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Meinung: Koalieren und konsolidieren

Schwarz-Grün fehlt es an einer Mission – doch diese könnte sich noch finden

Der Reiz des Verbotenen ist es, der die Sehnsucht nach Schwarz-Grün seit bald 20 Jahren am Leben hält. Gespeist wird er von zwei Seiten: Auf der einen Seite gibt es nicht wenige Christdemokraten, die die Sozialdemokratie am Ende für zu unkultiviert und materialistisch halten. Auf der anderen Seite stehen Grüne, die nach Anerkennung streben – nicht bloß durch meinungsbildende Eliten, sondern durch die gesamte Gesellschaft. Nur mit dem Einverständnis der alten Staatspartei CDU werden auch die Grünen endgültig zur Republikpartei. Und wahrscheinlich kann auch erst Schwarz-Grün die Union von dem Ruf befreien, irgendwie doch kleinbürgerlich-konventionell zu sein.

Auf die Kraft des Tabubruchs kann Schwarz-Grün, das nun zum ersten Mal mit Hessen in einem Flächenstaat Wirklichkeit wird, allerdings kaum noch vertrauen. Auch hier gilt der Satz, den Gerhard Schröder einmal über Rot-Grün gesagt hat: Das Bündnis kommt mindestens zehn Jahre zu spät. Schwarze und Grüne müssen sich eher Sorgen machen, dass ihr neuer Bund nicht allzu geschäftsmäßig und abgeklärt daherkommt. Der eigentlich rot-weiße Löwe, das hessische Wappentier, wurde auf dem Deckblatt des Koalitionsvertrags bereits schwarz-grün eingefärbt: Staatstragendere Botschaften können auch große Koalitionen kaum mehr vermitteln.

Wenn Schwarz-Grün also zum kalkulierten Tabubruch nicht mehr taugt, dann wird man den Paradigmenwechsel auf anderen Feldern suchen müssen. Grüne und CDU beteuern, ihr Bündnis benötige keinen gemeinsamen lebensweltlichen Überbau. Auch in Hessen wird deshalb recht verschämt ein „Zweckbündnis auf Zeit“ angekündigt. Das unterschlägt, dass sich Koalitionen ihre Bestimmung nicht immer suchen – manchmal findet eine Aufgabe auch ihre politische Konstellation.

Weil der kreative Anspruch fehlt, wird man von Schwarz-Grün in Hessen keine grundlegende Aufbauleistung erwarten können. Dazu sind die Differenzen dann doch zu groß, egal ob es um den Rhein- Main-Flughafen oder um die Schulpolitik geht. In beiden Fällen wird Schwarz-Grün wohl vor allem ein Bündnis sein, das den Status quo bewahrt. Dies erklärt am Ende auch, warum die Grünen dem Pakt mit der CDU so leicht haben zustimmen können: In der Fluglärmfrage zum Beispiel verwiesen sie darauf, dass mit der SPD auch nicht mehr durchzusetzen sei. Eine schlichte Kosten-Nutzen-Rechnung prägte hier die Abwägung bei den Grünen. Möglicherweise pflegt die Partei inzwischen selbst zu ihrem zentralen Thema Ökologie ein recht pragmatisches Verhältnis.

Gerade deshalb könnten CDU und Grüne am Ende dann allerdings doch ganz gut zusammenpassen – weil es an einer ideologischen Verklammerung fehlt. Koalitionen, die zur Konsolidierung gebraucht werden, benötigen diese nicht. Früher hätte man beim Stichwort Sparen zuerst an Bündnisse zwischen Union und FDP gedacht. Doch gerade auf diesem Feld wirkte die abgewählte schwarz-gelbe Koalition im Bund entlarvend: Vor allem die FDP zeigte wenig Interesse daran, über eine Reduzierung von Staatsaufgaben nachzudenken. Viel lieber versprach sie ihren Wählern Steuersenkungen, die am Ende ungedeckt blieben und deshalb nie verwirklicht wurden. Den Grünen wäre so etwas nicht passiert: Sie planten stattdessen lieber mit Steuererhöhungen, von denen am Ende nicht einmal klar war, für was sie eigentlich benötigt werden.

Auch das Zweckbündnis par excellence, die große Koalition, eignet sich schlecht zur Konsolidierung. Wenn Union und SPD zusammen regieren, dann wird die Mehrwertsteuer oder der Rentenversicherungsbeitrag tendenziell eher erhöht als gesenkt. Das war 2005 nicht anders als jetzt. Und dass rot-grüne Regierungen mit dem Sparen Probleme haben, zeigt sich in Nordrhein-Westfalen wie in Baden-Württemberg.

Von daher muss man nicht einmal das grüne Kernthema der Nachhaltigkeit bemühen, um vorauszusagen, dass Schwarz-Grün seine Mission in Zeiten der Schuldenbremse schon noch finden wird. Wobei die Grünen sich das nicht so einfach vorstellen sollten: Ihre Wähler sind zwar gut gebildet und verdienen oft nicht schlecht. Doch sensibel sind sie durchaus, wenn es an ihren Geldbeutel geht. Die größte Herausforderung für die Grünen wird es sein, nicht den Verdacht der Klientelpartei auf sich zu ziehen. Außer der CDU ist keine andere Partei im öffentlichen Dienst so gut verankert. Und auf die SPD jedenfalls werden die Grünen nicht mehr verweisen können, wenn es ums Sparen geht.

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