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 Der Abriss des Staudenhofs könnte im März 2023 beginnen.

© Ottmar Winter

Kolumne | Etwas Hella: Kann das nun weg?

Warum nur hängt das Herz von Linken und Alternativen so sehr am Staudenhof in Potsdams Innenstadt? Das fragt sich unsere Kolumnistin.

Also mal ehrlich. Es ist doch ziemlich hässlich. Außen wie innen. Das Dings mit dem Flachdach. Ich meine den Staudenhof 10, der ja nun endgültig auf der Abrissliste steht. Allein schon die fürchterliche Eingangslösung in der Straße Am Alten Markt, die sich vorwiegend als Müllabladeplatz präsentiert, verletzt meinen Schönheitssinn. Und der andere Eingang ist auch nicht attraktiver. 

Die innere Schönheit des Hauses ist ebenfalls nicht gerade prickelnd. Angefangen von den ellenlangen Fluren und den Wohnungen mit Küchen und Bädern ohne Fenster und Aufenthaltsqualität. Falls sich in diesen Räumen zwei begegnen, auch Staudenhöfer bekommen ja mal Besuch, piekst man sich die Ellbogen in die Seite. Warum nur hängt das Herz von Linken und Alternativen so sehr an diesem Bau, der nun wahrlich kein architektonisches DDR-Highlight ist?

Hella Dittfeld ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.
Hella Dittfeld ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

© Sebastian Gabsch

Mir ist bisher allerdings noch niemand begegnet, der für den Bau demonstriert hat und selbst dort wohnt. Aber wahrscheinlich kenne ich zu wenig Leute und dann auch nicht die Richtigen. Meine Enkelin lebte eine Zeit lang im Staudenhof, fand es billig und erträglich, zog dann aber völlig unnostalgisch nach Babelsberg. Sie bekam eine schöne Zweizimmerwohnung, die nicht einmal viel teurer als der Staudenhof ist. Insgesamt kann ich mich den Abrissargumenten nur schwer verschließen, zumal der Staudenhof selbst ja längst Geschichte ist und eine Niveauangleichung für die neuen geplanten Wohnhäuser überaus sinnvoll erscheint.

Trotz allem stehe ich dem Dings mit dem Flachdach ziemlich emotionslos gegenüber. So wie es da an die Ecke geklemmt ist, stört es neben den anderen DDR-Bauten und der wirklich attraktiv hergerichteten Bibliothek mein schönheitstrunkenes Auge nicht über Gebühr. Und ich bin vom Abriss auch persönlich betroffen, denn meine Zahnärztin praktiziert dort. Wo zieht die hin, wenn das Gebäude abgerissen wird? Hoffentlich nicht auch nach Babelsberg oder womöglich gar ins Kirchsteigfeld. 

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Dann muss sie mehr Miete zahlen, erhöht womöglich die Behandlungspreise und ich habe zudem noch einen weiteren Weg. Denn gute Zahnärzte oder *innen verlässt man nicht. Sie sieht den Abriss vorläufig noch ganz relaxt. Ich aber werde mich bei Verschlechterung der Sachlage ärgern, dass ich nicht mitdemonstriert habe gegen die Vernichtung von DDR-Baukunst.

Etwas anderes macht mir Bauchschmerzen. Der viele viele Beton, der beim Abriss anfällt. Der wurde einst mit großen Mengen umweltschädlicher Energie hergestellt, muss ebenfalls nicht gerade umweltfreundlich entsorgt werden und wird hoffentlich nicht durch neuen ebenfalls hochenergetisch hergestellten Beton ersetzt. 

Neubauten aus regenerierbaren Materialien machen es dann auch unserer eventuell neuen Bundeskanzlerin von den Grünen leichter, die „wahnsinnig schwierige Entscheidung“ zum Abriss besser zu verkraften. Sie wird entspannt durch das neue Viertel am ehemaligen Staudenhof flanieren und mit ihren Potsdamern vielleicht auch mal in einer der neu entstehenden Kneipen ein Bierchen trinken.

Zumindest muss ich nicht aus der Wohnung wie bei der letzten Bombe, wenn der Bau gesprengt wird.

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