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"Teilweise gelungen": In den letzten Jahrzehnten wurde die Farbgebungen einiger Hochhäuser verändert.

© Sebastian Gabsch PNN

Gastbeitrag zum Hochhausbau: "Potsdam gerät aus den Fugen"

Potsdams ehemaliger Chefdenkmalpfleger mahnt: "Neue Hochhäuser im Norden wären ein Schaden in mehrfacher Hinsicht". Ein Gastbeitrag.

Potsdam gerät offenbar aus den Fugen! Nach der Wende hatten wir uns darauf geeinigt, dass die maximale Bauhöhe unter der Baumwipfelhöhe bleiben muss. Das hat auch lange vorgehalten. Wer einmal auf Potsdams Höhenpunkten war, die zugleich auch unbestreitbar Höhepunkte des Kultur- und Landschaftsgenusses sind, der wird begreifen, warum einige wenige Könige und die von ihnen beauftragten Architekten und Gartengestalter Aussichtspunkte wie den Brauhausberg, den Klausberg, den Pfingstberg, das Orangerieschloss, den Flatowturm und nicht zuletzt das Weinbergschloss und andere mehr auswählten, um dieses einmalige Sichtengefüge weit in die Brandenburgische Landschaft hinaus zu schaffen. 

Die Komplexität von landschaftlicher Schönheit in enger Verbindung mit zahlreichen Kulturbauten und verschönter Kulturlandschaft ist wegen dieses einmaligen Zeugnisses in das Welterbe aufgenommen worden und war 1991 das flächengrößte dieser Art in Deutschland.

Andreas Kalesse ging Ende Februar 2018 nach 27 Jahren als Chef der Potsdamer Denkmalschutzbehörde in den Ruhestand.
Andreas Kalesse ging Ende Februar 2018 nach 27 Jahren als Chef der Potsdamer Denkmalschutzbehörde in den Ruhestand.

© Andreas Klaer

Inzwischen stellte die Unesco immer mehr Kulturlandschaften und Naturzeugnisse weltweit unter Schutz, weil man verstanden hat, dass der Einzelbautenschutz nicht mehr zeitgemäß ist. Neue Aufnahmekandidaten, wie Schwerin etwa, müssen komplex nachweisen, wie das bauliche Erbe mit der umgebenden Kulturlandschaft verknüpft war und wieder werden soll. Sonst ist die Chance für eine Aufnahme sehr gering.

Zahlreiche Hochhäuser fallen unangenehm auf

Schaut man nun von diesen Höhepunkten in die Stadt, fallen die zahlreiche Hochhäuser unangenehm auf. Wir haben in den letzten Jahrzehnten die Farbgebungen der Häuser verändert, so dass sie nicht so brutal hervortreten. Das ist auch teilweise gelungen. Man erkennt trotzdem, wie sehr sie das harmonische Gefüge stören, auch wenn sie kilometerweit weg stehen. 

Im Norden von Potsdam, beispielsweise, um nur auf einige dieser Hochhausgedanken einzugehen, grenzt Gott sei Dank die seit 1997 geschützte Döberitzer Heide an die Stadtgrenze und verhindert so das uferlose Auswachsen der Stadt.

Das kann doch aber nicht bedeuten, dass in unmittelbarer Nachbarschaft dieses kostbaren Auswilderungsgebietes für vom Aussterben bedrohte Großwildarten Hochhäuser entstehen, die nachts in das Schutzgebiet hineinleuchten und die man von Potsdam gleichermaßen wie von Spandau beziehungsweise vom Döberitzer Obelisk aus sehen kann. Das wäre ein Schaden in mehrfacher Hinsicht.

Die Unesco sollte endlich den Hammer schwingen und Potsdam auf die „Rote Liste“ setzen.

Andreas Kalesse

Die Landeshauptstadt Potsdam ist nicht dazu berufen, das Problem von bezahlbarem Wohnraum landesweit zu lösen. Da müssen andere politische und strategische Überlegungen her, um dem sach- und fachgerecht entgegenzutreten. Wenn man in Potsdam allerdings nicht begreifen will, dass hier nur eine höchst verantwortungsvolle und behutsam und rücksichtsvolle Entwicklungspolitik betrieben werden darf, dann sollte die Unesco endlich den Hammer schwingen und Potsdam auf die „Rote Liste“ setzen und nicht immer nur damit drohen. Die Wirkungen vergangener Zeit sind offenbar vorbei. Das muss sich wieder ändern.

Der Autor war von 1991 bis 2018 Chefdenkmalpfleger der Landeshauptstadt. Er stellte unter anderem die Weichen für die denkmalgerechte Rekonstruktion der historischen Mitte und machte sich für den Wiederaufbau des Stadtschlosses stark.

Und was meinen Sie? Schreiben Sie uns an leserpost@pnn.de!

Andreas Kalesse

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