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Meinung: Flügellahmer Engel

Der ADAC maßt sich eine Bedeutung und eine Rolle an, die ihm nicht zusteht

Als ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair noch Oberwasser hatte, am Donnerstag, bei der Verleihung der Auszeichnung „Gelber Engel“ für den VW-Golf, kommentierte er Presseberichte über Manipulationen bei der Auswertung der Leserzuschriften zum Engel-Wettbewerb wegwerfend mit dem Satz „Nichts ist älter als die Tageszeitung von gestern“ und fügte hinzu: „Mit der packt man den Fisch ein.“

Tatsächlich eingepackt hat inzwischen sein Kommunikationschef. Michael Ramstetter gab zu, dass er die Zahl der Zuschriften nicht nur für den siegreichen Wagen aus Wolfsburg mit dem Faktor zehn multipliziert hatte, weil die tatsächlich für den Golf eingegangenen etwas mehr als 3400 Voten, ihm schmal vorkamen angesichts der 19 Millionen Mitglieder, mit denen der ADAC bei seinen Kampagnen immer wirbt. Immer-noch- Geschäftsführer Obermair muss aber schon am Donnerstag geschwant haben, was Sache war. Auf Nachfrage der Moderatorin erklärte er, der Kern des Vorwurfs bestehe ja wohl darin, dass angeblich nur einige tausend Stimmen ausgewertet worden seien. Das fand er offensichtlich nicht schlimm, denn er setzte noch nach: Bei gängigen Umfragen zur Beliebtheit von Politikern genügten doch schon einige hundert Befragte

Dass der Geschäftsführer einer 19 Millionen Mitglieder starken Organisation die Ergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen mit der massiven Manipulation von Einsenderzahlen bei einem hauseigenen Wettbewerb gleichsetzt, wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf sein Verhältnis zur Wahrheit und sein Urteilsvermögen. Es lässt auch zweifeln, ob er wirklich erst an diesem Wochenende erfahren hat, was der Chefredakteur der „ADAC-Motorwelt“ so anstellte. Denn Obermairs Vergleich der Leserbefragung zum „Gelben Engel“ mit dem demoskopischen Instrument der Umfrage legt die Annahme nahe, er halte beides im Endergebnis für gleichermaßen repräsentativ – es kommt ja nicht auf die absolute Zahl der Befragten oder Auskunftgebenden an, sondern darauf, dass das Ergebnis selbst nicht manipuliert wurde.

Das unterstellt bislang auch niemand dem ADAC. Hier geht es nicht um Ergebnisverfälschungen, sondern um eine Anmaßung. Die Geschäftsführung des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs erweckt bei allem, was sie tut, den Eindruck, im Auftrag von 19 Millionen Mitgliedern zu handeln. Wenn sie gegen eine Maut, gegen E10-Benzin oder für irgendetwas polemisiert, beruft sie sich auf diese 19 Millionen Mitglieder. Gefragt worden sind die aber nie. Und offenbar antworten sie auch nicht, wenn man sie schon einmal anspricht, wie im Wettbewerb um den „Gelben Engel“. Warum wohl? Könnte es sein, dass der allergrößte Teil dieser 19 Millionen Mitglieder – zu denen auch der Verfasser gehört – zwar den Service des ADAC, seine Straßenwacht, seine Reiseversicherungen, seine guten Stauprognosen schätzt, sich aber ansonsten nicht vereinnahmen lassen möchte für alle möglichen Ziele? Dann hätte die Geschäftsführung des ADAC zu Unrecht ein Mandat beansprucht, sich permanent als mächtige Lobbygruppe aufzuplustern.

Was die Lebensmittel betrifft, die Geschäftsführer Karl Obermair in die Zeitung von gestern einpackt – egal in welcher Verpackung stinkt der Fisch vom Kopf her.

Gerd Appenzeller

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