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Meinung: Erblast der Koalition

Bei der Rente geht es weniger um Jung gegen Alt, sondern um Kapital gegen Arbeit

Als die FDP vor vier Jahren die Steuersenkung für Hoteliers durchsetzte, wurde ihr Klientelpolitik vorgeworfen. Politiker der Liberalen beklagten sich damals, allein ihre Wählerschaft werde als „Klientel“ verunglimpft. Tatsächlich schaffen es auch Union und SPD, Vorteile vor allem jenen zu verschaffen, die der eigenen Organisation nahestehen. Es fällt nur deshalb nicht auf, weil der Kreis der potenziellen Nutznießer viel größer ist. Das Durchschnittsalter der Parteimitglieder liegt in beiden Fällen bei 59 Jahren, ein Mitglied ist statistisch betrachtet eher männlich und hat ohne große Unterbrechungen Sozialbeiträge gezahlt.

Deshalb – und auch weil die geburtenstarke Babyboomer-Generation viele Wähler aufzubieten hat – stellt der Koalitionsvertrag vor allem Rentner besser und jene, die in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen werden. Eine abschlagsfreie Rente für langjährige Beitragszahler klingt zwar ebenso gerecht wie die stärkere Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Die Frage ist nur, ob damit tatsächlich jenen geholfen wird, die es nötig haben.

Die Mütterrente zum Beispiel wird im Monat bloß 28 Euro mehr bringen – für eine Generation, in der viele Frauen noch über die Rente ihres Ehemanns abgesichert sind. Und Experten haben berechnet, dass von der Rente mit 63 vor allem Menschen profitieren, deren Ansprüche ohnehin schon doppelt so hoch sind wie die Durchschnittsrente. Die abschlagsfreie Rente koste Geld, das für die Bekämpfung von Altersarmut viel dringender benötigt werde, beklagt der Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Die Minirenten von langjährigen Versicherten sollen zwar auf knapp 850 Euro aufgestockt werden – doch auch das wird viele Rentner nicht vor dem Gang zum Sozialamt bewahren.

Auf der anderen Seite werden sich die Rentengeschenke nicht von selbst finanzieren. Über die jetzt abgesagte Beitragssenkung, die eigentlich 2014 fällig gewesen wäre, wird sich kaum jemand beschweren. Doch noch in dieser Wahlperiode könnte es notwendig werden, die Beiträge zu erhöhen. Grotesk wäre dies deshalb, weil ein Anstieg der Sozialbeiträge unsozialer ist als jede Steuererhöhung. Denn anders als bei der Steuer zahlt die Sekretärin den selben Beitragssatz wie ein Abteilungsleiter. Außerdem werden Gutverdiener geschont, weil Beiträge nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze fällig werden. Nicht nur deshalb sollten für die Finanzierung von Mütterrenten alle Steuerzahler herangezogen werden, nicht allein die Sozialversicherten.

Ohnehin wird in der Diskussion verkannt, dass die eigentliche Konfliktlinie längst nicht mehr nur zwischen Jung und Alt verläuft. Die jetzt bessergestellten Jahrgänge werden so viel erben wie noch keine Generation vor ihr. In diesem Jahrzehnt geht es um 2,6 Billionen Euro. Manche Rentner werden ihre nicht schlechte gesetzliche Versorgung also noch ein gutes Stück aufbessern können – während paradoxerweise die generelle Altersarmut zunimmt, nicht nur in Ostdeutschland. Die Politik hält das nicht davon ab, Junge und Alte gegeneinander auszuspielen. Dabei ist es falsch, Arbeit mit immer höheren Beiträgen zu belasten. Stattdessen sollte auch darüber geredet werden, wie zum Beispiel eine höhere Erbschaftssteuer mehr Gerechtigkeit innerhalb einer Generation herstellen kann.

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