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Meinung: Für Gier gibt es kein Öko-Siegel

Die Anleger der angeschlagenen Windkraftfirma Prokon verdienen kein Mitleid

Das hier ist kein Fall Lehman Brothers, auch kein Fall Schlecker. Die offenbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des norddeutschen Ökoenergie-Investors Prokon ist schlicht ein Fall für den Staatsanwalt – keiner für die Politik. Auch Verbraucherschutzverbände und Medien haben seit Jahren alles Nötige dazu erklärt, geschrieben, gesendet: Das undurchsichtige System Prokon kann so langfristig nicht funktionieren. Jeder, der sein Geld in diese Firma gesteckt hat, musste wissen, was er tat. Er muss also nun mit dem Verlust von größeren Teilen seiner Einlage leben. Und viele akzeptieren das womöglich auch.

Es ist daher kaum nachvollziehbar, dass die schleswig-holsteinische Regierung erklärt hat, sie wolle prüfen, wie man eine Pleite noch abwenden kann. Doch wohl nicht etwa mit Steuergeldern? Unverständlich ist auch, warum der neue Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dieser Tage zum Fall Prokon sagte: „Wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können oder überfordert sind, muss der Staat Schutz und Vorsorge bieten.“ Offenbar sieht Maas die 75 000 Menschen, die die Papiere bei Prokon gezeichnet haben, als Unmündige, denen man Hilfe angedeihen lassen muss.

Nein. Prokon-Anleger sind mündige Bürger, Wähler, Mitbesitzer einer Firma. Sie gingen davon aus, es sei möglich, fantastische Renditen zu erwirtschaften und gleichzeitig das Klima zu retten. Beides geht wohl nicht zusammen. Wenn das so einfach wäre, gäbe es schon heute kein einziges Kohlekraftwerk mehr. Wer diese Logik aber ignoriert, muss ein anderes Motiv haben: Es waren wohl die sechs bis acht Prozent Rendite, die ihnen der Windparkfinanzierer jedes Jahr auszahlte. Es trieb sie die Gier, dafür gibt es aber kein Öko-Siegel.

Gier ist nicht eine Todsünde, sie wirkt auch als eine Triebfeder des Kapitalismus. Geldanlagen mit hohem Ausfallrisiko und einer dementsprechend hohen Verzinsung erfüllen einen wichtigen volkswirtschaftlichen Zweck: Sie sammeln schnell viel Geld an einem Ort, wo es dabei helfen kann, neue Werte zu schaffen. Tatsächlich hat auch Prokon Werte geschaffen, real existierende Windparks. Die rechnen sich freilich nur, weil die Gemeinschaft der Stromkunden sie mit ihrer Ökostromumlage finanziert. Aber das ist ein anderes Thema. Die Windräder erzeugen Energie und könnten nach Schätzungen immerhin bis zu 450 Millionen Euro bringen, wenn sie später aus der Insolvenzmasse verkauft würden. Das wäre nur ein Drittel der insgesamt 1,4 Milliarden Euro Gesamtanlagesumme, aber immerhin: Es bleibt ein Stück Energiewende

Zu der Geschichte passt, dass Prokon-Chef Carsten Rodbertus stets wie ein Öko-Guru auftritt. Er fährt seit Jahren übers Land, füllt Säle und erzählt seinen meist älteren Fans, dass sie ihr Geld lieber ihm als den Betrügerbanken geben sollen. Und sie sollen bitte auch nicht auf Hetzkampagnen der Presse hereinfallen. Das ist zwar Unfug – womöglich verbreitet in betrügerischer Absicht. Aber in einer freien Marktwirtschaft auf dem Boden einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung muss es mündigen Bürgern auch erlaubt sein, so etwas zu glauben.

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