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PNN-Autorin Steffi Pyanoe.

© Sebastian Gabsch PNN

Kolumne PYAnissimo: Nie mehr Mohnkuchen im Büro

Ein kleiner Hinweis an die Oberbürgermeisterkandidaten. Seien Sie vorsichtig mit Wenn-Dann-Sätzen. Wenn man die benutzt, dann wird man erpressbar. Oder unglaubwürdig. Dabei haben die Kandidaten durchaus Respekt verdient.

So langsam wissen wir, was die Damen und Herren Oberbürgermeisterkandidaten wollen. Wo es ihrer Meinung nach klemmt, was gerichtet werden muss. Wenn, ja wenn sie denn … Dabei steht doch in jedem Erziehungsratgeber: Vorsicht mit Wenn-Dann-Sätzen. Wenn man die benutzt, dann wird man erpressbar. Oder unglaubwürdig.

Nun gut. Ich will nicht kleinlich sein. Ich finde, die Kandidaten haben auch Respekt verdient. Denn: Oberbürgermeister ist ein knallharter Job. Ich hoffe, die wissen alle, worauf sie sich einlassen. Man bekommt eine riesige Firma übergeholfen, in der man nie weiß, was am anderen Ende des Flurs für Individualisten sich selbst hofieren, und muss trotzdem von heute auf morgen die Bilanzen in den Griff bekommen. Man ist plötzlich für allen Mist, über den man bisher meckern konnte, selber verantwortlich. Jeder Wisch aus dem Rathaus trägt seinen Absender. Man muss ab sofort immer pünktlich sein, gut aussehen und lächeln. Immer Mut und Zuversicht versprühen. Auf alles eine Antwort wissen – aber diese nicht sagen (ha, very tricky!). Sagen darf man nur, was über verschlungene Kanäle das Rathausprüfsiegel erhält.

Man muss sich in Potsdam zu 100 Prozent auskennen, wissen, wo jede Pupsstraße liegt (sollte es nichts werden mit der Wahl, kann man anschließend den Taxischein machen; Taxifahrer werden mindestens genau so dringend gesucht wie Oberbürgermeister). Man muss den Geburtstag jedes Freiwilligen Feuerwehrmannes aller Ortsteile kennen. Man muss fit sein in deutscher Geschichte, damit man mit 100-Jährigen nach Torte und drei Eierlikör den Nichtangriffspakt diskutieren kann. Man muss die Medaillensiege Potsdamer Olympioniken im Schlaf aufzählen können und selber mindestens Halbmarathon laufen. Man muss wissen, welche Amphibien in den Düsteren Teichen wann laichen und welche die verbotenen Defa-Filme waren. Man muss, zumindest 2019, immer ein passendes Fontane-Zitat parat haben. Und wenn einem am Tag vor dem Urlaub bei der Kita-Weihnachtsfeier auf einem Zwergenstühlchen die letzte Bandscheibe rausflutscht, darf man nicht fluchen und auch den bereits griffigen Zuckergusskeks aus der Hand eines Zweijährigen nicht zurückweisen.

Ja, es gibt viel, was man plötzlich nicht mehr darf: Kleckern beim Frühstück, sonst sind Bluse oder Krawatte hin, bevor man seine täglichen Grußwörter losgelassen hat. Ab jetzt nicht mehr zunehmen oder die Haarfarbe wechseln. Nie wieder Mohnkuchen im Büro naschen und Vorsicht mit Knoblauch. Man ist jetzt Vorbild in allen Lebenslagen, also darf man nie wieder bei Rot über die Fußgängerampel, nie wieder den Joghurtbecher in den falschen Mülleimer oder heimlich was auf den Sperrmüllhaufen des Nachbarn legen. Nie wieder jemandem die letzte Milch aus dem Kühlregal vor der Nase wegschnappen. Nie wieder laut die eigenen Kinder (andere natürlich auch nicht!) anrüffeln. Nie wieder Hundekacke liegenlassen, keinen Diesel fahren, keinen Laubsauger benutzen. Die Hecke akkurat schneiden, aber nicht zur Brutzeit. Nie zwei Mal hintereinander in dasselbe Restaurant gehen und die Skihütte nicht über Airbnb buchen. Nicht mit dem Flieger in den Urlaub. Nicht im Theater einschlafen. Nie wieder kurze Hosen tragen. Nie wieder Oppeln sagen. Nie wieder Feierabend. Es ist nämlich ein zu weites Feld …

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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