-Ton Anwohnerbefragung). Schlaatz bedeutet Sumpf, und auf den entsumpften Nuthewiesen entstand in den 1980ern ein Plattenbauviertel. In den kommenden Jahren soll hier viel investiert werden. Die drei aktuell diskutierten Architekturentwürfe werden gerade im Bürgerhaus ausgestellt und diskutiert. (Kamera zeigt Leute am Modell).

Bisamkiez heißt die nächste Station. Hier rechts herum geht’s zur Wilhelm-von-Türk-Schule. Eine moderne Schule für Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung. (Aufnahmen aus der 10. Klasse, Prüfungsvorbereitung mit Gebärdensprache). Am Samstag ist hier Tag der Offenen Tür, Sie können online dabei sein. Gleich um die Ecke findet übrigens jeden Sommer, außer natürlich in Pandemiezeiten, das beliebte Ferienprojekt Stadt der Kinder statt – hoffentlich geht’s dieses Jahr weiter. (Bild: Archivaufnahmen 2019).

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Dann legt die Bahn an Tempo zu, es geht über die Nuthe, kurzer Halt am Betriebshof, links sieht man zumindest im Winter den beliebten Baggersee, und dann ist man an der Turmstraße. Ein winziger, gemütlicher Kiez, zu dem immerhin eine Kirche gehört. Die Sternkirche, gebaut unter dem DDR-Bauprogramm „Kirchen für neue Städte“. Ganz neu ist das Kinderheim Heimatstern, nur wenige Straßen weiter. 27 Kinder und Jugendliche leben hier. Schirmherrin beim Neubau war die Designerin Jette Joop, sie kam sogar zum Plätzchenbacken (Filmeinblende aus dem Archiv).

Dank André Kubiczek den Stern verstehen

Nächster Stop: Keplerplatz. Wer den Stern verstehen will, liest am besten den Potsdam-Roman „Skizze eines Sommers“ von André Kubiczek. Er wurde 1969 geboren und wuchs genau hier auf und erinnert sich noch gut an die Sommer in der Stadt. (Interview Kubiczek, er steht vor der „Kaufhalle“).

Hinter den Häusern der Gauß-Straße findet sich eine echte Überraschung: Nach kaum fünf Minuten Fußweg ist man am Jagdschloss Stern. Das kann mit Sanssouci natürlich nicht mithalten, aber das sollte es auch gar nicht. Friedrich Wilhelm I. liebte es schlicht, und der geringe Komfort sorgte dafür, dass seine Gattin hier nie aufkreuzte. Demnächst wird das Ensemble saniert, dann bekommt man hier vielleicht auch einen Kaffee.

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Die 96 fährt jetzt unter der Schnellstraße durch und schon ist man in der Gartenstadt Drewitz. Hier gibt’s schon jetzt Kaffee und selbstgebackenen Kuchen – im i-Café im Park. Das I steht für Inklusion und Integration. Das könnte das Motto für ganz Drewitz sein. Dass Drewitz heute so aussieht, wie es ist, begann mit dem Umbau der Grundschule zur Stadtteilschule – ein über Potsdam hinaus viel beachtetes Projekt. (Interview Elvira Eichelbaum, ehemalige Schulleiterin). 

Das Konzept ging auf, heute ist die Schule Zentrum nachbarschaftlicher Begegnung. Es kommt aber auch Besuch von weiter her, zum Beispiel die Kammerakademie, für Musikprojekte mit den Schülern. Gleich nebenan liegt Die Arche vom Christlichen Kinder- und Jugendhilfswerk, täglich Anlaufpunkt für viele Kinder. Die haben auch einen berühmten Unterstützer: Günther Jauch. (Bild aus Archiv).

Mit Matthias Reim im Kirchsteigfeld feiern

Mit der 96 geht’s schon wieder ins nächste Wohngebiet: einmal durchs Grüne, vorbei an den Hochbeeten des Klimagartens. (Kameraschwenk über Kinder, Kräuter etc). Das Kirchsteigfeld ist noch jung, gebaut immerhin erst nach der Wende. Die Architekten wollten es bunt und kleinteilig. Viele Familien leben hier, für die der SC Potsdam, Potsdams größter Sportverein, genau richtig ist. Und gefeiert wird auch viel: (Filmaufnahmen von Konzerten). Nena war schon hier und dieses Jahr soll Matthias Reim dann endlich auftreten. (O-Ton „Verdammt ich lieb dich…“)

Noch zwei Stationen. Vorbei an der Steubenschule und der ökumenischen Versöhnungskirche – im Gegensatz zur Garnisonkirche ist die schon längst fertig – geht’s zur Endstation Marie-Juchacz-Straße, die nach der wichtigen Frauenrechtlerin benannt ist. Überhaupt gibt es hier noch viel mehr Frauenstraßennamen – das Kirchsteigfeld hat unter allen Stadtteilen vermutlich die höchste Frauenquote. Und mit der 96 sind Sie ruckzuck da. Denn hinterm Hauptbahnhof geht’s weiter.

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