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Himmelfahrtskommando Herrentag: Prost, Jungs!

Gleichberechtigung existiert erst, wenn Frauen sich genauso doof, pöbelhaft und albern benehmen dürfen wie Männer – ohne deshalb in eine Schublade gesteckt zu werden. Ein Essay.

Männer betrinken sich zu Christi Himmelfahrt, aus Tradition. Und ohne Frauen. Ist das schlimm? Nö. Auch wenn es keinen Feiertag gibt, an dem sich Frauen kollektiv und ritualisiert amüsieren. Denn erstens lässt sich jede Tradition noch erfinden, zweitens brauchen Frauen vielleicht auch keinen quasi verordneten Anlass, um mal auszurasten.

Oder doch? In Potsdam – und vielleicht auch anderswo – mehren sich die Alternativprogramme. Aus scheinbar profeministischem Kalkül lädt etwa die Studierendenkneipe Pub à la Pub am Herrentag zum Gegenprogramm. Der Herrentag wird hier zur Ladies-Night umgedeutet: Ausdrücklich und ausschließlich sind dort am Donnerstag nur Frauen erwünscht, zum Sekttrinken und „Sex and the City“ gucken. Dass keine Männer – volltrunkene düstere Gesellen allesamt – hereinkommen, dafür sorgt die Security. Da kippt man als Frau natürlich vor Dankbarkeit aus den Latschen – Verzeihung, den Manolo Blahniks. Endlich in Sicherheit – und trotzdem nicht mehr alleine zu Hause sitzen und hoffen, dass der Typ ohne Anzeige und Blessuren zurückkommt.

Das Ganze ist nur eine Fortschreibung männlicher Deutungshoheit

Und da fängt das Problem an: Denn die vermeintliche Solidarität der Betreiber ist in Wahrheit nur eine Fortschreibung männlicher Deutungshoheit. Männer entscheiden, wie und in welchem Rahmen die armen Frauen am besten Spaß haben. Noch immer nicht schlimm für die, die lieber Sekt als Bier trinken und gerne schöne Schuhe tragen. Das sind halt nur nicht alle Frauen. Und niemand käme auf die Idee, den umherschweifenden Männern zu sagen, wie genau sie ihr Besäufnis gestalten sollen. Macht bei einem Tag des gesellschaftlich geduldeten Freidrehens ja auch keinen Sinn, der Zweck der Extase ist ja eben der der völligen Loslösung von irgendwelchen Regeln.

Das hat – in gewisser Weise – auch der AStA in Potsdam erkannt. Dessen Referent Jan Glogau schlägt ob des Pub-Programms die Hände über dem Kopf zusammen: „Warum muss man eine blöde Veranstaltung durch eine andere blöde Veranstaltung ersetzen?“, fragt er. Dieselben Strukturen, die Männern an diesem Tag hemmungslosen Sexismus erlauben, würden, so sieht er es, hier einfach nur reproduziert – und auf Frauen angewendet. Soll heißen: Frauen auf ihren von Männern gern belächelten Schuhfetischismus und ihre Vorliebe für muskulöse, gut gebaute Männer zu reduzieren und das als angemessenes Kontrastprogramm zu verlaufen, ist sexistisch.

Sollen doch alle anderen auch machen, was sie wollen

Was stimmt – und trotzdem zugleich selbst sexistisch ist. Denn Gleichberechtigung existiert am Ende erst, wenn Frauen sich genauso doof, pöbelhaft und albern benehmen dürfen wie Männer – ohne deshalb in eine Schublade gesteckt zu werden. Im Klartext: Alle Frauen, die gerne „Sex an the City“ gucken und dabei Sekt trinken, sollen das bitte gerne tun. Alle anderen sollen ebenfalls tun, worauf immer sie Lust haben.

An die Schiffbauergasse gehen etwa, wo ebenfalls ein Anti-Herrentagsprogramm läuft: Das „Kulturblühen“, bei dem zwar niemand ausgeschlossen wird, die Programmauswahl aber ebenso tief blicken lässt. „Ladies Night“ wird im Hans Otto Theater gezeigt, ein Stück, bei dem ein paar Jungs alle Hüllen fallen lassen. Hübsch anzusehen, ohne Frage. Lustig auch. Aber halt! Es ist die männliche Idee dessen, was Frauen mögen. Direkt im Anschluss wird die romantischste alle Komödien gezeigt. „Pretty Woman“, die Story über eine Hure, die von einem märchenprinzhaften, vor allem aber reichen Geschäftsmann gerettet wird. Also bitte! Da werden sich all die Ladys, die gerne mehr Deutungshoheit darüber hätten, was ihnen im Bett gefallen darf – an ihren Körpern und überhaupt der Art, wie sie leben – aber freuen. Der Prinz, der ihnen den Gender Pay Gap – also die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen – schließt, ist eben genau das: ein schönes Märchen.

Besoffene Frauen, igitt!

Stattdessen gilt ja offenbar noch immer die unausgesprochene Übereinkunft: Es wäre nicht auszuhalten, wenn die Frauen zum Muttertag genau dieselbe Show abziehen würden wie die Männer am Herrentag. Besoffene Frauen, igitt! Gesellschaftlich toleriert, sogar erwartet – und damit eine Emanzipation – war das höchstens in der untergegangenen DDR am 8. März, dem Internationalen Frauentag.

Attraktiv als Frau ist aber immer noch, was irgendwie sittsam, sauber und wohlriechend ist. Laut und in Rudeln um die Häuser zu ziehen – eher nicht. Ist ja auch zu gefährlich, schließlich machen das schon die Männer – und die werden, das weiß man ja, dann schnell mal übergriffig.

Nicht wenigen Männern ist es vermutlich – da sind sie dann doch ganz Märchenprinz – lieber, die eigene Freundin oder Frau verbrächte den Herrentag zu Hause, würde öffentliche Menschenansammlungen vermeiden, um nicht als Frischfleisch gebrandmarkt zu werden – am Ende noch von ihnen selbst. Keine schönen Aussichten, aber immerhin: In Potsdam, der Insel der Glücksseligen, können auch sie in kontrolliertem sittsamen Trost Erheiterung und Aufbegehren finden.

Warum feiert ihr nicht das ganze Jahr über getrennt?

„Die Grundidee ist, für Frauen einen sicheren Hafen zu schaffen, in dem sie nicht von strunzbesoffenen Ghettoblaster-Idioten angemacht werden“, erklärt Albrecht Einhorn vom „Pub à la Pub“. Und: „Wir wollen, dass den Frauen an diesem Tag nichts passiert, wenn sie sich schon raustrauen.“ Die Idee wurde begeistert aufgenommen, es gebe schon zahlreiche Zusagen. Überhaupt sei die Studentenkneipe generell immer knallhart: Wenn sich eine Frau angemacht fühlt, gibt es für den Mann Rausschmiss und Hausverbot. Und falls sie sich an diesem Abend nicht nach Hause trauen, werde ihnen ein eben Taxi gerufen.

Vielleicht sollte man die Idee konsequent zu Ende denken. Wenn Männer solche Wüstlinge und Frauen solch zarte Seelchen sind, sollten sie dann nicht nur am Herrentag, sondern das ganze Jahr über getrennt feiern? Irgendwie – zumindest aus heterosexueller Sicht – eine ziemlich traurige Vorstellung. Aber für die ganz große Revolution ist man offenbar noch nicht bereit. Dann nämlich würde man Tradition Tradition sein und die Menschen sich am Herrentag einfach gemeinsam dem Exzess hingeben lassen. Aber hui – wer weiß, was da alles passieren könnte!

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