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Meinung: Die Erben Nelson Mandelas

Gewaltlosigkeit und Verzeihen – für viele auf dem Kontinent ist das der afrikanische Weg

Nelson Mandela wird in Afrika auch nach seinem Tod noch lange Wirkung entfalten. Ob sich seine Linie der Gewaltlosigkeit, des Ausgleichs und der Versöhnung auch anderswo auf dem Kontinent wird durchsetzen können, ist zwar noch völlig unklar. Aber Mandelas Vorgehen zur Überwindung des Apartheidregimes in Südafrika entspricht den Wertvorstellungen, die in Afrika viele teilen. Nelson Mandelas Weg gilt als „afrikanische Lösung für afrikanische Probleme“. Und zwar bei denjenigen, die tatsächlich nach einer eigenständigen Lösung suchen. Auch wenn diese Formel oft genug von Mächtigen gebraucht wird, die lediglich ihre eigenen Profitinteressen verschleiern wollen.

Zwei, die sich mit Recht auf das politische Erbe Mandelas berufen, sind James Wuye und Muhammed Ashafa aus Nigeria. Der Pastor und der Imam aus Kaduna, im unruhigen Zentrum Nigerias gelegen, haben für ihren Konflikt eine „spirituelle“ Lösung im Geiste Mandelas gefunden. Wuye und Ashafa waren Feinde und bekämpften sich als Anführer religiöser Milizen. Wuye war an der Ermordung des religiösen Lehrers von Ashafa beteiligt. Und Ashafas Männer dürften dafür verantwortlich sein, dass Wuye seine rechte Hand verlor. Sie wurde ihm von Kämpfern abgehackt, heute trägt er eine Prothese.

Ein Vermittler brachte die Kontrahenten von einst zusammen. Wuhye und Ashafa haben miteinander geredet und darauf verzichtet, sich am jeweils anderen zu rächen. Seit 15 Jahren betreiben der Imam und der Pastor ein Friedenszentrum in Kaduna. Und tatsächlich ist es ihnen gelungen, die Gutwilligen auf beiden Seiten davon zu überzeugen, dass der Frieden es wert ist, einander zu verzeihen. Dafür sind sie am Donnerstagabend mit dem Deutschen Afrikapreis ausgezeichnet worden. Vor allem aber, sagt Ashafa, werde jetzt endlich in Kaduna investiert. Und wer seine Familien ernähren könne, neige weniger dazu, Konflikte gewaltsam auszutragen, fügt Wuye hinzu.

Inzwischen zählen die beiden zum afrikanischen Friedens-Jet- Set. Sie werden geholt, wenn es knallt, nach den umstrittenen Wahlen in Kenia Ende 2007 zum Beispiel oder im Südsudan vor und nach dem Referendum über die Unabhängigkeit. An beiden Orten haben sie mit Vertretern der verfeindeten Volksgruppen gearbeitet, gepredigt und sie überzeugt, den gewaltsamen Weg dauerhaft zu verlassen.

Der Imam und der Pastor sind nicht die Einzigen, die mit ihrem spirituellen Heilungskonzept dem Vorbild Mandelas folgen. Aus der Sicht von Imam Ashafa sind auch die Volksgerichte (Gacaca) in Ruanda ein Beispiel für diesen Weg. Und auch die Liberianerinnen, die mit der Drohung, sich nackt auszuziehen, Milizenführer in dem westafrikanischen Staat zu einem Friedensschluss zwangen, haben eine ähnliche Strategie verfolgt.

Dieses Konzept der Versöhnung ist mit westlichem Recht nicht zu fassen. „Wahrheit“ und „Mitgefühl“ ersetzen das Recht in der afrikanischen Tradition. Sie führen zu pragmatischen Lösungen wie der Reintegration von Verbrechern in die Gemeinschaft. Sie rütteln nicht am Unrecht, führen aber manchmal zum Frieden.

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